Ostfriesenspieß. Wolfgang Santjer

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Ostfriesenspieß - Wolfgang Santjer


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kam der schwere Teil der Arbeit. Auf dem Parkplatz war alles ruhig. Gemeinsam trugen sie ihr immer noch bewusstloses Opfer aus dem Wohnmobil und legten es in die Kiste. Schweißperlen liefen ihnen über die Stirn.

      Atemlos stöhnte er: »Hast du die Schlüssel vom Bulli?«

      Sie klopfte auf eine Seitentasche ihrer Overalls.

      »Okay, dann schnell den Deckel drauf, bevor er zu sich kommt.«

      Der Deckel knallte auf die Kiste. Die schweren Scharniere schnappten zu.

      Gerd Hasler warf die Schiebetür zu. »Du fährst jetzt mit dem Zigaretten-Bulli zu unserer Halle. Aber fahr vorsichtig und fall nicht auf. Ich folge dir mit dem Transporter, für alle Fälle.«

      Sie wollte nur weg. Ein Kloß steckte in ihrem Hals. Ihre Stimme hätte ihm ihr Entsetzen vor dem bevorstehenden Mord verraten. Deshalb nickte sie nur.

      Gerd ging neben dem Transporter in die Knie, legte das Ventil der Abgasleitung um.

      Tag 3, 23.30 Uhr

      Unterwegs auf der Autobahn von Brinkum-Leer-Emstunnel-Weener-Rhede.

      In der Kiste erwachte Karl Klein langsam.

      Er versuchte, sich zu orientieren. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war dieses geile Weib in dem Wohnmobil. Er wollte sich aufrichten, stieß aber mit dem Kopf an. Dann fühlte er die Handschellen. Und überall stieß er mit den Füßen oder mit der Schulter gegen eine Wand.

      Langsam begriff er, was das bedeutete. Er lag in einem Sarg. Dieser warme Luftzug von der Seite benebelte ihn.

      Seine Hilfeschreie blieben ungehört. Die Panik wich schließlich einer gnädigen Ohnmacht.

      Tag 4, 00.30 Uhr

      Gerd Hasler öffnete die Schiebetür, danach löste er die Verriegelungen. Eine Wolke von Abgasen schlug ihm entgegen, als er den Deckel anhob. Ein rascher Blick über den Parkplatz: alles ruhig.

      Den Elektroschocker konnte er zur Seite legen. Ihr Opfer lag mit rotem Gesicht tot in der Kiste. Mit einem speziellen Bergungsgriff zog Gerd den Toten heraus und schleppte ihn in das dunkle Dickicht des Parkplatzes.

      Er öffnete mit dem Schlüssel die Handschellen. Die Schmuckkette legte er dem Opfer um den Hals. Mit einem knackenden Geräusch trennte seine Schere den Zeigefinger von der rechten Hand des Toten.

      Alles lief wie geplant. Der Transporter verließ den Parkplatz. Er drehte an der Anschlussstelle Rhede, fuhr zurück Richtung Bunde.

      Tag 4, 01.45 Uhr

      Im Industriegebiet Bunde-West stellte Gerd Hasler sein Fahrzeug hinter die alte Halle eines abgelegenen Firmengeländes. Beim Aussteigen überprüfte er die Umgebung. Alles war ruhig.

      Die alte Halle war etwa 20 Meter breit und 50 lang. Vorne befand sich ein breites Tor. Das massive Tor bei der Einfahrt sicherte das Grundstück zusammen mit einem stabilen Zaun. Das Gelände war von hohen Büschen umgeben. Ideal für ihre Zwecke. Hinter diesem älteren Gebäude befand sich das neue Firmengelände.

      Gerd betrat die Halle durch die Seitentür. In einem Nebenraum, von der Halle durch eine Plane getrennt, standen der Mercedes des ersten Opfers und daneben der Zigaretten-Bulli.

      Lisa kam ihm entgegen.

      »Braves Mädchen! Hast du nachgesehen, ob da noch ein Handy vom Fahrer drin ist?«

      Sie holte ein zerlegtes Handy aus der Tasche ihres Overalls.

      Gerd klemmte die Batterie des Bullis ab, genau wie die beim Mercedes. Dann verschlossen sie gemeinsam das Tor zum Nebenraum und verließen die Halle.

      Als Nächstes stand der Abtransport des Wohnmobils auf dem Plan.

      Lisa saß neben Gerd auf dem Beifahrersitz. Nervös fragte sie: »Ist er tot?«

      »Ja, ich habe ihn auf dem Parkplatz Rhede entsorgt. Dort findet man ihn nicht so schnell.«

      Eine Zeitlang blieb es still. Dann sagte sie: »Weißt du, diesmal war es irgendwie anders. Ich hab gedacht, beim Zweiten wird es einfacher, aber irgendwie tat mir der junge Mann leid.«

      Zornig entgegnete er: »Du weißt doch, dass sie es verdient haben. Sie hatten doch die Wahl. Sie hätten auch brav nach Hause fahren können.«

      Beide schwiegen. Gerd erzählte ihr nicht, dass er den Toten den Zeigefinger abschnitten hatte, und sprach auch nicht über die Sache mit dem Schmuck, den er hinterließ.

      Lisa erzählte ihm nicht, dass sie im Bulli ein Foto von einem jungen Paar am Armaturenbrett gesehen hatte. Vermutlich der Fahrer und seine Frau. Beide sahen darauf so glücklich aus.

      Sie fuhren durch den Emstunnel, weiter bis zur AS Filsum, drehten dort. Nach einigen Kilometern in Richtung Westen waren sie zurück am Parkplatz Brinkum. Das Wohnmobil stand so, wie sie es verlassen hatten, auf dem dunklen Parkplatz.

      Tag 4, 02.45 Uhr

      PP Brinkum, Rtg. Leer/Mep.

      Gerd Hasler sah Lisa besorgt an. »Alles in Ordnung mit dir? Bleib cool, jetzt fährst du das Wohnmobil zurück und wartest in der Halle auf mich. Ich folge dir mit Abstand und lass das Funkgerät eingeschaltet. Keine Angst, alles ist gut gelaufen. Du warst einsame Spitze.«

      Lisas Gesicht war blass. Ihr Lächeln wirkte aufgesetzt. Ihre Stimme klang weinerlich. »Es geht schon. Ich fahr los. Bis später.«

      Gerd schaute ihr hinterher. Diesmal war ihr die Sache offensichtlich nahegegangen. Eine Pause wäre sicher angebracht.

      Der Motor des Wohnmobils sprang an. Gerd sah ihr nach, als sie damit den Parkplatz verließ. In Gedanken ließ er die Ereignisse an sich vorbeiziehen. Hatten sie etwas vergessen, etwas übersehen?

      Nein, alles lief perfekt. Er legte den ersten Gang ein und fuhr los.

      Tag 4, 03.00 Uhr

      Leer, Emstunnel, Rtg. Mep./Ndl.

      Es war spät und nur noch wenig los. Ein Wohnmobil fuhr langsam an ihm vorbei. Aus Gewohnheit sah er dem Fahrzeug hinterher und bemerkte, dass die hintere Beleuchtung ausgefallen war.

      Alleine sollte er natürlich kein Fahrzeug überprüfen. Hier war allerdings Gefahr im Verzug. Ein relativ langsames Fahrzeug ohne jede Beleuchtung nach hinten war sogar sehr gefährlich. Berger fädelte den Streifenwagen vor einem weißen Transporter auf den Hauptfahrstreifen ein, gab Gas und wechselte auf die Überholfahrspur. Er setzte sich vor das Wohnmobil und schaltete die elektronische Anzeige nach hinten ein. Das Lichtzeichen ›Bitte folgen‹ leuchtete im Takt auf dem Dach des Streifenwagens.

      *


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