Der Strick um den Hals. Emile Gaboriau

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Der Strick um den Hals - Emile Gaboriau


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den Namen des Fabrikanten: Klebb, mit erhabenen Buchstaben geprägt, lesen konnte.

      »Diese Patrone hat mir nie gehört«, sprach der Graf.

      Aber bei diesen Worten war er sehr bleich geworden, so bleich, daß seine Frau auf ihn zutrat und ihn mit einem fragenden Blick ansah, in welchem sich die fürchterlichste Angst malte.

      »Nun?«

      Er antwortete nicht.

      So mächtig und so beredt wirkte in diesem Augenblick sein Schweigen, daß die Gräfin dem Umsinken nahe schien; sie murmelte:

      »So hatte Cocoleu doch seine volle Vernunft!«

      Nicht der geringste Umstand dieser jähen Szene war Herrn Galpin-Daveline entgangen.

      Auf allen Gesichtern um sich her hatte er den Ausdruck plötzlichen Grauens wahrgenommen.

      Dennoch schwieg er und verriet seine Beobachtungen durch keinerlei Bemerkung.

      Er nahm aus Herrn von Claudieuses Händen die metallene Hülse, welche ein Beweisstück von der furchtbarsten Wichtigkeit werden konnte; und während einiger Minuten drehte und wandte er sie nach allen Seiten und besah sie mit der sorgfältigsten Aufmerksamkeit.

      Sich darauf zu den Bauern wendend, die ehrerbietig mit entblößtem Haupt am Eingang standen, fragte er: »Wo habt ihr diesen Rest einer Patrone gefunden, meine Freunde?«

      »Ganz in der Nähe des verfallenen Turmes, der noch vom alten Schloß übrig ist, wo man die Handwerkszeuge aufbewahrt, und der ganz mit Efeu bewachsen ist.«

      Mittlerweile hatte Herr Sénéchal schon den Schreck bemeistert, der ihn ergriffen, als er den Grafen von Claudieuse erbleichen und verstummen sah.

      »Jedenfalls«, sagte er, »hat der Mörder von dort nicht geschossen. Von jener Stelle aus sieht man nicht einmal den Eingang des Hauses.«

      »Das ist möglich«, antwortete der Richter, »aber die Hülse der Patrone fällt nicht notwendig auf den Platz zurück, von dem aus man feuert. Sie fällt herab, wenn man den Lauf der Flinte öffnet, um sie neu zu laden.«

      Dieser Einwand war so treffend, daß selbst der Doktor Seignebos nicht zu protestieren versuchte.

      »Jetzt«, fuhr Herr Galpin-Daveline fort, »wer von euch, meine Freunde, hat diesen Rest einer Patrone gefunden?«

      »Wir waren alle drei zusammen, als wir ihn bemerkten und aufhoben.«

      »Gut! Sage mir ein jeder seinen Namen und die Wohnung, damit ich euch, wenn es nötig ist, nach dem Gesetz vorladen kann.«

      Sie gehorchten und zogen sich unter ehrfurchtsvollen Verbeugungen zurück, als der Galopp eines Pferdes sich draußen auf dem Hofe, der das Haus umgab, hören ließ. Gleich darauf trat der Bote, der nach Medikamenten in die Stadt geschickt worden war, mit einer wütenden Gebärde ein.

      »Der Schuft von Apotheker«, rief er, »es schien gerade, als wollte er mir durchaus nicht öffnen.«

      Der Doktor Seignebos nahm die Gegenstände, die man ihm gebracht, in Empfang.

      »Ich begreife sehr wohl, mein Herr«, sagte er, sich mit ironischem Respekt vor dem Untersuchungsrichter verbeugend, »wie wichtig es ist, dem Mörder den Hals abzuschneiden, aber ich halte es für nicht weniger dringend, das Leben des Verwundeten zu retten. Ich habe die Behandlung der Wunden länger unterbrochen, als es die Vorsicht vielleicht erlaubte; ich bitte Sie, mich jetzt in Ruhe mein Amt versehen zu lassen.«

      6

      In der Tat hielt den Untersuchungsrichter, den Staatsanwalt und Herrn Sénéchal nichts mehr zurück.

      Ohne Zweifel hätte Herr Seignebos sich auf eine angemessenere Weise ausdrücken können; aber man war gewöhnt an die rücksichtslosen Manieren des guten Doktors.

      Also verließen die Herren das Zimmer, nachdem sie sich von der Gräfin verabschiedet und dem Grafen mit dem Versprechen, die genauesten und sichersten Erkundigungen einzuziehen, die Hand gedrückt hatten.

      In Ermangelung weiterer Nahrung war das Feuer im Erlöschen begriffen.

      Einige Stunden hatten genügt, um die Früchte jahrelanger Sorgfalt und unablässiger Arbeit zu vernichten.

      Von der reizenden und allgemein bewunderten Domäne von Valpinson war nichts mehr übriggeblieben als die Stücke durchglühter und halb eingestürzter Mauern, nichts als schwarz aufgetürmte Asche und Trümmerhaufen, aus denen noch der Rauch in spiralförmiger Windung aufstieg.

      Dank der Geschicklichkeit des Hauptmanns Parenteau war alles, was man den Flammen hatte entreißen können, zwischen den Ruinen des alten Schlosses in Sicherheit gebracht worden.

      Hier waren die Rinder angebunden, die man unter tausend Gefahren aus den Ställen gezogen hatte, Pferde, Ochsen, einige Schafe und ein Dutzend jämmerlich brüllender Kühe.

      Da häuften sich die Möbel und die geretteten Geräte auf; hier sah man Fuhrwerke, landwirtschaftliche Geräte, Karren, dort leere Biertonnen, Hafer- und Kornsäcke durcheinanderliegen.

      Nur wenige hatten sich entfernt. Unter noch verzweifelteren Anstrengungen als zuvor fuhren die Feuerwehrleute, von den Bauern unterstützt, fort, das Hauptgebäude zu bespritzen. Vom Feuer war nichts mehr zu fürchten, aber sie hatten noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben, die Leichname Boltons und Guillebaults vor völligem Verkohlen zu schützen.

      »Welch eine Geißel, welch ein Strafgericht ist das Feuer!« murmelte Herr Sénéchal.

      Weder Herr Daubigeon noch Herr Galpin-Daveline gaben eine Antwort auf diese Worte.

      Auch ihnen preßte sich, nach so viel heftigen Aufregungen, das Herz zusammen beim Anblick des düsteren Schauspiels, das sich ihren Blicken darbot.

      Denn das Feuer, in demselben Augenblick, als noch die fieberhafte Erregung der Gefahr und die Hoffnung auf Rettung waltet, solange noch die Flammen den Horizont mit ihren roten Reflexen erhellen, ist nichts! Erst hernach, wenn alles aus, wenn alles verlöscht ist, ermißt man die Schrecknisse der Verwüstung.

      Kaum bemerkten die Feuerwehrleute den Bürgermeister, als sie ihn mit lautem Zuruf begrüßten. Während dieser eilig auf sie zuschritt, blieben zum erstenmal, seit das Alarmzeichen gegeben worden war, der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt sich allein gegenüber.

      Sie standen aufrecht, dicht nebeneinander da, eine geraume Weile im Stillschweigen verharrend, während jeder in dem Blick des andern das Geheimnis seiner Gedanken zu erspähen suchte.

      »Was nun?« fragte endlich Herr Daubigeon.

      Herr Galpin-Daveline erbebte. »Es ist eine entsetzliche Geschichte«, flüsterte er.

      »Was ist Ihre Ansicht?«

      »Ja – daß ich's selber wüßte! Ich habe den Kopf verloren; mir ist, als wäre ich der Spielball einer höllischen Gaukelei.«

      »Glauben Sie denn in der Tat an die Schuld des Herrn von Boiscoran?«

      »Ich glaube nichts. Meine Vernunft ruft mir zu, daß er unschuldig ist, daß es nicht anders möglich sei, und dennoch sehe ich schwere


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