Die Enkel der Tante Jolesch. Georg Markus
Читать онлайн книгу.verboten!«
»Aber Herr Doktor«, protestierte Schröfl, »mir sind die Haare ja auch in der Dienstzeit gewachsen.«
Gürtler zeigte sich von der Verteidigungslinie seines Schülers beeindruckt und behielt ihn wohlwollend im Auge.
Neben der Jurisprudenz hatte sich Kanzleigründer Hans Gürtler schon Mitte der dreißiger Jahre ein zweites Standbein geschaffen, als er nämlich nach dem Tod der legendären Anna Sacher deren Hotel vis-à-vis der Wiener Staatsoper kaufte und vor dem Konkurs rettete. Seither befindet sich das Sacher im Besitz der Familie Gürtler.
Franz Sacher – der Erfinder der Sachertorte – hatte durch den Handel mit seiner weltberühmten Süßspeise so viel verdient, dass er jedem seiner beiden Söhne ein Hotel hinterlassen konnte: Eduard erhielt das Wiener Sacher, das später dann seine Witwe Anna führte. Und Carl, der jüngere Sohn, bekam ein in der mondänen Kurstadt Baden gelegenes Hotel. Zwar ist das Wiener Sacher, schon seiner exklusiven Lage wegen, das bekanntere der beiden Quartiere, dafür genießt aber das Badener Sacher den Vorzug, bis zum heutigen Tage im Besitz der Familie Sacher geblieben zu sein.
Das Hotel in Baden wurde in der Besatzungszeit von den Sowjets okkupiert, in entsprechend desolatem Zustand an die Familie zurück gegeben und 1956 als Hotel und Restaurant wieder eröffnet.
Dies aber war der Zeitpunkt, da sich Rechtsanwalt Dr. Hans Gürtler, der Besitzer des Wiener Sacher, zu Wort meldete, um im geschliffenen Juristendeutsch festzuhalten, dass er die Existenz zweier Hotels mit dem Namen Sacher nicht dulden würde. »Ich fordere Sie daher ultimativ auf«, schloss Gürtler seinen Brief an den Enkel des Firmengründers, »Ihrem Hotel in Baden einen anderen Namen zu geben, widrigenfalls ich mir rechtliche Schritte vorbehalte. Hochachtungsvoll Dr. Gürtler.«
Carletto Sacher, der Enkel, las den Brief, nahm ein Blatt Papier zur Hand und antwortete dem berühmten Anwalt: »Sehr geehrter Herr Doktor, auch mir erscheint es unerträglich, dass es zwei Hotels mit dem Namen Sacher geben soll. Ich fordere Sie daher auf: Nennen Sie Ihr Hotel ›Gürtler‹! Hochachtungsvoll Carletto Sacher.«
Seither sind fast fünfzig Jahre ins Land gezogen. Und wie man sieht, vertragen Wien und Baden durchaus zwei Hotels, die den Namen Sacher führen.
Ich selbst hatte mit Anwälten zu tun, als ich in den Vorweihnachtstagen des Jahres 1992 über den spektakulären Grabraub der Mary Vetsera berichtete. Ein Linzer Möbelhändler namens Flatzelsteiner hatte die »Kronen Zeitung« darüber informiert, im »Besitz« der Gebeine der 1889 in Mayerling tragisch verstorbenen Geliebten des Kronprinzen Rudolf zu sein. Der Rest der Geschichte ist Geschichte – der ich aber zwei hierher passende Episoden beifügen möchte.
Nachdem mir Herr Flatzelsteiner erzählt hatte, wie er zum Skelett der Baronesse Vetsera gekommen war, und ich in rund dreiwöchiger Recherche zu der Überzeugung gelangte, dass an der so absurd klingenden Geschichte tatsächlich etwas dran sein könnte, fuhr ich ins Wiener Sicherheitsbüro, um Anzeige wegen Verdachts der Störung der Totenruhe zu erstatten. Man schrieb den 21. Dezember 1992, und die erste Story über den Grabraub war noch nicht erschienen.
Nun lauschten meinen verwegen klingenden Ausführungen der Chef des Sicherheitsbüros Max Edelbacher und einige seiner Mitarbeiter. Ich erzählte von Herrn Flatzelsteiner und von seiner Version, wie er Marys sterbliche Überreste erhalten hätte.
Plötzlich stand ein junger Kriminalbeamter auf, um das Zimmer zu verlassen und nach wenigen Minuten mit einer Fahndungsliste in den Händen zurückzukehren.
»Herr Markus«, sagte er mit strengem Blick, »das ist ja alles schön und gut, was Sie uns da erzählen. Aber ich habe gerade im Polizeicomputer nachgeschaut: Eine Mary Vetsera ist gar nicht als abgängig gemeldet.«
Der junge und in den Geschichtswissenschaften nicht eben sattelfeste Polizeibeamte sollte anderntags aus der Zeitung erfahren, wer Mary Vetsera war. Und dass der Zeitpunkt ihrer »Abgängigkeit« schon ein paar Jährchen zurücklag.
Um aber zur eigentlichen Anwaltsgeschichte in der Causa Flatzelsteiner zu kommen: Fernsehteams und Zeitungsreporter aus ganz Europa waren nach Wien geeilt, um über die skurrile Story zu berichten, vor allem aber wurde der Fall zum Fressen für die österreichischen Medien, die zum Teil anzweifelten, ob Herr Flatzelsteiner tatsächlich nur Informant oder nicht doch der eigentliche Täter – der Grabräuber – gewesen sei.
Als wieder einmal in einer Zeitung ein sehr böser Artikel über Herrn Flatzelsteiner erschien, riet ich ihm, die Vorwürfe – sollte er wirklich unschuldig sein, wie er immer behauptete – nicht länger auf sich sitzen zu lassen. »Da müssen Sie schon Ihren Anwalt einschalten«, sagte ich.
Worauf mir Herr Flatzelsteiner mitteilte: »Das geht leider nicht!«
»Warum?«, fragte ich erstaunt.
Herr Flatzelsteiner gab nun eine Antwort, mit der am allerwenigsten zu rechnen war: »Weil sich mein Anwalt nicht aufregen darf.«
Tatsächlich war Flatzelsteiners Linzer Rechtsanwalt Dr. Johannes Worm herzkrank (und musste sich sogar einer Herztransplantation unterziehen).
Als sich später herausstellte, dass Herr Flatzelsteiner nicht ganz so unschuldig war, wie er bislang erklärt hatte, nahm er sich doch noch einen Rechtsanwalt.
Einen, der sich auch aufregen durfte.
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