Wasserschloss zu vererben. Usch Hollmann

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Wasserschloss zu vererben - Usch Hollmann


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30

       Kapitel 31

       Kapitel 32

       Kapitel 33

       Kapitel 34

       1.

      „Ach, ihr mit eurem überholten Standesdünkel.“ Claudia von Wallburg, zu aufgebracht, um still zu sitzen, stößt ihren Stuhl rückwärts von sich, geht zum großen Gartenfenster und zieht mit energischem Griff den schweren Damastvorhang zur Seite. Nur widerwillig setzt sie sich danach erneut an den Frühstückstisch. Ihre Eltern, Fürst Raimund und Fürstin Henriette, verfolgen den Wutausbruch der Tochter schweigend, aber mit missbilligenden Blicken.

      „Das sollte sich eigentlich längst sogar bis in die Abgeschiedenheit dieses alten Gemäuers herumgesprochen haben: Man kann heute auch ohne Adelstitel ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft werden. Ein von oder zu vor dem Namen? Vergesst es, das macht längst nicht mehr den Eindruck, von dem ihr beide immer noch träumt. Von solchen Märchen lassen sich bestenfalls noch die Leserinnen von Frauenzeitschriften einlullen, um sich beim Friseur und in Zahnarztpraxen die Wartezeit zu verkürzen. Im modernen Big Business zählen Qualitäten, nicht Titel. Ein goldenes Krönchen auf der Visitenkarte? Dass ich nicht lache! Aber ihr denkt immer noch, damit würden sich automatisch Tür und Tor zu einer glanzvollen Karriere öffnen.“

      Claudia köpft mit einem gezielten Hieb ihr Frühstücksei und streut mit mehrfachem Schwung viel zu viel Salz auf den flüssigen Dotter.

      Fürstin Henriette ergreift in liebevoller Besorgnis die peinlich exakt gefaltete Serviette des Fürsten und hilft ihm, diese wieder in den silbernen, mit dem fürstlichen Monogramm derer von Wallburg verzierten Serviettenring zu schieben, worum er sich mit fahrigen Gesten vergeblich bemüht hatte. Mit offensichtlicher Anstrengung erhebt er seine altersrostige Stimme.

      „Ich verbitte mir diesen Ton, besonders an einem so herrlich sonnigen Herbstmorgen. Du benimmst dich wieder einmal wie eine pubertäre Vorstadtgöre und keinesfalls so, wie es unserem Stande entspricht.“

      „Wie es unserem Stande entspricht!“ Claudia äfft den Tonfall des Vaters nach, stößt das durch zu viel Salz ungenießbar gewordene Ei von ihrem Teller in die Mitte des Tisches und schüttelt verständnislos den Kopf.

      „Unserem Stande! Lächerlich! Was ist denn noch so besonders an ‚unserem Stande‘? Die meisten Adeligen sind verarmt oder zumindest bis zum Hals verschuldet. Viele müssen ihre Wasserschlösser und alten Herrensitze zu Hotels oder Museen umbauen oder es zulassen, dass neugierige Touristen auf Filzlatschen für Eintrittsgeld bis in die privaten Schlafzimmer schlurfen, damit die Eigentümer ihre Schlossmauern nicht aus lauter Finanznot den Abrissbirnen ausliefern müssen, – das heißt, ohne die gnädige Zustimmung der strengen Scharfrichter des Denkmalamtes dürfen sie ja selbst das nicht einmal.“

      Die Tochter hämmert, die Hände zu Fäusten geballt, auf den Tisch.

      „Vater, ich kann es nicht glauben, dass du immer noch der Überzeugung bist, die ‚von altem Adel‘ seien etwas Besonderes. Wir, die Wallburger, sind nur insofern anders als der Rest derer, die im Gotha verzeichnet sind, weil wir noch nicht verarmt sind, da du unseren Besitz umsichtig verwaltet hast, wofür ich dir wirklich dankbar bin. Aber was das Thema ‚Adel kommt von edel‘ betrifft – die Zeiten haben sich gründlich geändert. Es gibt genügend Beispiele dafür, ich brauche keine Namen zu nennen. Ihr müsst allmählich lernen, das zu akzeptieren. Adel verpflichtet nicht mehr. Weshalb also muss ich unbedingt einen Adeligen heiraten?“

      Ein heftiger Hustenanfall schüttelt den Körper des alten Herrn, sodass die Fürstin sich einschaltet, nachdem sie ihrem Mann ein Glas Wasser gereicht hat.

      „Weil Vater es sich wünscht, das weißt du sehr wohl. Und weil Adel nach wie vor und immer noch verpflichtet, auch wenn du anderer Meinung bist. Adel verpflichtet auch zu einem gepflegten Umgangston, darum ersuche ich dich jetzt dringend, dich in deiner Wortwahl zu mäßigen, umso mehr, als es dir wieder einmal gelungen ist, Vater in einer Weise zu provozieren, dass er …“

      Sie legt dem Fürsten in großer Besorgnis den Arm um die Schultern.

      „Liebster, Claudia hat sich von ihrem gestrigen Fest noch nicht wieder erholt. Das Treffen mit ihren Freundinnen aus der Abiturklasse hatte sich sehr in die Länge gezogen. Sie ist etwas übermüdet und meint es nicht so, wie es jetzt klingt … sie ist unsere Tochter, von deinem und meinem Blut, sie wird Wort halten und Michael Graf Lauenstein heiraten. Eine von Wallburg hält, was sie einmal versprochen hat.“

      Fürst Raimund greift nach der kostbaren, mit Rosen bemalten Meißner Pillendose und entnimmt ihr eine Anzahl von Tabletten, die er ebenso wie ein Glas Wasser mit zitternden Händen zum Munde führt. Er wirft seiner Frau unter schweren Lidern einen unsicheren Blick zu.

      „Ich fühle mich heute nicht in der Verfassung, dieses immer wiederkehrende Thema ein weiteres Mal ergebnislos zu erörtern. Ich habe das Bedürfnis, mich noch einmal hinzulegen. Würdest du bitte Dr. Mittmann anrufen und fragen, ob er – hoffentlich noch heute Vormittag – hier vorbeikommen kann? Und er möge das neue Herzpräparat mitbringen, von dem er bei seinem letzten Besuch gesprochen hat.“

      Mühsam, aber um Haltung bemüht, erhebt er sich vom Tisch und geht, den hilfreich angebotenen Arm seiner Frau dankbar ergreifend, durch die Halle zu der geschwungenen Holztreppe, die in die oberen Stockwerke von Schloss Wallburg führt.

      Die Fürstin streift ihre Tochter noch einmal mit einem vorwurfsvollen Blick, ehe sie den Gatten nach oben begleitet.

      Claudia bleibt allein am Tisch sitzen. Wütend zerbröselt sie ihren Toast und wirft das silberne Frühstücksmesser in den Brotkorb.

      Agnes Dahlmann, die Haushälterin, steckt ihren Kopf durch die Türe des angrenzenden Wirtschaftsraumes.

      „Kann ich schon abräumen?“

      Claudia sieht sie hilfesuchend an. „Komm rein, Dahlmann, hast du das gehört? Ja, ja, ja, es stimmt, ich habe versprochen, Michael zu Lauenstein zu heiraten, aber eigentlich nur, weil Papa es sich sehnlichst wünscht – er hat sich ja immer einen Sohn gewünscht. Ich als das einzige Kind meiner Eltern bin leider nur eine Tochter geworden – so ein Pech aber auch! Aber weil es bei den beiden nicht zu einem Sohn aus eigenem Fleisch und blauem Blut gereicht hat, muss wenigstens ein Schwiegersohn her, und zwar ein standesgemäßer. Ja, ich habe versprochen, ihn zu heiraten, aber sie haben mir auch etwas versprochen. Als ich vor Wochen mit meinem durchaus akzeptablen Abiturzeugnis nach Hause kam, hatte ich mir gewünscht, dass ich zur Belohnung für ein Jahr in die USA darf, um mein Englisch zu verbessern. Und wenn ich mein Versprechen halte, kann ich erwarten, dass sie ihres auch halten. Sie müssen mich vor der Hochzeit noch für ein Jahr von der Leine lassen, aber nun kämpfe ich schon seit einer halben Ewigkeit darum, dass ich mich endlich um einen Flug kümmern darf, weil …“

      Den Blick in den sonnigen Garten gerichtet, atmet sie tief durch.

      „Dahlmann, du hast es eben sicher gehört, was Mama gesagt hat: ‚Eine von Wallburg hält, was sie verspricht‘. Aber bei ihnen ist seit Monaten von ihrem Versprechen überhaupt nicht mehr die Rede. Jetzt sind sie wieder beleidigt abgezogen und nach oben gegangen. Ja, ja, ja, ich weiß, dass Mama sei Jahren schwer depressiv ist, ich nehme so gut ich kann auch Rücksicht darauf, auch wenn ich manchmal Zweifel habe, ob sie sich nicht – aus mir natürlich unbekannten Gründen – in diese Krankheit flüchtet. Und auch daran habe ich mich gewöhnen müssen, dass Papa immer mal wieder kurz vor dem Herzstillstand steht und keine noch so geringe Belastung überleben würde.“

      Agnes Dahlmann will etwas einwenden, aber Claudia ist nicht zu bremsen.

      „Und


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