Let´s play love: Leon. Hanna Nolden

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Let´s play love: Leon - Hanna Nolden


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eine schwarze Rose in den Händen. Perfekt. Anschließend ging Vany auf Deckx´ Profil und schrieb unter das letzte Video, seine Ankündigung, pausieren zu wollen, folgenden Text: »Wie schade, dass du aufhören willst. Habe deinen Kanal eben erst entdeckt. Ich hoffe, du änderst deine Meinung.«

      Unverbindlich. Nicht zu aufdringlich. Kaum zu unterscheiden von den Kommentaren, die bereits da waren. Und dieses hübsche Ding würde Deckx bestimmt nicht abweisen! Vany hatte keine Ahnung, warum sich das so verdammt gut anfühlte, doch das tat es. Sie war wieder im Spiel! Sie war vielleicht kurz ausgewechselt worden, aber jetzt stand sie wieder auf dem Platz und alles würde in Ordnung kommen. Sie loggte sich aus, löschte den Browserverlauf und machte sich bettfertig. Auf einmal schien der letzte Donnerstag weit zurückzuliegen. Fast so weit, als hätte es ihn nie gegeben. Sie schaltete das Licht aus und zeigte der Dunkelheit ein strahlendes Grinsen. Von nun an würde alles, aber auch wirklich alles besser werden.

      3: Zwei Leben

      Als Vany am Sonntagmorgen wach wurde, fühlte sie sich, ohne zu wissen, woran das lag, so glücklich wie schon lange nicht mehr. Vor ein paar Tagen hatte sie sich das Leben nehmen wollen. Sie hatte vor einem Trümmerhaufen gestanden und nicht gewusst, wie sie weitermachen sollte. Anschließend hatte sie in ihr altes Leben zurückfinden wollen und jeder hatte ihr Steine in den Weg gelegt. Aber auf einmal spielte all das gar keine Rolle mehr. Vany würde ihren Weg weiterverfolgen. Aufrichtig und emotional sein und auf diese Weise versuchen, ihre Familie, ihre beste Freundin, Leon und ihre Mannschaftskollegen zurückzugewinnen. Sie nahm sich sogar vor, von nun an zu jedem Spiel ihres Teams zu gehen, denn trotz der Begegnung mit dem widerlichen Dirk Ahlfeld hatte das Zusammentreffen mit den anderen ihr im Nachhinein gutgetan. Parallel dazu, ganz im Geheimen, würde sie sich eine neue Existenz aufbauen. Eine Existenz, von der niemand etwas wusste. Rebekka McLights Weg würde ein ganz anderer sein als Vanys und Vany musste aufpassen, dass diese Leben sich nicht miteinander vermischten. Niemand durfte davon erfahren. Schon gar nicht Tim oder ihre Eltern. Auch Jazz würde sie davon nichts erzählen. Vany war mit Deckx durch und würde reumütig zu ihrem bisherigen Leben zurückkehren. Rebekka hingegen fing gerade erst an!

      Vany begann den Morgen damit, ihrer Mutter bei den Vorbereitungen fürs Sonntagsfrühstück zu helfen. Sie konnte zwar nicht so wahnsinnig viel tun, dennoch gefiel es ihr, mit ihrer Mutter zusammen zu sein und etwas zu tun zu haben. Es war seltsam. Bisher hatte sie ihre Eltern als gegeben hingenommen und nicht weiter darüber nachgedacht. Sie konnten sie in den Wahnsinn treiben und vor Kurzem hätte sie gedacht, dass ihr das Verhältnis egal wäre. Sie war kein Kind mehr und hatte nur selten Lust, etwas mit ihren Eltern zu unternehmen. Nachdem sie die beiden jedoch zweimal hintereinander bitter enttäuscht hatte, hatte sie eine Eiseskälte zu spüren bekommen, die ihr klar gemacht hatte, wie wichtig ihr das Verhältnis zu ihren Eltern war. Ihre Mutter hatte sich von allen Familienmitgliedern am schnellsten erholt und schien die gemeinsame Zeit ebenso zu genießen, wie Vany es tat. Ihr Vater war auf sein normales Maß an Interesse und Aufmerksamkeit zurückgekehrt, wohingegen ihre Mutter doppelt so herzlich wie früher war. Ihre Wärme half Vany etwas Kraft zu tanken. Tim allerdings war ein Härtefall. Einst hatte Vany ihr Bruder alles bedeutet. Sie hatte zu ihm aufgesehen, gerne Zeit mit ihm verbracht. Seine Ablehnung schmerzte, aber nicht halb so sehr, wie sie erwartet hatte. Dafür war sie zu sauer auf ihn. Er hatte nicht zu ihr gestanden, hatte sie verpfiffen und jetzt weigerte er sich, ihr zu vergeben, obwohl sie sich alle Mühe gab. Sollte er bleiben, wo der Pfeffer wuchs! Nach dem Frühstück ging Vany in ihr Zimmer und machte die Übungen, die Kerstin, ihre Krankengymnastin, ihr aufgetragen hatte. Sie würde von nun an nichts mehr schleifen lassen. Sie würde für die Schule arbeiten, ihre Freundschaften pflegen und sich um ihr Knie kümmern. Es war unabdingbar, den Halt im Leben wiederzufinden. Den Laptop hatte sie wieder versteckt. Nicht, weil sie fürchtete, dass ihn ihr erneut jemand wegnehmen konnte, sondern um ihn nicht zu sehen. Zusammen mit den schwarzen Klamotten und dem Gothikschmuck lag er am Boden ihres Kleiderschranks, verdeckt vom Saum ihres Wintermantels. Diese Sachen gehörten nicht mehr zu ihrem Leben als Vanessa. Es waren Rebekkas Sachen und sie würde sie nur rausholen, wenn sie sie brauchte. Jede Nacht, wenn alles schlief, wollte sie zumindest einen Blick in Deckx´ Kanal werfen um überblicken zu können, ob er wieder Videos hochlud, worauf sie natürlich hoffte. Unter den alten Videos würde sie als Rebekka nichts schreiben. Wenn neue kamen, würde sie allerdings aktiv werden. Unaufdringlicher als Vany96 es gewesen war. Jeder Kommentar musste perfekt geplant und getimet werden. Diesmal würde Deckx ihr nicht durch die Lappen gehen. Sie überdachte ihre Strategien, während sie ihre Übungen absolvierte. Anschließend war sie ordentlich durchgeschwitzt und fühlte sich ausgezeichnet. Sie ging unter die Dusche und setzte sich im Anschluss an den Schreibtisch, um etwas zu lernen und Ordnung in ihre Schulunterlagen zu bringen. Da sie sich bisher nie etwas aus Schule, Heften und Ordnern gemacht hatte, gab es eine Menge zu tun. Sie besaß einen Collegeblock, den sie für jedes Fach nutzte. So musste sie zu Beginn der Stunden immer eine ganze Weile suchen bis sie das richtige Fach und den aktuellen Stoff fand. Jetzt setzte sie sich daran, Ordner anzulegen und fachspezifisch abzuheften. Manche Seiten schrieb sie sogar in Schönschrift ab. Nicht nur Tim konnte ein Streber sein! Sie gab sich besonders viel Mühe, da sie wusste, dass gute Noten auffielen. Wann immer jemand auffällig wurde, wurde geguckt, ob die Noten sich verschlechtert hatten. Schlechte Noten galten als Indiz dafür, dass es einem Teenager schlecht ging. Vany war eher der Meinung, gute Noten hießen, dass ein Teenager außer Schule sonst kein Leben hatte, aber jetzt ging es ihr um die Außenwirkung. Jeder sollte davon überzeugt sein, dass es ihr gut ging. Erst dann würde man sie in Ruhe lassen. Irgendwann rief ihre Mutter sie zum Mittagessen. Tim saß ihr gegenüber am Tisch und musterte sie verstohlen. Das war immerhin mal ein Fortschritt. Freitag und Samstag hatte er jedenfalls ausschließlich auf seinen Teller geguckt. Nach ein paar Minuten des Schweigens erkundigte er sich: »Was hast du den ganzen Vormittag über gemacht?«

      Bingo! Und schon zahlte sich das Doppelleben aus. Vany musste nicht einmal lügen, um ihre Familie zu beeindrucken.

      »Ich habe die Übungen für mein Knie gemacht, die ich von Kerstin gelernt habe. Und ich habe was für die Schule getan. Dinge abgeheftet und ein bisschen gelernt. War ja längst mal nötig!«

      Die Reaktionen waren verblüffend! Ihre Mutter strahlte sie an, als würde sie gleich vor Stolz platzen. Ihr Vater hob anerkennend eine Augenbraue und tauschte einen schwer zu deutenden Blick mit ihrer Mutter. Da war noch ein Rest Unsicherheit, den Vany noch beseitigen musste. Tim schien zumindest vollends verwirrt. Er hatte die Stirn gerunzelt und sah aus, als würde er unbedingt sauer auf sie sein wollen, es aber nicht hinbekommen. Schließlich schüttelte er den Kopf.

      »Wenn du meinst.«

      Meine ich, dachte Vany, ohne es auszusprechen. Dass Tim ihr nicht vergeben wollte, machte sie wütend. Eigentlich mochte sie Herausforderungen, aber die hier ging an die Substanz. Sie war es nicht gewohnt, dass so lange Funkstille zwischen ihr und ihrem Bruder herrschte. Doch sie würde es durchstehen. Sie aß ihren Teller leer und verabschiedete sich nach oben, um das Schulchaos zu beseitigen, bevor Jazz auftauchte. Sie freute sich darauf, die Freundin zu sehen, gleichwohl sie nervös war. Zuletzt hatte Jazz sich verständnisvoll gezeigt und bemüht, für sie da zu sein. Andererseits hatte Vany auch das Gegenteil erlebt und wusste nicht, wie Jazz die Geschichte von Deckx aufnehmen würde. Jazz war die meiste Zeit über vernünftig und angepasst. Ihr würde es im Traum nicht einfallen, die Schule schleifen zu lassen oder gar von zuhause abzuhauen. Vany betete, dass sie sie nicht verurteilen würde. Sie war gerade dabei, sämtliche Bleistifte in ihrer Federtasche anzuspitzen, als es an der Tür klingelte. Rasch ließ sie einen letzten Blick durch ihr Zimmer schweifen. Es war aufgeräumt. Sogar das Bett war gemacht. Vany hörte, wie ihre Mutter und Jazz sich unten im Flur unterhielten. Es folgte das Knarren der Treppe. Die Tür ging auf und Vany blieb die freudige Begrüßung im Halse stecken, denn Jazz war nicht allein. Hinter ihr betrat Leon das Zimmer und schlagartig ging in Vany alles drunter und drüber. Sie hatte sich mindestens so aufgeräumt gefühlt wie ihr Zimmer. Als könnte sie nichts erschüttern. Aber Leon änderte alles. Zum einen sah er nicht gut aus. Er wirkte übernächtigt und blass mit tiefen Augenringen, als hätte er seit einigen Nächten nicht geschlafen. Zum anderen explodierte ein gut verschlossen geglaubtes Fass mit wild gewordenen Schmetterlingen in ihrer Brust. Und zum dritten: Warum war er mit Jazz hier? Vany konnte nicht mehr geradeaus denken, nur noch reagieren und leider ließ die Fassungslosigkeit


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