Die Tränen des Kardinals. Heinz-Joachim Simon

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Die Tränen des Kardinals - Heinz-Joachim Simon


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weit von eurem Nest zu suchen habt.“ Montebellos Augen glitzerten gefährlich.

      Carlo brachte die Fettuccine Alfredo. Bacocelli tat so, als hätte er ihn nicht bemerkt und gab ihm einen Stoß. Die Teller fielen auf den Fußboden und zerbrachen klirrend. Die Fettuccine schlidderten über die Fliesen.

      „Scusi! Ich habe dich nicht gesehen. Kannst du nicht besser aufpassen!“, sagte Bacocelli grinsend zu Carlo. Dieser sah ihn an, als hätte er über die Heilige Jungfrau gelästert. Er winkte einem jüngeren Kellner zu, den Boden aufzuwischen.

      „Ich bringe euch frische Pasta“, sagte er zu uns mit einer Verbeugung. Ihm war anzumerken, dass er innerlich kochte.

      „Da hast du dir einen Freund fürs Leben eingehandelt“, sagte Montebello.

      „Ach, es ist doch nichts passiert. Ihr müsst nur ein bisschen länger hungern.“

      Er setzte seine Ray Ban wieder auf und verschränkte seine Arme vor der Brust.

      „Schwirr ab! Du hast zu viele Gangsterfilme gesehen“, knurrte Montebello. „Es war ohnehin nicht unser letztes Zusammentreffen.“

      „Das wünsch dir nicht! Ciao, ihr beiden!“, erwiderte er und wollte sich zu seinem Tisch in Bewegung setzen. Spencer sprang auf, hob sein Bein und pisste ein paar Tropfen auf seine Schuhe. Bacocelli wollte unter sein Jackett greifen.

      „Dieser beschissene Köter!“, rief er mit hochrotem Kopf.

      „Lass das besser sein!“, warnte ich ihn. Er sah in meine Smith & Wesson.

      Er strich sich nur über sein Revers.

      „Jetzt glänzen seine Tangoschuhe noch besser“, kommentierte Montebello.

      „Wir sehen uns wieder!“, keuchte der Mafioso. Ich steckte den Revolver weg.

      „Dann putz vorher deine Schuhe besser, damit sich Spencer nicht darum kümmern muss.“

      Er stieß einen sehr langen Fluch aus und stelzte zu seinem Tisch zurück.

      „Woher weiß er, dass ich seit gestern in Rom bin? Doof von ihm, uns das zu verraten“, stellte ich fest.

      „Es sollte eine Drohung sein. Aber Prahlereien sind meistens dumm. Wir sollten vielleicht in Betracht ziehen, dass die Vermutung, die Cantonas könnten mit deinem Fall zu tun haben, nicht so ganz falsch ist. Ist im Vatikan schon eine Geldforderung für das Dokument eingegangen?“

      „Nein. Kardinal Wischnewski würde mich darüber sofort informieren.“

      „Gefällt mir nicht. Das wirft Fragen auf, nicht wahr?“

      „Gehen wir ruhig mal davon aus, dass es eine Verbindung zwischen dem Diebstahl und den Cantonas gibt. Einen anderen Faden haben wir im Moment nicht.“

      „Hier läuft jedenfalls etwas. Es sind zu viele Cantonas in Rom. So massiv treten sie außerhalb Siziliens nur auf, wenn sie was am Laufen haben.“

      Carlo hatte am großen Pult seine Dirigierakrobatik beendet und kam mit frischen Fettuccine an unseren Tisch. Liebevoll stellte er die Teller vor uns hin.

      „Was für ein Barbar! Meine Leute haben in die Suppe gespuckt, bevor sie ihnen die Minestrone brachten. Die Kerle haben vor nichts Achtung. So geht man nicht mit meiner Fettuccine um. In der Hölle sollen sie schmoren!“

      Als ich mich wieder zur Via del Babuino aufmachte, war ich guter Dinge. Mit Montebello hatte ich unsere Mannschaft wesentlich verstärkt. Bis in den Abend saßen Marcello und ich über den Profilen von Casardi und seiner Familie zusammen. Casardi hatte zwei Söhne, sein Bruder vier. Bis auf einen der Neffen hatten sie sich nichts zuschulden kommen lassen. Gute, normale Bürger, bis auf Domenico Casardi. Er hatte mal mit Rauschgift gedealt und eine Weile gesiebte Luft geatmet. Aber das war fünf Jahre her. Seitdem aber nicht einmal ein Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung. Marcello hatte dies aus dem Polizeicomputer erfahren. Als ehemaliger Offizier der Guardia Finanza wusste er, wie man das anstellte. Ich informierte Montebello über unsere Erkenntnisse.

      „Wie habt ihr das denn herausbekommen?“, staunte er.

      „Frag lieber nicht. Ob wir auf eine Spur gestoßen sind, kann ich noch nicht sagen.“

      „Immerhin, klemm dich dahinter.“

      Am Abend gingen Marcello und ich in einen Sportclub in der Nähe der Bahnstation Termini und quälten uns an diversen Folterinstrumenten. Marcello fand, dass ich gut in Form war. Ich hatte so eine Ahnung, dass dies auch bei diesem Fall notwendig sein würde.

      Kurz nach zehn Uhr traf ich in Harry’s Bar ein. Marcello hatte sich brav nach Hause aufgemacht. Spencer hatte ich nicht allein im Hotelzimmer lassen wollen. Er sah dies als Selbstverständlichkeit an. Ich setzte mich auf die Terrasse. Auch Prominenz war anwesend. Delon, Burt Lancaster und Claudia Cardinale und ein paar ähnlich schöne Frauen. Wegen Spencer sah die Cardinale öfter zu mir herüber. Sie stand plötzlich auf, kam zu mir und entschuldigte sich und streichelte Spencer, der dies sichtlich genoss.

      „Ich wollt, ich wär mein Hund“, sagte ich zu ihr.

      Sie lächelte. „Kommen Sie an unseren Tisch“, lud sie mich ein.

      Ich war versucht, dem nachzugeben. Aber ich dachte an Maja und redete mich damit heraus, dass meine Verabredung gleich eintreffen würde.

      „Die guten Männer sind meistens vergeben“, sagte sie. Ich bekam noch einmal ein Lächeln und sie ging zu ihren Leuten zurück. Aus den Gesprächsfetzen entnahm ich, dass sie das Ende irgendwelcher Dreharbeiten feierten. Sie bemühten sich alle um einen Mann mit einem respekteinflößenden Gesicht. Als ich den Kellner fragte, wer dieser Mann sei, schüttelte er entrüstet den Kopf.

      „Sie kennen Fellini nicht? Der berühmteste Regisseur der Welt. Sie haben doch ‚La dolce Vita‘ gesehen?“

      Hatte ich. Er hatte mit diesem Film seinen Römern schonungslos den Spiegel vorgehalten.

      Großes Aufsehen erregte auch Estefania, als sie sich zu mir setzte. Claudia Cardinale nickte anerkennend. Die Kellner, die sich bisher mehr um die Filmleute gekümmert hatten, umsprangen nun auch unseren Tisch. Ich bestellte einen Whisky und Estefania entschied sich für einen Martini-Cocktail.

      „Na, wie war dein erster Tag bei uns?“, fragte sie und zog die Sonnenbrille ab, die um zehn Uhr abends etwas exzentrisch wirkte. Ihre schönen Augen sollte sie ohnehin nicht dauernd verstecken. Um uns herum wurde viel getuschelt. Estefania war in Rom zumindest so bekannt wie Ava Gardner in Madrid. Sie trug ein weißes Kleid im griechischen Stil, das ihre rechte Schulter frei ließ.

      „Eins ist sicher. Du bist sicher eine der schönsten Frauen Roms“, sagte ich anerkennend. Ich hatte keine Hintergedanken. Es war nur eine ehrliche Feststellung.

      „Dir ist schon Besseres eingefallen. Mit der Cardinale kann ich bestimmt mithalten. Aber das hat nichts zu bedeuten. Die Kuh schaut dauernd zu uns herüber. Hast du mit ihr …?“

      „Nein. Ihre Aufmerksamkeit gilt Spencer.“

      „Bist du sicher? Naja, eine Schauspielerin!“, sagte sie herablassend. Estefania hielt sich zugute, dass sie einer der ältesten Adelsfamilien Roms entstammte, vergleichbar nur mit den Orsini und Colonna. Sie erzählte mir den neuesten Klatsch über die vornehmen Familien. Es war völlig belangloser Tratsch. Der Mond hing als runde Scheibe über der Stadt und machte sich auch nicht viel daraus, was unter ihm vorging.

      Ich sah sie erst nur aus dem Augenwinkel. Mein Herz schlug ein paar Takte schneller. Hatte mich Estefania deswegen in Harry’s Bar treffen wollen, weil sie wusste, dass Maja hierher kam? Ich traute es ihr zu. Sie war in Begleitung eines sehr gut aussehenden Mannes, der gestikulierend auf sie einredete.

      „Sieh da, sieh da! Was sehen meine entzündeten Augen? Das hätte ich nie und nimmer von ihr gedacht!“ Estefanias Lippen kräuselten sich spöttisch.

      „Wer ist ihr Begleiter?“, fragte ich mit einem Kloß im Hals.

      „Paolo Menotti. Ein bekannter


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