Ardistan und Dschinnistan. Karl May

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Ardistan und Dschinnistan - Karl May


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      »Vorsicht!« warnte ich ihn.

      »Wohl wegen des Sturzes in das Unterbewußtsein?« lachte er.

      »Ja.«

      »Das lasse ich Eurer gelehrten Müdschewwedet über. Ich stürze nicht wieder. Ich bin gewarnt.«

      »Also vorwärts! Aber schone Mensch und Tier. Nur lebendig nützen sie uns!«

      Wir ritten ihnen nach, und zwar so, daß wir sie nicht ganz einholten, sondern ihnen nur so nahe kamen, daß sie keine Zeit fanden, sich etwa zu trennen und im Waldesdickicht Schutz zu suchen. Die eigentliche Aktion sollte draußen auf der Lichtung stattfinden, wo es mehr Platz gab, sich mit den Pferden auszutummeln. Schon gleich, als wir sie zuerst erblickten, war in mir der Gedanke aufgestiegen, daß sie vielleicht zu den Tschoban, den Feinden der Ussul, gehörten und zeitweilig kamen, um sie zu überfallen und auszurauben. In diesem Gedanken wurde ich durch das Verhalten der drei Männer bestärkt.

      Als sie sich das erstemal nach uns umschauten, stiegen wir eben erst zu Pferde. Als es zum zweiten Male geschah, lagen wir bereits im scharfen Trabe. Sie machten höhnische Armbewegungen und lachten uns aus. Bald aber bemerkten sie, daß wir uns ihnen näherten. Da stießen sie ihren armen Tieren die gewaltigen Sporen derart in die blutigwunden Weichen, daß die Pferde vor Schmerz laut aufwiehernd, oder vielmehr laut aufbrüllend, ihre Schnelligkeit zu vermehren suchten. Das gelang ihnen aber nur für kurze Zeit, denn sie ließen bald wieder nach. Sie ermüdeten rasch, und der Atem ging ihnen aus. Die Reiter gebrauchten ihre Sporen in geradezu unmenschlicher Weise, jedoch vergeblich. Als sie aus der schmalen Schneuße in die weite Lichtung kamen, waren wir kaum noch zwanzig Sprünge hinter ihnen. Ich rief ihnen befehlend zu, anzuhalten. Sie gehorchten nicht, antworteten aber dadurch, daß sie ihre Bogen spannten und, sich im Reiten nach uns umdrehend, uns mehrere Pfeile sandten. Im Gebrauche dieser Art von Geschossen waren sie jedenfalls geübter als in der Führung von Schießgewehren. Die Pfeile waren außerordentlich gut gezielt.

      Die Lichtung war vielleicht eine halbe Wegsstunde breit und hatte eine solche Länge, daß wir ihre uns entgegengesetzte Grenze nicht sehen konnten. Sie bestand aus einer durchaus sandigen Anlagerung, mitten in den dunklen Moorgrund hinein, und war nur von spärlichem Grün bedeckt, aus dem hier und da ein armer Busch den Versuch machte, der unfruchtbaren Erde sein dürftiges Leben abzuringen. In Deutschland hätte man beim Anblick dieses weiten, ebenen Planes sofort gesagt: »Ein ganz vortrefflicher Exerzierplatz für einige Reiterregimenter,« und später erfuhren wir allerdings, daß dieser Platz den Namen Marahka führte, weil fast alle Kämpfe, zu denen die Ussul von den Tschoban gezwungen worden waren, an dieser Stelle stattgefunden hatten.

      Ich hatte natürlich vermutet, daß die drei Reiter hier auf diesem Terrain auseinandergehen würden, um auch uns zur Trennung zu zwingen. Dies geschah aber nicht. Sie blieben beisammen, und der Grund hierzu war bald zu ersehen. Die beiden Älteren ließen nämlich den Jungen immer voran. Sie hielten sich so viel wie möglich hinter ihm, um ihn gegen uns zu decken. Er war also jedenfalls eine vornehme, wichtige Person, die sie zu beschützen hatten und nicht verlassen durften. Darum nahm ich mir vor, mich vor allen Dingen seiner zu versichern. Ich sann auf einen guten Trick, sie von ihm zu trennen; es wollte mir aber kein brauchbarer Gedanke einfallen. Doch stellte sich glücklicherweise heraus, daß ich gar nichts Derartiges brauchte, denn die Fremden kamen meinem Wunsche ahnungslos ganz von selbst entgegen. Sie riefen einander einige Worte zu, die ich nicht verstehen konnte, jedenfalls enthielten diese einen Plan, der jetzt befolgt werden sollte, denn der Jüngere ritt in unveränderter Eile geradeaus weiter, die beiden andern dagegen parierten ihre Pferde, kehrten sich gegen uns um und nahmen ihre Lanzen in die Fäuste.

      »Sihdi, ihm nach!« rief Halef mir zu. »Diese beiden unvorsichtigen Knaben nehme ich auf mich!«

      Er zügelte sein Pferd, zog seine Pistolen und ritt dann langsam auf sie zu. Ich aber flog an ihnen vorüber und hinter dem Jüngeren her, der uns entkommen sollte. Als sie dies sahen, ließen sie von Halef ab, warfen ihre Rosse herum und folgten mir. Nun war Hadschi als der Letzte hinter ihnen her.

      Es gab keine Möglichkeit für sie, mich einzuholen. So kurz die Zeit gewesen war, die sie gebraucht hatten, sich von ihrem Gefährten zu trennen und gegen uns zu wenden, sie hatte für diesen doch genügt, um einen ziemlichen Vorsprung zu gewinnen. Ihn einzuholen, das war wohl mir, nicht aber ihnen möglich. Ich sah mich nach ihnen um und bemerkte, daß sie wieder gewendet hatten. Um Halef brauchte ich also keine Sorge zu haben. Ich konnte mich ruhig mit dem jungen Manne befassen, den ich vor mir hatte. Er sah mich hinter sich und trieb sein Pferd derart mit Peitsche und Sporen an, daß es zum Erbarmen war. Ich machte also kurzen Prozeß und beschloß, ihn nicht, wie ich anfangs beabsichtigt hatte, mit dem Lasso, sondern lieber gleich mit der Hand festzunehmen. Ich gab für Syrr einen kurzen, scharfen Pfiff. Da beschleunigte er seinen Lauf. Wir kamen dem Flüchtigen von Sekunde zu Sekunde näher. Er sah das, denn er schaute sich öfters um. Da griff er wieder zum Bogen und sandte mir, nach rückwärts schießend, einen Pfeil zu, der so gut gezielt war, daß er mich getroffen hätte, wenn ich mich nicht hurtig im Sattel niedergebeugt hätte. Um so schneller war ich dann aber bei ihm, Pferd an Pferd, Seite an Seite. Ich erfaßte ihn beim Gürtel - ein leiser Sporenstoß für Syrr, der sofort einen weit ausgreifenden Satz in schräger Richtung tat - und der Reiter wurde durch diesen Sprung meines Pferdes von seinem Tiere herabgerissen. Ich hielt ihn fest, gab ihm einen Schwung und ließ dann los, worauf er in einem weiten Bogen aus meiner Hand zur Erde niederflog. Syrr blieb stehen. Ich sprang ab und trat zu dem Besiegten. Er wollte schnell wieder auf, konnte aber nicht, sondern brach wieder zusammen.

      »Bleib! Rühre Dich nicht von der Stelle!« gebot ich ihm. »Du bist mein Gefangener!«

      »Dein Gefangener?« lachte er. »Siehst Du nicht, daß sie kommen?«

      Er deute auf seine Gefährten, die eben heranjagten.

      »Die tun mir nichts,« antwortete ich. »Weg mit den Waffen!«

      Lanze und Flinte waren ihm schon entfallen, als ich ihn vom Pferde zog. Jetzt entriß ich ihm auch den Köcher samt den Pfeilen, die vergiftet sein mochten, und auch das Messer, nach welchem er griff, um nach mir zu stoßen. Ich schleuderte beides ein Stück weit fort, wo es sicher lag, weil es ihm unmöglich war, sich aufzurichten, um es zu holen. Zu untersuchen, ob er irgendwie Schaden gelitten hatte, dazu war jetzt keine Zeit, denn die beiden andern kamen jetzt heran. Ihre Gewehre während des Rittes zu laden, dazu fehlte es ihnen höchst wahrscheinlich am Geschick. Auch von Pfeil und Bogen konnten sie unter den gegenwärtigen Umständen keinen Gebrauch machen. Darum drangen sie mit den Lanzen auf mich ein. Ich parierte den Stoß des Vordersten von ihnen leicht mit meinem Bärentöter. Der Angreifer schoß dabei an mir vorüber und zügelte dann sein Pferd, um es zu wenden; aber mit zwei, drei schnellen Sprüngen war ich ihm nach, griff ihm in die Zügel und riß sein Pferd auf die Hinterfüße. Es wollte augenblicklich wieder in die Höhe, aber ich drängte ihm den Kopf tief nieder. Es schnellte die Hinterhand hoch empor. Der Reiter verlor dadurch den Halt und flog aus dem Sattel. Zwar sprang er rasch wieder auf, aber noch stand er nicht fest, so traf ich ihn mit dem Kolben des Bärentöters derart auf die Schulter, daß er mit einem Schmerzensschrei zusammenbrach. Im Nu war er entwaffnet. In diesem Augenblick nahte sein Gefährte heran, der nur nach vorn, nicht aber hinter sich schaute, wo Halef ihm hart auf der Ferse war. Der zweite Angreifer hatte nur den einen Gedanken, an mich zu kommen. Die Lanze zum Stoße einlegend, spornte er sein Pferd auf mich zu. Er kam aber gar nicht zum Stoße, denn Halef trieb, das Gewehr in der Luft wirbelnd, seinen Rappen zum entscheidenden Sprunge an und schlug den Gegner mit dem Kolben an den Kopf, daß der Getroffene die Lanze und Zügel fallen ließ und mit beiden Händen nach dem turbanbedeckten Schädel fuhr. Sein Pferd tat einen Satz zur Seite und er taumelte herab. Da warf sich Halef schnell von seinem Tiere herunter und nahm den Besiegten beim Genick.

      »Hamdullillah!« rief er fröhlich aus. »Nun sitzen sie alle unten! Wollen wir sie zusammentragen?«

      »Ja; komm!«


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