Die Tränen des Kardinals. Heinz-Joachim Simon

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Die Tränen des Kardinals - Heinz-Joachim Simon


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Mit einem Cantona war er in der gleichen Klasse. Er bat Romano, den Kontakt zu mir herzustellen. Sie wussten, dass mein Onkel Archivar im Vatikan ist.“

      Er brach ab. Er war wieder bewusstlos. Ein Wunder, dass er es überhaupt bis hierher geschafft hatte.

      Ich konnte mir den Rest zusammenreimen. Domenico und Romano hatten natürlich am Anfang keine Ahnung von dem Wert des Dokuments gehabt. Als ihnen dies klar wurde, wollten sie sich nicht mit ein paar Tausend Lire abspeisen lassen. Das ging gründlich daneben. Aber vielleicht hatten die Cantonas ohnehin vorgehabt, die beiden Amateure umzulegen. Einmal konnte Domenico ihnen entwischen und das war schon mehr Glück, als es viele andere gehabt hätten.

      Er schlug wieder die Augen auf.

      „Werde ich sterben?“

      „Hoffentlich nicht! Commissario Montebello wird ungern einen wichtigen Zeugen verlieren. Weißt du die Namen der Brüder, die dich …?“

      „Nur einen. Rollo Pupetto. Das ist der, mit dem Romano in die Schule …“ Er war wieder weg.

      Nun waren Sirenen zu hören. Montebello stürmte mit den Sanitätern herein.

      „Oh Scheiße!“, stöhnte er, als er Domenico wie tot daliegen sah.

      Der Arzt beugte sich über den Verletzten.

      „Die Lunge scheint nicht getroffen zu sein“, murmelte er.

      „Wird er es schaffen?“, fragte Montebello.

      „Möglich. Er ist ja noch jung. Aber er hat viel Blut verloren.“

      „Dann schafft ihn schleunigst ins Krankenhaus.“ An seinen Assistenten gewandt, sagte er, dass er mitfahren und dafür sorgen solle, dass eine Wache vor dem Krankenzimmer postiert würde.

      Wir fuhren mit ihm in die Stadt zurück. Der Taxifahrer war sauer, dass er nicht auch für die volle Rückfahrt kassieren konnte. Marcello gab ihm eine Abschlagszahlung. Der Taxifahrer war trotzdem nicht zu beruhigen. Mit Vollgas fuhr er davon.

      Auf dem Kommissariat setzte sich Montebello an den Computer. Seine großen Hände fuhren unbeholfen über die Tasten.

      „Rollo Pupetto sagtest du?“

      „So nannte ihn Domenico.“

      „Scheißkiste! Früher brauchten wir solche Kisten nicht. Es ging alles langsamer, aber auch gründlicher. Da!“ Er haute auf die Tasten. „Er wird verdächtigt, an drei Morden und einer Entführung beteiligt gewesen zu sein. Ein tolles Früchtchen.“

      Ich rief Kardinal Wischnewski an und fragte, ob schon eine Lösegeldforderung eingetroffen sei.

      „Nein. Dann hätte ich Sie längst informiert. Was ist passiert?“

      Ich schilderte ihm die letzten vierundzwanzig Stunden.

      „Wenn man bedenkt, dass wir erst seit zwei Tagen an dem Fall dran sind, ist das ein passables Ergebnis“, lobte ich mich.

      „In der Tat. In der Tat“, ging er darauf ein. „Ein ganz erstaunliches Ergebnis. Ich werde das an den Kardinalstaatssekretär weitergeben.“

      „Wir wissen jetzt, wie das Dokument gestohlen werden konnte und wer es gestohlen hat. Wir wissen nur nicht, warum sie die Rechnung noch nicht präsentiert haben.“

      „Was werden Sie nun tun?“

      „Nach Palermo fliegen, was sonst?“

      „Seien Sie nur vorsichtig.“

      „Sagte der Frosch zur Libelle, als sich der Storch über ihn beugte.“

      Montebello deutete mit dem Kopf auf den Bildschirm, dass er bereits den Flug buchte.

      „Pupetto ist unter seinem Namen nach Palermo geflogen“, rief Montebello.

      Wischnewski murmelte: „Was haben die nur vor?“

      Ich beließ ihn bei seinen Sorgen.

      „Ich werde den dortigen Kommissar informieren. Der wird dir zur Seite stehen. Mein Bruder kann es ja nicht mehr. Sein Nachfolger ist auch ein guter Mann. Er ist ein Jugendfreund von mir.“

      Wir waren kaum in der Detektei, da klingelte es. Automatisch griff Marcello zum Telefon. Aber es war die Tür. Ein gut gekleideter Mann mit einem Stetson trat ein. Kaugummi kauend musterte er mich. Er stieß seinen Hut zurück und setzte sich unaufgefordert. Ich warf Marcello einen fragenden Blick zu. Dieser zog die Schultern hoch.

      „Sie sind also der ‚toughe Guy‘! Sie machen einen guten Job. Ich werde Sie zukünftig unterstützen“, sagte er und reichte mir seine Karte. Es war eine beeindruckende Karte. Er war von der CIA. Er nannte sich Elvis Collins. Wollte er mit mir den Jailhouse Rock singen?

      „Ja und?“, fragte ich so kühl wie Humphrey Bogart in „Haben und Nichthaben“. Er lächelte. Seine Jacke war rechts ein wenig ausgebeult.

      „Sie sind nicht hinter dem Zusatzvertrag her?“, fragte er mit ironischem Grinsen.

      „Kann schon sein.“

      „Und den haben nun die Cantonas.“

      „Schon möglich.“

      „Ich wollte Ihnen nur zusichern, dass wir auf Ihrer Seite sind. Wir wissen, dass noch keine Geldforderung beim Vatikan eingetroffen ist und wir vermuten, dass es um mehr als ums Geld geht. Das ist ein Spiel, das wesentlich größer ist als Sie vermuten.“

      „Ach ja?“

      „Ja, Buddy! Es geht vielleicht um die Entscheidung, wer den Kalten Krieg gewinnt.“

      Mir blieb die Spucke weg. Mein Mund fühlte sich trocken an.

      „Bei den Cantonas dreht sich alles ums Geld“, widersprach Marcello.

      „Bisher. Diesmal sind sie nur Helfershelfer.“

      Ich sah Marcello ratlos an. Der zog wieder die Achseln hoch.

      „Tja, Buddy, du bist in ein ganz großes Spiel hineingeraten.“

      Sein Kumpelgehabe ging mir auf die Nerven.

      „Vielleicht. Vielleicht ein bisschen viel Vielleicht.“

      „Mag sein. Eine erste Arbeitshypothese von uns. Aber es sieht ganz danach aus, dass sie belastbar ist. Wir gehen im Moment davon aus, dass die Cantonas vom KGB engagiert worden sind.“

      „Die Mafia ist nun nicht gerade dafür bekannt, Kommunistenfreunde zu sein.“

      „Die hassen die Kommunisten wie die Pest“, unterstützte mich Marcello.

      „Normalerweise stimmt das“, gab er zu. „Es ist alles eine Sache des Preises.“

      „Und die CIA ist bereit, in das Spiel einzusteigen?“, fragte Marcello skeptisch.

      „Natürlich. Wenn sie das Papier in den Händen halten, können sie dem Papst signalisieren, sich nicht in Polen einzumischen, sonst …“

      „Sie sind gut informiert“, gab ich zu.

      „Unsere Firma macht ihre Hausaufgaben“, tat er sehr von oben herab.

      Ich mochte ihn nicht. Aber ich konnte seine Hilfe gebrauchen, deswegen unterließ ich eine harsche Antwort über die CIA-Pannen.

      „Die Cantonas werden das Dokument also dem KGB übergeben?“

      „Richtig. Und dafür viel Geld erhalten. Sie werden dafür vergessen, dass sie die Kommis eigentlich hassen. Wir sind auf Ihrer Seite!“, wiederholte er. „Ach, übrigens, ich habe etwas für Sie.“

      Er griff in die Tasche und holte eine Smith & Wesson heraus und hielt sie mir mit der flachen Hand entgegen.

      „Die Waffe ist nirgendwo registriert. Ihr Weg kann nicht zurückverfolgt werden. Sie ist auch noch niemals eingesetzt worden. Aber das Besondere ist, ich habe für den Revolver auch eine besondere Munition.“ Er hielt mir eine Packung Patronen


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