Wasserschloss zu vererben. Usch Hollmann

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Wasserschloss zu vererben - Usch Hollmann


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dir und Michael in jeder Beziehung alles in Ordnung?‘, fragte er manchmal. Anfangs wusste ich gar nicht, was genau er meinte, dann hakte Vater nach. ‚Ich meine – ist Michael ein richtiger Mann?‘ Wenn er sich getraut hätte, würde er wohl gefragt haben: ‚Ist dein Zukünftiger gut im Bett? Ist er imstande, der Vater meiner Enkel zu werden?‘ Dann hätte ich ihm wahrscheinlich ins Gesicht gesagt: ‚Ja, Vater, deine Sorgen sind unbegründet – er ist imstande, aber er bringt mein Blut nicht zum Kochen und er benutzt Kondome, weil wir erst nach seinem Examen heiraten und Kinder haben wollen – wir tun alles, damit ihr nicht wegen einer vorzeitigen Schwangerschaft eurer Tochter in den Schlagzeilen der bunten Blätter auftaucht und euer tadelloser Ruf einen Knacks bekommt – zufrieden?‘ Natürlich habe ich nie so reagiert, wohlerzogen und artig wie ich im Grunde bin, aber dass Michael mein Blut nicht zum Kochen bringt, dass ich mich nicht nach ihm ‚verzehre‘, das stimmt leider.“

      „Oh, mein Schätzchen, mein Herzenskind.“ Agnes Dahlmann wiegt ihre „Laudi“ in den Armen wie in längst verflossenen Kindertagen.

      „Aber wenn wir schon beim Thema sind, dann verrate ich dir noch etwas: Seit vorgestern weiß ich, wie es sein kann, wenn ein Mann nicht wie Michael pflichtgemäß, aber unbeholfen ‚den Druck aus dem Kessel lässt‘, sondern wenn jemand es schafft, echte Leidenschaft in einem zu wecken. Welches Gefühl dich überkommt, dass du nahe daran bist, den Verstand zu verlieren. Wenn du nicht nur Schmetterlinge im Bauch hast, sondern … ach, ich will dir nicht verspätet den Mund wässerig machen, arme Dahma, die du so etwas nie erlebt hast. Ich habe es erlebt – ob es aber ein Glück oder ein Segen ist, wird sich zeigen. Nur – wer der ‚Bösewicht‘ war, der mir den Pulsschlag lustvoll erhöht und die Blutzufuhr zum Herzen so beschleunigt hat, dass ich befürchtete, ohnmächtig zu werden – das werde ich niemandem erzählen, nicht meinen besten Schulfreundinnen und auch nicht meiner lieben treuen Dahma.“

      Die Haushälterin schweigt zunächst, fast peinlich berührt und zögert, ehe sie ihre Scheu überwindet und eine Frage stellte, die ihr auf der Zunge brennt:

      „War der ‚Bösewicht‘ wenigstens standesgemäß?“

      Claudia lächelt. „Keine Auskunft!“

      „Aber – wirst du Michael zu Lauenstein trotzdem heiraten?“

      „Ja, ich bin eine brave, folgsame Tochter, eine von Wallburg, die ihr einmal gegebenes Versprechen halten wird, aber vorher will ich noch ein wenig von der Welt sehen, auch wenn …“

      Die rufende Stimme der Fürstin unterbricht das Gespräch der beiden.

      „Dahlmann, könntest du bitte kommen?. Ich muss Dr. Mittmann anrufen und möchte nicht, dass mein Mann in der Zwischenzeit alleine ist.“

      Dahlmann windet sich aus Claudias Armen.

      „Ich komme, Fürstin, bin sofort bei Ihnen.“

      „Mutter, ich könnte auch …“

      Die Fürstin reagiert abweisend.

      „Meine liebe Claudia, deine Gesellschaft ist Vater in seiner momentanen gesundheitlichen Verfassung nicht anzuraten, wie du dir unschwer denken kannst, besonders nicht nach der Standpauke, die du uns eben überflüssigerweise gehalten hast. Nein, nein, Dahlmanns Obhut ist ihm auf jeden Fall zuträglicher.“

      Claudia liegt eine bissige Antwort auf der Zunge, aber Dahlmann bedeutet ihr zu schweigen.

      „Lass es gut sein, Laudi,“ murmelt sie halblaut. „Und was unser voriges Gespräch betrifft …“ Sie legt den rechten Zeigefinger auf ihre geschlossenen Lippen und flüstert im Vorbeihuschen: „Ich werde schweigen wie ein Grab.“

      „Ich weiß es zu schätzen, liebe, liebe Dahma.“

      Unwillig wendet Claudia sich an ihre Mutter.

      „Wenn ich hier also unerwünscht und überflüssig bin, dann gehe ich in den Stall zu Avra und ihrem Fohlen. Die Pferde freuen sich über meine Anwesenheit und sind dankbar für ein paar Streicheleinheiten – im Gegensatz zu manchen Menschen.“

      Die Miene der Fürstin verfinstert sich.

      „Du kannst dir deinen schnippischen Unterton sparen. Im Übrigen würde auch Vater sich über ein paar Streicheleinheiten seiner einzigen Tochter freuen, aber diese …“ Sie vollendet den Satz nicht, sondern bedeutet Dahlmann, ihr ins Schlafzimmer des Fürsten zu folgen.

      Claudia beherrscht sich nur mühsam. Sie schließt die Augen für einen kurzen Moment und atmet tief durch.

      „Dann muss ich mir wohl schon wieder reumütig an die Brust schlagen: Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa …“, murmelt sie halblaut, schluckt aber eine bissige Antwort herunter, um weiteren Unfrieden zu vermeiden. Dann geht sie entschlossenen Schrittes durch den Garten zu den Hofgebäuden, in denen auch der Reitstall untergebracht ist. Ihr Pferd Avra begrüßt seine Herrin schon von Weitem mit einem sanften, aber hörbaren Schnobern.

       2

      „Na, wem gilt denn diese freudige Begrüßung?“

      Der alte Gärtner des Fürsten schaut interessiert um die Ecke.

      „Claudia, welch nette Überraschung am frühen Morgen. Ich habe dich lange nicht gesehen.“ Er wischt seine schwieligen Hände an der Schürze ab und streckt Claudia seine Rechte entgegen.

      „Herzlichen Glückwunsch nachträglich zum bestandenen Abitur. Deine Eltern werden stolz und erleichtert sein, dass es so gut gelaufen ist. Meine Frau und ich waren es jedenfalls, als unser Harald damals diese erste von vielen Hürden genommen hatte.“

      Claudia nimmt die Gratulation lächelnd entgegen.

      „Danke, Onkel Weggi. Ja, das Abi habe ich geschafft, aber das ist ja schon fast eine Ewigkeit her.“

      Seit Kindertagen, als der Name Wegener für sie noch zu schwierig auszusprechen war, benutzt Claudia diesen Namen, und Onkel Weggi nennen ihn seitdem auch einige der anderen Angestellten des Fürsten. Dieser seinerseits, ebenso wie Fürstin Henriette, spricht ihn weiterhin förmlich mit „Herr Wegener“ an. Auch dass der Gärtner Claudia gegenüber das vertrauliche Du benutzt, hatte der Fürst zu unterbinden versucht, aber Claudia hatte darauf bestanden, von ihrem „Onkel Weggi“ geduzt zu werden. „Onkel Edwin sagt ja auch du zu mir und Onkel Weggi ist viel netter als Onkel Edwin.“ Damit war für Claudia der Fall erledigt, und Fürst Raimund hatte sich widerwillig damit abfinden müssen.

      Claudia schüttelt ihm kräftig die Hand.

      „Wie geht es Harald übrigens? Studiert er nicht Jura in Marburg? Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen. Wenn ich richtig rechne, muss er schon bald sein erstes Examen machen?“

      Der Gärtner grinst. „Das erste Examen? Prinzessin, der hat sein Zweites schon mit Bravour abgelegt und arbeitet seit einem halben Jahr als Rechtsanwalt in einer Anwaltskanzlei in Münster. Wenn du mal einen tüchtigen Spezialisten für Erbschaftsangelegenheiten brauchen solltest, dann kannst du auf ihn zählen,“

      „Ach, das ist gut zu wissen“, unterbricht Claudia ihn lachend, „Mein Vater ist im Moment so wütend auf mich, dass er womöglich durchaus in Erwägung zieht, mich zu enterben.“

      Sie hält inne und fährt dann fort:

      „Nein, das würde er schon deshalb nicht tun, weil unser ganzer Besitz nach seinem und Mutters Tod an Mutters Bruder ginge, an Onkel Edwin, das schwarze Schaf der Familie. Und der würde Haus und Hof in kürzester Zeit herunterwirtschaften oder verzocken – nein, da setzt er doch lieber mich als Alleinerbin ein. Aber auch wenn ich Haralds Rat als Anwalt hoffentlich nie in Anspruch werde nehmen müssen, würde ich ihn gerne einmal wiedersehen. Ist er schon verheiratet?“

      Voll Stolz berichtet der alte Wegener umständlich und fast ein bisschen ausufernd von den Erfolgen seines Sohnes. Nein, verheiratet sei er nicht, aber er habe eine Freundin und …

      Einen Hustenanfall vortäuschend, verabschiedet Claudia sich abrupt


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