H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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Aus­ga­be mit. Man nahm an, dass dies dem Auf­fal­len ei­ni­ger bren­nen­der Fich­ten­stäm­me auf die Dräh­te zu­zu­schrei­ben sei. Über das Ge­fecht wur­de in je­ner Nacht, der Nacht mei­ner Fahrt nach Lea­ther­head und zu­rück, nichts wei­ter be­kannt.

      Mein Bru­der war nicht im Min­des­ten um uns be­sorgt, da er aus der Be­schrei­bung der Blät­ter wuss­te, dass der Zy­lin­der gute zwei Mei­len von un­se­rem Haus ent­fernt war. Er nahm sich vor, in der Nacht zu mir zu fah­ren, um, wie er sag­te, sich die Ge­schöp­fe an­zu­se­hen, be­vor sie ge­tö­tet wür­den. Er sand­te mir ein Te­le­gramm, das mich nie er­reich­te. Das war um vier Uhr. Den Abend ver­brach­te er in ei­ner Sing­spiel­hal­le.

      Auch in Lon­don herrsch­te Sams­tag nachts ein star­kes Un­wet­ter, und mein Bru­der fuhr in ei­ner Drosch­ke zum Wa­ter­loo­bahn­hof. Auf dem Bahn­steig, von dem der Mit­ter­nachts­zug die Sta­ti­on ge­wöhn­lich ver­lässt, er­fuhr er nach ei­ni­gem War­ten, dass ein Un­fall die Züge ver­hin­de­re, die­se Nacht Wo­king zu er­rei­chen. Über das Nä­he­re die­ses Un­falls konn­te er nichts Ver­läss­li­ches er­fah­ren; selbst die Bahn­be­am­ten wuss­ten da­mals noch nichts Be­stimm­tes. Auf dem Bahn­hof herrsch­te nur ge­rin­ge Auf­re­gung, und die Bahn­be­am­ten, weit ent­fernt, et­was an­de­res an­zu­neh­men als eine ein­fa­che Stö­rung zwi­schen Byfleet und dem Kno­ten­punkt Wo­king, führ­ten die Thea­ter­zü­ge, wel­che ge­wöhn­lich über Wo­king fuh­ren, auf einen Um­weg über Vir­gi­na Wa­ter oder Guild­ford. Eben­so eif­rig wa­ren sie da­mit be­schäf­tigt, die Li­ni­en der Sonn­tags-Ver­gnü­gungs­zü­ge nach Southamp­ton und Ports­mouth zu än­dern. Der Nacht-Be­richt­er­stat­ter ei­ner Zei­tung, der mei­nen Bru­der irr­tüm­lich für den Be­triebs­lei­ter hielt, mit dem er eine ent­fern­te Ähn­lich­keit be­sitzt, stell­te sich ihm in den Weg und ver­such­te, ei­ni­ges aus ihm her­aus­zu­be­kom­men. Au­ßer ei­ni­gen Bahn­be­am­ten brach­ten nur we­ni­ge Leu­te den Un­fall mit den Mars­män­nern in Zu­sam­men­hang.

      In ei­nem an­de­ren Be­richt die­ser Er­eig­nis­se habe ich ge­le­sen, dass am Sonn­tag­mor­gen »ganz Lon­don durch die Nach­rich­ten aus Wo­king elek­tri­siert war.« In Wahr­heit aber gab es nichts, das die­sen sehr über­trie­be­nen Aus­druck recht­fer­ti­gen konn­te. Zahl­rei­che Leu­te in Lon­don hat­ten bis zur Pa­nik am Mon­tag­mor­gen nichts von den Mars­leu­ten ge­hört. Und die da­von ge­hört hat­ten, be­durf­ten ei­ni­ger Zeit, um sich aus den has­tig ent­wor­fe­nen Te­le­gram­men der Sonn­tags­blät­ter ein Bild zu ma­chen. Die Mehr­heit der Leu­te in Lon­don liest kei­ne Sonn­tags­blät­ter.

      Au­ßer­dem wur­zelt das ge­wohn­te Ge­fühl per­sön­li­cher Si­cher­heit so tief in der See­le des Lon­do­ners, und auf­re­gen­de Zei­tungs­nach­rich­ten sind eine so all­täg­li­che Sa­che in Lon­don, dass die Leu­te ohne be­son­de­re Furcht Din­ge wie die­se le­sen konn­ten: »Vo­ri­ge Nacht ka­men die Mars­leu­te um sie­ben Uhr aus ih­rem Zy­lin­der her­aus. Sie wag­ten sich in Har­ni­schen aus Me­tall­plat­ten her­vor, zer­stör­ten das Bahn­hofs­ge­bäu­de von Wo­king samt den um­lie­gen­den Häu­sern voll­stän­dig und ver­nich­te­ten ein gan­zes Ba­tail­lon des Car­di­gan-Re­gi­men­tes. Ein­zel­hei­ten sind nicht be­kannt. Ma­xim-Ge­schüt­ze er­wie­sen sich völ­lig nutz­los ge­gen ih­ren Har­nisch; Feld­ge­schüt­ze wur­den von ih­nen zer­trüm­mert. Flie­hen­de Husa­ren spreng­ten nach Chert­sey. Die Mars­leu­te schei­nen lang­sam nach Chert­sey oder Wind­sor vor­zu­rück­en. In West-Sur­rey herrscht große Angst und Schan­zen wer­den auf­ge­wor­fen, um ei­nem Ein­rücken in Lon­don vor­zu­beu­gen.« In die­ser Wei­se drück­te sich die »Sun­day Sun« aus; und ein ge­schick­ter, und mit be­mer­kens­wer­ter Schnel­lig­keit ge­schrie­be­ner Fach­auf­satz im »Re­fe­ree« ver­glich die Sa­che mit ei­ner plötz­lich auf ein Dorf los­ge­las­se­nen Me­na­ge­rie.

      Nie­mand war in Lon­don über die Be­schaf­fen­heit der ge­pan­zer­ten Mars­leu­te ge­nau un­ter­rich­tet und noch im­mer herrsch­te die fixe Idee, dass die­se Un­ge­heu­er nur schwer­fäl­lig »krab­bel­ten«, »müh­se­lig kro­chen«. Sol­che Aus­drücke fan­den sich fast in je­dem der ers­ten Be­rich­te. Kei­nes je­ner Te­le­gram­me konn­te von ei­nem Au­gen­zeu­gen je­ner Vor­gän­ge her­rüh­ren. Die Sonn­tags­blät­ter druck­ten Son­der­aus­ga­ben, als wei­te­re Nach­rich­ten be­kannt wur­den, man­che auch, bei de­nen das nicht der Fall war. Aber es gab tat­säch­lich nichts, was man den Leu­ten brin­gen konn­te, bis zum spä­ten Nach­mit­tag, als die Be­hör­den den Pres­se­agen­ten die Nach­rich­ten über­mit­tel­ten, die in ih­rem Be­sitz wa­ren. Es wur­de die Mit­tei­lung ge­macht, dass die Be­woh­ner von Wal­ton und Wey­bridge, und über­haupt aus die­sem gan­zen Be­zirk auf den Stra­ßen Lon­don zu­ström­ten. Das war al­les.

      Am Mor­gen ging mein Bru­der in die Kir­che des Fin­del­hau­ses, im­mer noch ohne zu wis­sen, was sich am Abend vor­her zu­ge­tra­gen hat­te. Er hör­te dort An­spie­lun­gen auf den Ein­fall der Mars­be­woh­ner und ein be­son­de­res Ge­bet um Frie­den. Nach dem Got­tes­dienst kauf­te er eine Num­mer des »Re­fe­ree«. Die dar­in ent­hal­te­nen Nach­rich­ten mach­ten ihn doch be­sorgt, und er be­gab sich er­neut zum Wa­ter­loo-Bahn­hof, um dort aus­fin­dig zu ma­chen, ob die Ver­bin­dung schon her­ge­stellt sei. Die Stell­wa­gen, die Drosch­ken, die Rad­fah­rer und die zahl­lo­sen Leu­te, die in ih­ren bes­ten Klei­dern um­her­wan­del­ten, schie­nen von den selt­sa­men Nach­rich­ten, wel­che die Zei­tungs­jun­gen aus­rie­fen, kaum be­rührt zu wer­den. Die Leu­te in­ter­es­sier­ten sich höchs­tens da­für, oder wenn sie be­sorgt wa­ren, so wa­ren sie es nur um ihre dort woh­nen­den An­ge­hö­ri­gen. Auf dem Bahn­hof hör­te er zum ers­ten Mal, dass die Li­ni­en nach Wind­sor und Chert­sey schon un­ter­bro­chen wa­ren. Die Trä­ger er­zähl­ten ihm, dass am Mor­gen ei­ni­ge wich­ti­ge Te­le­gram­me von den Sta­tio­nen Byfleet und Chert­sey ein­ge­trof­fen sei­en. Plötz­lich aber wäre nichts mehr ge­kom­men. Mein Bru­der konn­te kei­ne ge­naue­ren Ein­zel­hei­ten aus den Män­nern her­aus­be­kom­men. »Dort um Wey­bridge her­um scheint tüch­tig ge­kämpft zu wer­den«, dar­auf lie­fen alle ihre Mit­tei­lun­gen hin­aus.

      Der Bahn­dienst schi­en in große Un­ord­nung ge­ra­ten zu sein. Eine er­heb­li­che Men­ge von Men­schen, die aus den Ort­schaf­ten des süd­west­li­chen Bahn­net­zes Freun­de er­war­tet hat­ten, stand un­schlüs­sig her­um. Ein grau­köp­fi­ger al­ter Herr kam an mei­nen Bru­der her­an, und ließ sich in hef­ti­gen Wor­ten über die Süd-West­bahn-Ge­sell­schaft ans. »Die soll­te wohl tüch­tig her­ge­nom­men wer­den«, sag­te er.

      Ein paar Züge ka­men an, aus Rich­mond, Put­ney und King­ston. Sie brach­ten Leu­te, die aus­ge­zo­gen wa­ren, um einen Ta­ges­aus­flug zu Was­ser zu ma­chen, aber sie hat­ten die Schleu­sen ge­schlos­sen ge­fun­den und glaub­ten et­was wie ein Ge­fühl von Angst, das in der Luft lag, zu mer­ken. Ein Mann in blau und weiß ge­streif­tem Fla­nell, wen­de­te sich an mei­nen Bru­der, sei­ne selt­sa­men Neu­ig­kei­ten an den Mann zu brin­gen:

      »Scha­ren von Leu­ten fah­ren auf Kar­ren und Wa­gen und al­len er­denk­li­chen Fuhr­wer­ken nach King­ston und schlep­pen da­bei Kof­fer mit ih­ren Hab­se­lig­kei­ten mit«, sag­te er, »sie kom­men aus Mo­le­sey und Wey­bridge und Wal­ton und be­haup­ten, in Chert­sey ein hef­ti­ges Ge­schütz­feu­er ge­hört zu ha­ben; be­rit­te­ne Sol­da­ten sol­len ih­nen ge­ra­ten ha­ben, schleu­nigst die Flucht zu er­grei­fen, da die Mars­leu­te kämen. Auch wir


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