Es war ganz anders. Georg Markus

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Es war ganz anders - Georg Markus


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werden können. Und alle ereigneten sich parallel zu der Beziehung mit dem Kaiser.

      Die aufsehenerregende Lovestory Franz Josephs und der Schauspielerin wurde zwar mit großer Diskretion behandelt, aber die Bewohner der Donaumonarchie wussten davon bis in den hintersten Zipfel von Galizien, und sie hatten sogar Verständnis für ihren Regenten, da seine Gemahlin Elisabeth ständig auf Reisen war und ihn oft über Monate allein ließ. Kein Wunder also, dass der Kaiser nach einer Frau suchte, die ihm Seelenfreundin und Geliebte sein konnte. Und er fand die Schratt.

       »Ich denke Tag und Nacht an Eure Majestät«

      Die Schratt reagierte, wenn der Kaiser auf Reisen war, nicht minder gefühlsbetont: »Ich denke Tag und Nacht an Eure Majestät und erwarte mit unsagbarer Sehnsucht die endliche Rückkunft.«

      Nun stellt freilich ihre jüngst entdeckte Korrespondenz all das in den Schatten, was zwischen Kaiser und Schauspielerin belegt ist.

      »Kathi, wie gut warst du in der Nacht für mich – wie noch nie – ich fühle deine Hand – sie hat ja meinen ganzen Leib berührt, ich fühle deine Küsse so warm so heiß …« Diesen an Deutlichkeit nicht zu überbietenden Brief schrieb der Gutsherr, Sportsmann, Abenteurer und Kunst mäzen Hans Graf Wilczek an Katharina Schratt, nachdem er mit ihr im Frühjahr 1886 eine Nacht in der von ihr gemieteten Villa Frauenstein am Wolfgangsee verbracht hatte.

      Der Beweis, dass es eine Dreiecksbeziehung Schratt-Kaiser-Wilczek gab, kann seit dem Jahr 2008 erbracht werden, als das Hofmobiliendepot der Republik Österreich achtzehn eng beschriebene Briefe des Grafen Wilczek an die Schratt erworben hat. Sie wurden nach eingehender Prüfung für echt befunden und ob ihrer zeitgeschichtlichen Bedeutung vom Bundesdenkmalamt für die Ausfuhr gesperrt. Inzwischen tauchte auch eine weitere Karte des Grafen Wilczek an die Schratt aus privatem Besitz auf, die mir zur Verfügung gestellt wurde:

       Der Kaiser reagiert stets gereizt, wenn es um den Grafen Wilczek geht

      »Kathi – ich bin Tag und Nacht bei dir – ich lieb dich jeden Tag me(h)r – jede Nacht me(h)r ob ich bei dir bin aus der Ferne oder bei dir recht nahe – Kathi ich lieb dich zum Sterben – dein dein dein treuer Mann Hans – Ich laß unsere Kathi küßen.«

      Der Kaiser reagierte stets gereizt, wenn es um den Grafen Wilczek ging – ohne wissen zu können, was hier tatsächlich lief. »Nie hätte ich mir erlaubt, Sie zu ersuchen, Wilczek nicht zu empfangen«, schrieb er an die Schratt, »ich war eben nur wieder eifersüchtig, da ich Sie so lieb habe (zerreißen Sie gleich diesen Brief).«

      Doch auch Wilczek fühlte, dass ihm der Kaiser im Wege stand: »Katherl, lass mich doch bei dir weilen lange, lange, ich werde dich ja nicht quälen – bei Wasser und Brot – allein sein mit dir, kein Butler soll uns stören und kein Kaiser.«

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       »Kathi ich lieb dich zum Sterben«: Karte des Grafen Wilczek an die Schratt

      Die im Hofmobiliendepot aufbewahrten Wilczek-Briefe an Katharina Schratt stammen aus den Jahren 1885/86. Die Schauspielerin hatte den Kaiser zwei Jahre davor, als sie ihm in einer Audienz als neues Mitglied des Burgtheaters vorgestellt worden war, zum ersten Mal getroffen und bald sein Interesse geweckt. Der Beginn der Beziehung zwischen der Schratt und dem Kaiser einerseits und ihrer Affäre mit dem Grafen Wilczek andererseits muss etwa zur gleichen Zeit stattgefunden haben.

      Die Schratt war damals 32 Jahre alt, Wilczek 48, der Kaiser 55. Doch auch wenn der Graf in seinen Briefen immer wieder von »ewiger Treue« spricht, kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass alle Beteiligten zum Zeitpunkt der ménage à trois verheiratet, also in höchstem Maße untreu, waren: Franz Joseph seiner Sisi, die Schratt ihrem Ehemann Nikolaus von Kiss und Wilczek seiner Frau Emma.

      All das hinderte den Grafen nicht, seine geliebte Kathi immer wieder mit Beteuerungen seiner großen Liebe zu beglücken. Der Korrespondenz ist zu entnehmen, dass die Beziehung zum Grafen wesentlich leidenschaftlicher war als die zum Kaiser, wie Briefzitate Wilczeks an die Schratt aus den Jahren 1885/86 belegen:

       »Das Leben… richtet mich früher als nötig zugrunde«

      •»Ich hab dich so gern, dich, dich dich, meine Frau, meine Kathi.«

      •»Ich denk und fühl nichts anderes als Liebe, Liebe, Liebe zu dir.«

      •»Du bist ja die beste Frau auf der ganzen Welt und die edelste Frau. Du bist mein Ideal – meine Kathi… Kathi, ich gehöre dir, mein ganzes Leben – daher möchte ich recht lange leben – das Leben aber wie du es mich führen lässt, richtet mich früher als nötig zugrunde.«

      •»Alle Tage liebe ich dich heißer und leidenschaftlicher – ich fühle mich jeden Tag fester an dich gebunden und gekettet.«

      •»Bitte Katherl, sei gut für mich – ich hab ja ein Recht auf dich – so wie ich selbst nur dir gehöre!«

      •»Meine Kathi – ich brauch mehr zum Leben von dir als du von mir je brauchen wirst. Ich habe einen wilden unerschütterlichen Hunger nach dir – alles in mir: Herz, Geist und Körper ist bis zur Verzweiflung verhungert – und jeden Tag – jede Nacht wächst dieses Leiden erschrecklich – und doch hab ich die Geduld, mich zu begnügen, heute Nacht wenigstens noch am selben Ort wie du zu sein.«

      •»Auf Wiedersehen morgen Dienstag, bitte Katherl sei allein, wenn ich komm. Dein dich liebender treuer Mann Hans.«

      Hans Graf Wilczek war eine in Österreich-Ungarn überaus populäre Erscheinung: Der Zweimeter-Mann, der in einem prunkvollen Innenstadtpalais residierte, zählte zu den reichsten Aristokraten seiner Zeit. Er hatte sich als Forschungsreisender einen Namen gemacht und die Nordpolarexpedition von Julius Payer und Karl Weyprecht, an der er 1872 selbst teilnahm, ermöglicht. An die von Wilczek finanzierte Forschungsreise erinnern heute noch das nach seinem späteren Nebenbuhler benannte Franz-Joseph-Land und die Wilczek-Insel im Arktischen Ozean. Geschichte schrieb Wilczek auch als Mitbegründer der Wiener Rettungsgesellschaft: Er und der Arzt Jaromir von Mundy hatten nach dem Brand des Ringtheaters im Jahr 1881 erkannt, dass viele der fast vierhundert Menschen gestorben waren, weil es in Wien keine funktionierende Rettung gab. Wilczek ließ Arzte und Sanitätspersonal ausbilden, spendete Einsatzfahrzeuge und brachte in seinem Palais in der Herrengasse die erste Ambulanz unter.

      Wilczek galt auch als großes Original, zu dessen Freunden der Kaufmann Gustav Pick zählte. Picks Hobby war es (erfolglose) Melodien zu komponieren, und doch sollte er mit einem Wienerlied unsterblich werden: als er aus Anlass eines Wohltätigkeitsfestes im Mai 1885 für Wilczeks Rettungsgesellschaft Text und Musik des Fiakerliedes schuf. Alexander Girardi sang es bei dieser Veranstaltung in der Wiener Rotunde zum ersten Mal, obwohl er die Melodie für »nicht lebensfähig« hielt.

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      Hans Graf Wilczek war eine populäre Erscheinung und hatte sich als Forschungsreisender, Financier der Polarexpedition von Payer und Weyprecht und als Gründer der Wiener Rettungsgesellschaft einen Namen gemacht. Ganz nebenbei war er auch der Nebenbuhler des Kaisers.

       Die Ehe existiert schon nach kurzer Zeit nur auf dem Papier

      Apropos Girardi. Auch mit Österreichs populärstem Volksschauspieler hatte die Schratt eine Affäre, sie war sogar, allerdings etliche Jahre vor der Begegnung mit dem


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