Julius Payer. Die unerforschte Welt der Berge und des Eises. Frank Berger

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Julius Payer. Die unerforschte Welt der Berge und des Eises - Frank Berger


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mit Abstieg über den Pederknott zur Peder-Ochsenalpe. Am 9. Juli bestieg Payer mit Haller das Pederköpfl, während die anderen die Ausrüstung in die Zufallhütte brachten. Hier ereignete sich am folgenden Tag ein, wie sich später zeigen sollte, folgenschweres Missgeschick. Durch den Genuss von verdorbener Milch und ranzigem Speck holte sich Payer einen Magenkatarrh, unter dem er nicht weniger als 10 Wochen zu leiden hatte. Zur Fortsetzung der Tätigkeit überschritt Payer das Langenfernerjoch und marschierte über die Vedretta di Cedeh zur Alpe Forno. Am 11. Juli ging Payer über das Forno-Joch nach Santa Caterina und Bormio, sodann hinauf über das Stilfser Joch nach Trafoi. Im Wirtshaus der Barbara Ortler schlief Payer erstmals seit 10 Tagen wieder in einem Bett.

      Am 12. Juli traf Payer Pinggera daheim im Oberthurnhof im Suldental. Er nächtigte abends im Widum bei seinem alten Bekannten, dem Curaten Eller, und dessen Schwestern. Wieder wurde das Wetter schlecht. Am 13. und 14. Juli blieb er mit Pinggera in St. Gertraud. Seine Leute schickte er über das Madritschjoch ins Zufalltal. Am 15. Juli stand Payer mit Pinggera und dem zufällig anwesenden Touristen Wallner im strömenden Regen und Schneetreiben am Eisseepass, von dem er zur Zufall-Alpe hinabstieg. Hier beschloss Payer, seine Arbeiten für einige Tage zu unterbrechen. Sein Magenleiden plagte ihn sehr, überdies war das Wetter alles andere als gut. Er schickte am 16. Juli die Jäger zurück zu ihrem Regiment. Wallner und Pinggera gingen zurück nach Sulden. Payer selbst versuchte, in Bozen das Magenleiden auszukurieren. Sechs Tage lang, vom 17. bis 22. Juli, notierte Payer Regen. Als Ersatzmann für einen ungeeigneten Jäger brachte er den gebirgserfahrenen Griesmayer mit ins Zufalltal.

      Am 24. und 25. Juli vermaß er die Umgebung der Mutspitze (2294 m). Von der Zufallhütte aus bestieg Payer mit dem tüchtigen Jäger Griesmayer am 26. Juli nochmals den Mittleren Zufall-Gipfel (3762 m). Bei der Rückkehr traf er den zurückgekehrten Pinggera in der Hütte wieder an. Mit Pinggera, Haller, Griesmayer, Coronna und seinem Diener Kobald bestieg er am 27. Juli die Vordere Rotspitze (3029 m), wo er auf dem Gipfelplateau neun Stunden lang arbeitete. Nach einem Regentag, an dem Kobald für fünf Tage Urlaub bekam, bestiegen sie am 29. Juli die Gramsenspitze (3152 m). Wieder regnete es. Payer hatte starke Schmerzen im Knie und ging mit Pinggera hinab ins Val Rabbi zur Osteria von Pizzola zur kurzzeitigen Erholung. Einen Tag und einen halben blieb er mit Fußleiden im Bett. Nachmittags wanderte er dann hinauf über die Malga Stablasol zur Malga Saent. Von dort, wo Coronna und Griesmayer zurückgeblieben waren, stiegen sie am 1. August über Val und Gletscher Sternai auf die Eggenspitze (3435 m). Noch am Nachmittag begab sich die Gruppe auf die Lorkenspitze (3351 m) und die Sällentspitze (3219 m). Unter Knieschmerzen stieg Payer hinab zur Zufallhütte am unteren Steg über die Plima nahe der Madritschmündung. Dort traf er neben Kobald auch seinen alten Freund Padilla an.

      Am 2. August erfolgte ein Stützpunktwechsel mit allem Gepäck zur Unteren Alpe im Unteren Martelltal. Am 3. August arbeitete Payer 11½ Stunden auf dem Rotstallkopf (2610 m) und kartierte am folgenden Tag das Tal. Am 5. August bestieg er ohne den erkrankten Haller die Altplittschneide (3243 m). Wieder folgte ein Regentag, an dem Payers Freund Padilla sich Richtung Schweiz verabschiedete. Am 7. August ging er, noch ohne Kobald, ab 4 Uhr früh das Rothstall-Tal hinauf, stand um 11 Uhr auf der Lysispitze (3347 m). Nach Übernachtung auf der Peder-Ochsenalpe bestieg er am 8. August die Mittlere Pederspitze (3459 m), die Schildspitze (3456 m), ging über den Rosimpass zur Angelusscharte, von wo aus er den Hohen Angelus (3523 m) erklomm. Der Abstieg über die Angelusscharte durch das Lysital zur Unteren Martellerhütte wurde erneut von großen Schmerzen in Payers linker Kniescheibe beeinträchtigt.

      Am 9. August erfolgte die letzte von Payers insgesamt 60 Bergbesteigungen der Ortleralpen. Nach Aufbruch um 4.30 Uhr war er ab 8.30 Uhr für einige Stunden auf der Zutrittspitze (3430 m) und konnte die Bearbeitung des Martelltales abschließen. Sein Gesundheitszustand war derart schlecht, dass Ohnmachtsanfälle drohten. Selbst der Wein, sein gängiges Allheilmittel, bekam ihm schlecht. Langsamen Schrittes kamen sie um 17.45 Uhr zur Unteren Alpe. Der 10. August war der Tag des Abschieds. Payer entließ Pinggera, „welcher weinte“. Haller und Coronna sollten sich vorweg nach Pinzolo begeben, der Diener Kobald und der Jäger Griesmayer nach Bozen. Payer ging ihnen nach Laatsch voraus. Zwar erholte er sich fünf Tage in Bozen, konnte sein Magenübel aber nicht vollständig auskurieren. Anschließend begab sich Payer mit Haller, Coronna und Grießmayer für einige Wochen in das Adamello- und Presanellagebiet, um seine topografischen Aufnahmen des Jahres 1864 zu ergänzen.

       ALPINER ABSCHIED

      Damit gingen im Sommer 1868 vier Jahre der intensiven Erforschung des Ortlergebietes zu Ende. Payers Bilanz war eindrucksvoll. Mehr als 70 Gipfel der Ortlergruppe hatte er bestiegen, davon 56-mal in Begleitung von Johann Pinggera. Payer, der leidenschaftliche Kletterer im Fels, und Pinggera, der versierte Bergsteiger in Eis und Schnee, stellten ein aufeinander abgestimmtes Bergsteigerpaar dar, wie es wohl selten vorkommt. Wenn das Bild vom blinden Verständnis zweier Berggefährten auch viel strapaziert wird, auf Payer und Pinggera traf es zu. 38 ihrer Gipfelerfolge waren zugleich Erstbesteigungen.

      Die Universität Halle ernannte Payer in diesem Jahr für seine Verdienste um die Erforschung der Alpen zum Dr. phil. h.c. Damit fand für ihn, ohne dass er es zu diesem Zeitpunkt ahnen konnte, ein Lebensabschnitt sein Ende. Die zweite Karriere des Julius Payer, die seine Bekanntheit ins schier Unermessliche steigern sollte, nahm ihren Anfang. Sein Kindheitstraum, auf den Spuren John Franklins in unbekannte arktische Gefilde vorzustoßen, sollte Realität werden. Dorthin lenkte ihn die einflussreiche Hand seines „Civil-Protektors“.

      Auf Initiative von August Petermann war im Frühjahr 1868 die Erste Deutsche Nordpolarexpedition unter Kapitän Koldewey in arktischen Gewässern unterwegs. Am 9. Oktober kam das Expeditionsschiff „Grönland“ wieder nach Bremerhaven zurück. Die Nachricht der Rückkehr war binnen weniger Tage dank der elektrischen Telegrafie in allen Zeitungen zu lesen. Payer bekam ein solches Blatt in die Hand und las seinen Helfern daraus begeistert vor. Bald sollte er selbst in der Arktis weilen: „Über Innsbruck reiste ich nach Wien, woselbst mich ein Brief Dr. Petermanns zu meiner höchsten und freudigsten Überraschung zur Teilnahme an der Nordpolar-Expedition einlud.“ (Payer 1872, S. 36). Der Einladung Petermanns konnte er als Oberleutnant nur folgen, wenn der Staat und sein Dienstherr, der Kriegsminister, einverstanden waren. Die Zusage kam, genoss er doch die Gunst des Generals von Kuhn, „…eines Mannes, vor dem sich alles beugte“. (Rauchensteiner 2001, S. 44)

      Mit der Initiative zu den Polarfahrten suchte August Petermann die Bestätigung einer gewagten Theorie zu erreichen. Er war der Ansicht, dass dank des Golfstroms das Meer zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja auch im Winter nicht ganz zufrieren würde. Nach Durchdringen eines Gürtels von Treibeis könne ein Dampfer bis zum Nordpol vordringen. Diese These wurde in Österreich und Deutschland mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Auf ihr beruht auch die große, von Carl Weyprecht und Julius Payer von 1872 bis 1874 durchgeführte Österreichisch-Ungarische Nordpolarexpedition, die zur Entdeckung des Kaiser-Franz-Josef-Landes führen sollte.

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      Richtfest beim Bau der Payerhütte auf dem Tabarettakamm, 1875 (Katalog 2012)

      Payers Name lebt in den Ostalpen vielfach fort. Auf dem Tabarettakamm am Ortler auf 3020 m wurde 1875 auf Initiative von Johann Stüdl (1839–1925) die Payerhütte eingeweiht. Johann Stüdl, ein Kaufmann aus Prag und bedeutender Alpinist, war selbst im Umfeld der Glocknergruppe tätig gewesen. Er war Gründungsmitglied des Deutschen Alpenvereins und 50 Jahre lang Obmann der Sektion Prag des Alpenvereins. Heute gehört die Payerhütte der Sektion Mailand des Italienischen Alpenvereins. Zwar konnte Payer bei der Eröffnungszeremonie der Payerhütte nicht anwesend sein, doch die Namengebung nahm er mit Dank und Stolz wahr.

      Die Verdienste Payers um die Erschließung des Ortlergebietes führten 1892 zur Errichtung einer Payer-Gedenktafel in Sulden durch den Deutschen und Österreichischen Alpenverein. Sie trägt den Kopf Payers in Seitenansicht und erwähnt auch den Namen Pinggeras. Die Festrede hielt Johann Stüdl am 7. September des Jahres. (KA A/204:4 Bl. 160) Payer zu Ehren gibt es das Payer-joch (3434 m) zwischen Zebru- und Königspitze, die Payerspitze (3396 m), eine Gratanhebung 15 Minuten von der Geisterspitze entfernt, die Cima di Payer (3050 m) nordöstlich der


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