Der Geheimbund der 45. Bernhard Wucherer

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Der Geheimbund der 45 - Bernhard Wucherer


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aus allen Ecken der bekannten Welt. Matteo hatte sich gestern anstandshalber die Ware eines lästigen türkischen Teppichhändlers zeigen lassen. Heute unterhielt er sich mit einem ihm bereits bekannten Salzroder aus Hall in Tyrol, der weit herumgekommen war. Und weil auch er den Professore von dieser Osteria her gekannt hatte, berichtete er seinem Gesprächspartner, dass »Philippos« Heimatort Isine das Stadtrecht verliehen werden solle. So ganz nebenbei erwähnte der Salzfuhrwerker, dass er nicht direkt ins Tyrolerische zurückkutschieren würde, weil er zuvor noch in eine andere Richtung müsse. »Ich habe eine Rückfracht nach Memmingen!«, sagte er in einem Ton, als wenn er dies für seinen Zuhörer als unwichtig erachten würde.

      Als Matteo aber »Memmingen« hörte, horchte er auf. »Liegt diese Stadt nicht ebenfalls im Allgäu wie Isine?«

      Nun wurde der Salzroder stutzig. »Nein! Ich glaube nicht, dass Memmingen noch zum Allgäu gehört! Aber du kennst dich dennoch gut in den deutschen Landen aus?«, wunderte er sich.

      »Also bringst du deine Rückfracht bis in die Nähe von Isine?«, drängte der Italiener.

      Der bullige Fuhrwerker spuckte aus, bevor er sich mit seiner tellergroßen Hand den Schweiß aus dem Gesicht wischte. Dann nickte er und sagte: »Das nicht gerade. Ich muss zur Äbtissin des dortigen Augustinerinnenklosters! Aber von ›Nähe‹ kann keine Rede sein, denn zwischen Memmingen und Isine dürften etwa fünfundzwanzig Meilen oder mehr liegen!«

      »Was hast du denn geladen?«

      »Hauptsächlich Knoblauchzehen, Oliven … und einen hervorragenden Rotwein!«

      Nun musste Matteo schmunzeln. »Vino rosso? … Jaja, die geistliche Obrigkeit lässt es sich nicht nur in Rom gut gehen!«, rutschte es ihm versehentlich in seiner Muttersprache heraus.

      Weil sein Gegenüber nichts verstanden hatte, bemerkte auch Matteo nichts mehr dazu. Stattdessen schenkte er dem offensichtlich durstigen Mann Wein ein und fragte ihn nach seinem Namen.

      »Hannß! Warum?«

      »Ciao, Hannß! Ich heiße Matteo!«

      »Ciao!«, antwortete Hannß.

      Weil Matteo ein durchtriebener Mann war, gelang es ihm mühelos, sein Gegenüber weiter erfolgreich auszufragen: »Wann musst du wieder zurück?«, hatte er Hannß Greiter, wie der Mann mit vollem Namen hieß, gefragt und zur Antwort bekommen, dass der noch über Rimini und Arcona bis nach Perugia müsse, um dort seine Rückfracht abzuholen, die er direkt nach Memmingen bringen musste.

      »Und dann?«, interessierte Matteo, während er dem herben Mann Wein nachschenkte.

      »… muss ich auf direktem Weg wieder zurück nach Hall!«

      »Aber du könntest mich bis nach Memmingen mitnehmen?«

      Hannß überlegte kurz und nahm einen kräftigen Schluck, bevor er grinsend den Daumen und den Zeigefinger aneinander rieb.

      Matteo grinste auch und sagte: »Kein Problem! Wir werden uns sicher handelseinig! Könntest du mich denn auch bis nach Isine bringen?«

      Obwohl dies ein großer Umweg wäre, dachte Hannß ernsthaft darüber nach, ob und wie er dies würde bewerkstelligen können. Dann sagte er in verschlagenem Tonfall: »Das wären dann etwa dreißig weitere Meilen!«

      »Fünfundfünfzig Meilen!«, entfuhr es Matteo entsetzt. »Fünfundfünfzig Meilen mehr, als wenn wir von Memmingen aus über Leutkirch nach Isine kutschieren würden!«

      »Ja!«, bestätigte Hannß, über die Ortskenntnisse des Italieners erstaunt. »Wenn ich schon bis dort runterkutschiere, muss ich zum dortigen Fürstabt Rudolf von Hohenegg, den ich bei dieser Tour eigentlich nicht eingeplant hatte.«

      »Das verstehe ich nicht.«

      Nun kam die große Stunde des Fuhrwerkers, der gewittert hatte, dass er für seine Dienste wesentlich mehr herausschlagen konnte als bei jeder normalen Fahrt. »Ganz einfach!«, begann Hannß. »Wenn der Fürstabt hinterher erfährt, dass ich im Allgäu war und nicht zu ihm gekommen bin, um ihm ein Fass Rotwein und mindestens eine Mandel Olivenkrüge mitzubringen, wird er so verärgert sein, dass ich mit ihm wohl nie mehr ins Geschäft kommen werde!«

      Aber Hannß brauchte seinen Wert gar nicht künstlich zu steigern. Matteo fragte nach dem Preis, den er sofort akzeptierte, während er dem Fuhrwerker die Hand reichte.

      »Und das Futter für meine beiden Zugtiere versteht sich von selbst!«, schoss es schnell aus Hannß heraus, der sich darüber ärgerte, nicht noch mehr verlangt zu haben.

      »Du schlauer Fuchs!«, lachte Matteo und reichte Hannß nochmals die Hand, damit die Sache endgültig stand und keine weiteren Kosten hinzukamen.

      »Also gut …«

      »Das passt alles wie für mich gemacht!«, freute sich Matteo. Weil das letzte Semestre vor den großen Sommerferien bevorstand, machte er mit dem Salzroder aus, sich nach dessen Rückkehr aus Perugia in Bologna abholen zu lassen.

      »… aber nicht ohne eine Anzahlung!«, hatte das gutmütige Schlitzohr noch gefordert, bevor die beiden ungleichen Männer ihre Abmachung ordentlich begossen hatten.

      Kapitel 13

      Während Hannß den Verlauf ihrer Reise im Nachhinein als »völlig normal und harmlos« bezeichnete, war es für Matteo eine derartige Schinderei gewesen, dass er völlig erschöpft und abgemagert war, als sie eines Spätnachmittags im sonnendurchfluteten Isine ankamen.

      »Was ist denn hier los?«, hatten sich die beiden grundverschiedenen, während der langen Reise aber dennoch zu Freunden gewordenen Männer gefragt, als ihnen die allgemeine Betriebsamkeit der vielen Menschen auffiel, während sie durch das Bergtor die Hauptstraße hinunterkutschierten, um eine Herberge zu suchen.

      »Scusi!«, rief Matteo vom Kutschbock herunter und bekam von einer der beiden Frauen, die er angesprochen hatte, ein »Hä?« zurück.

      Über diese kurze Antwort erstaunt, schaute er erst die Frau, dann Hannß an, der sofort lauthals zu lachen begann, bevor er seinem Freund erklärte, dass sie ihn nicht verstanden hatte. »Sie kann kein Italienisch! Lass mich mal versuchen, vielleicht versteht die holde Maid ja einen Tyroler!«

      Nachdem Hannß in seinem hier zwar nicht unbedingt allseits bekannten, aber dennoch verständlichen Dialekt höflich nach einer Herberge gefragt hatte, zeigte die Frau nach vorne. »Ihr miesset bloß g’rad’aus, nananab durch’s Schdädtle! Dann ab bizzle rechts ’nauf bis zur Kloschd’rmihle! Dô isch dann d’r ›Schwanê‹! Pfiat eich Gott!«

      »Danke!«

      »Grazie, signora!«

      »As sei scho recht!«, sagte die Ältere.

      Als der Planwagen an den beiden vorbeizog, kicherte die andere und meinte zu ihrer Freundin: »Hôsch dean schwarze’ Deif’l g’sea? Und hôsch g’sea, wie der mi a’glueget hôt? Der kennt m’r herrgottig g’falle’!«

      »Wenn du muisch!«

      Damit war die Konversation der beiden Dorfschönheiten beendet.

      Die der Kutscher aber nicht: »Hast du ein Wort verstanden?«, mochte Hannß lachend von seinem Freund wissen.

      Matteo gab keine Antwort. Stattdessen hatte er sich seitlich so weit vom Bock gelehnt, dass er zurückschauen konnte. Erst als er von Hannß einen Rempler in die Rippen bekam, besann er sich wieder auf ihre Fahrt. »Was hast du gesagt?«

      »Sag nicht, dass dir die Kleine mit dem güldenen Haar gefallen hat!« An Matteos Reaktion merkte Hannß, dass er die Gefühle seines Freundes richtig eingeschätzt hatte. »Das glaube ich jetzt nicht!«

      Mit sich und der Welt zufrieden fuhren sie an etlichen Betrieben vorbei: einem Becherer, mehreren Lodwebern, einem Schuhmacher, einem Nagler und sogar einem Murator, der den wachsenden Wunsch betuchter Zugereister nach Häusern aus Stein befriedigte.

      »Sieh mal, Hannß …« Der gottesfürchtige Italiener bekreuzigte


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