Wienerisch für Fortgeschrittene. Arik Brauer
Читать онлайн книгу.– Pfanne
Ribisɫ-, Wāchsɫ-, Zwetschkn-, Marünmarmeɫad – Ribisel-, Weichsel-, Zwetschken-, Marillenmarmelade
Paɫatschinkn und Paɫawatsch
BOSNIGⱢ UND GRANDSCHEAM
Wenn jemand Tag und Nacht damit beschäftigt ist, Pläne zu schmieden, um anderen Schaden zuzufügen, so gilt ein solcher Mensch in Wien als Bosnigɫ. Wenn er kein Opfer hat, muss er eines erfinden, åba mia håm ka Puɫvaɫ und ka Jaukaɫ gegn die Bosheit. Der Bosnigɫ schadet sich oft selber mit seiner Bosheit, was er aber in Kauf nimmt, denn wenn sein Plan aufgeht und sein Opfer gewissermaßen kapores ist, empfindet er das triumphierende Gefühl eines kreativen Menschen, dem ein Werk gelungen ist. In Ottakring ist ein solcher Mensch ein Huanbaungat.
Weniger negativ bewertet ist der sogenannte Grandscheam. Er oder sie raunzt, feut, keppɫt und kritisiert alles und jeden. Die Grandscheam sind aber nicht wirklich böse. Man kann mit ihnen reden, und wenn es darauf ankommt, können Grandscheam sogar sehr gut und hilfreich sein. Diese in Wien sehr häufige Art von Mensch wurde einst von dem Genie Hans Moser, in unvergesslicher Weise nuschelnd, dargestellt: »Bittschön, hudɫn håt goa kān Wert!«
Åba mia håm ka Puɫvaɫ und ka Jaukaɫ gegn die Bosheit. – Aber wir haben kein Pulver und keine Spritze gegen die Bosheit.
feut – schimpft
Grandscheam – unfreundlicher Mensch
Huanbaungat – Kind einer Hure
Hudɫn håt goa kān Wert! – Hetzen hat gar keinen Wert!
kapores – kaputt
keppɫt – keift
raunzt – jammert
Grandscheam und Bosnigɫ
SCHNICKSCHNACK UND GRAFFⱢWERK
Sowohl die Läden und Supermärkte der reichen Welt als auch die Märkte und Shuks der armen Welt sind heute voɫɫgerāmt mit Schnickschnack. Das Wort erinnert an das Wort Schnackaɫ, hat aber nichts mit diesem harmlosen Aufstoßen zu tun, sondern beginnt in zunehmendem Maße die Welt zu verschnickschnackaɫn. Das Wort ist mit Vorsicht zu verwenden, denn es ist nahe verwandt mit dem Verbum schnacksɫn. Und das ist eines der zahllosen Wörter, die von den diesbezüglich mit blühender Fantasie ausgestatteten Wienern für den Beischlaf erfunden wurden.
Nicht weniger gefährlich ist die Verwendung des Wortes Graffɫwerk. Der Bürger sieht einen in sich verstrickten Haufen von Weggeworfenem und sagt vorschnell: So ein Graffɫwerk! Ohne zu ahnen, dass es sich in Wirklichkeit um ein Kunstwerk handeln könnte. Man erklärt dem aufgeschlossenen, aber unkundigen Bürger, was eine Installation ist. Es handelt sich keineswegs immer um die Technik einer Toilette oder eines Badezimmers, die Installation kann auch die Kreation eines Jahrhundertgenies sein. In Dollars ausgedrückt ist sie unter Umständen mehr wert als das WC, das Badezimmer mit dem Haus darüber und das Grundstück, worauf es steht. Also Vorsicht mit den Worten Graffɫwerk und Schnickschnack.
Graffɫwerk – sperriger Abfall
schnacksɫn – Geschlechtsverkehr haben
Schnackaɫ – Schluckauf
Schnickschnack – überflüssiges Kleinzeug
voɫɫgerāmt – vollgeräumt
Schnickschnack und Graffɫwerk
BⱢĀDA UND HEIGEIGN
Wohlgenährt sein ist nicht mehr modern, und das Wort »dick« gilt geradezu als Schimpfwort. Im Wienerischen hingegen gibt es für »dick« viele sehr freundliche Ausdrücke: voisåftig, guat gstöt, fest im Fleisch, måcht wås her, schaut wås gɫeich, bringt wås auf die Wåg. Wenn allerdings jemand um ein weniges zu viel auf die Waage bringt, dann ist er sehr schnell a Bɫāda, a Bɫunzn. Und das ist negativ bewertet.
Noch größer allerdings ist im Wienerischen die Ablehnung des sogenannten Schlankheitsideals, wie es von Modellen bei Modeschauen vorgeführt wird. Die weitverbreitete Bewunderung für diese gemarterten Opfer einer der Natur Hohn sprechenden Mode hat im Wiener Dialekt überhaupt kein positives Echo gefunden, sehr wohl aber eine Fülle bissiger Schimpfworte: Heigeign, Grippegschbü, Kräwogaɫ, Bānahaufn, Zniachtɫ, Zwutschgaɫ, Schɫeiaeun, Äuzn, Vogɫscheuchn. Der heilige weibliche Körper wird zu einem Gerüst mit darauf schlotternden Fetzen degradiert. Es ist ein Rätsel, wer dieses seltsame Schönheitsideal erfunden hat, das in den Köpfen junger Mädchen Verheerungen verursacht. Die verantwortliche Industrie ist eine Weltmacht, die Schäden in der Umwelt und im Sexualleben der Menschen angerichtet hat. Wer wü des, wer braucht des, unsa āns gwiss ned!
Äuzn – hässliche Frau
Bānahaufn – Knochenhaufen
bɫād – aufgebläht
Bɫāda – dicke Person
Bɫunzn – Blutwurst
Grippegschbü – schlotterndes Gerippe
guat gstöt – gut gestellt
Heigeign – Heugeige, Gestell zum Heutrocknen
Kräwogaɫ – kleines, mageres Wesen
Schɫeiaeun – Schleiereule
voisåftig – vollsaftig
Wåg – Waage
Wer wü des, wer braucht des, unsa āns gwiss ned! – Wer will das, wer braucht das, unsereins gewiss nicht!
Zniachtɫ – unscheinbarer Mensch
Zwutschgaɫ – kleiner Mensch
Bɫāda und Heigeign
VAPⱢEMPAN, VAUARASSN, VAWOATAGⱢN
Der Virtuose Jascha Heifetz wurde einmal befragt, in welchem Alter er begann, Geige zu spielen. Seine Antwort war folgende: »Im Alter von drei Jahren, die ersten drei Jahre habe ich vapɫempat.« Der Roma-Gitarrist Harri Stojka antwortete auf die Frage, wie viele Stunden am Tag er wohl übe, Folgendes: »Für so was vapɫempa i ka Zeit. I steh auf in da Frua, nimm die Gɫåmpfn und spü den gaunzn Tåg.«
Beide Aussagen drücken die totale Hingabe aus, die für Spitzenleistungen erste Voraussetzung ist. Ɫahmɫockats Ɫaschiern bedeutet Talente und Ressourcen zu vauarassn. Wir haben eine mächtige Industrie geschaffen, die Mittel und Hilfe zum »Zeitverscheißen« am laufenden Band produziert. Das versprochene Glücksgefühl beim Anschaffen von immer neuen Zeitvapɫempara-Patenten bleibt natürlich aus, aber die Vawoatageɫung unseres Gefühlslebens und die Einschläferung unserer Kreativität finden statt. Die