Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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zur Ruhe.«

      »Das ist eine gute Idee! Dort liegt eine Stablampe! Hast du Proviant? Tee? Schokolade? Das ist das mindeste.«

      Anna wartete nicht lange ab. Sie packte eine Thermoskanne und etwas Proviant in einen Stoffbeutel, dazu die große Stablampe.

      »Geh ruhig, Gundi! Die Ruhe und Abgeschiedenheit werden dir guttun! Ich wünsche dir eine schöne Zeit. Außerdem bist du nie alleine. Die Engel vom ›Engelssteig‹ sind immer bei dir!«

      Gundi lächelte Anna an. Sie nahm die Sachen und ging davon.

      *

      Gundi erreichte das ›Erkerchen‹. Sie setzte sich auf die Bank. Einige Wanderer kamen vorbei. Sie blieben eine Weile am Geländer stehen und schauten in die Weite. Gundi war froh, als sie weitergingen. Die jungen Wanderer versuchten mehrmals, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Aber Gundi antwortete nur knapp. Sie kramte in ihrem Rucksack, zeigte mit Absicht kein Interesse an einem Gespräch. Gundi verspürte kein Bedürfnis nach Gesellschaft von jungen Burschen. Sie vermied sogar jeden Blickkontakt. Das tat sie bewußt. Wenn ich Urs nicht in die Augen gesehen hätte, wäre das vielleicht alles nicht geschehen, überlegte sie.

      Gleichzeitig sehnte sie sich nach diesen wunderschönen, großen rehbraunen Augen, die so sanft blickten. Gundi knabberte an einem Keks. Sie blickte in die Weite. Sie stand auf und trat an das Geländer.

      Die Aussicht vom ›Erkerchen‹ ist wirklich grandios, dachte sie. Vor ihr breitete sich tief unten das Tal aus. Inmitten grüner Wiesen lag idyllisch Waldkogel. Der goldene Wetterhahn auf der Turmspitze leuchtete in der Sonne. Gundi ließ die Augen den Hang hinaufgleiten mit dem dichten Tannenwald. Oberhalb beobachtete sie Gemsen, die die Felsen hinaufkletterten. Sie waren sehr ausgelassen. Dieser Anblick trug Heiterkeit und Fröhlichkeit in Gundis Herz. Ja, die Natur, sie gibt auf alles eine Antwort und zeigt einen Weg.

      Nach einer Weile beschloß Gundi, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Es bringt nichts, wenn ich darüber grübele. Gundi mußte sogar schmunzeln. Ist es nicht oft im Leben so, daß einem zwei Dinge gefallen, zwei verschiedene Dirndl, zwei Paar Schuhe? Auch dann fällt einem die Entscheidung schwer. Wie komme ich in einem solchen Fall zu einer Entscheidung? Das überlegte Gundi. Es ist immer eine Entscheidung des Gefühls. In welchem Dirndl fühle ich mich besser? In welche Schuhe schlüpfe ich und fühle, das sind sie?

      Gundi war klar, daß die Entscheidung zwischen zwei Burschen nicht so einfach zu treffen war, wie beim Kauf von Dirndln oder Schuhen. Notfalls konnte sie sich dafür entscheiden, beide zu erwerben, beide Kleider und beide Paar Schuhe. Ich kann beide Burschen auf Dauer nicht haben, das war Gundi klar. Irgendwann muß ich mich entscheiden. Entweder nehme ich Julian oder Urs. Julian kenne ich etwas besser als Urs. Aber beim Blick in Urs’ Augen war es wohl Liebe auf den ersten Blick, wenn es Liebe auf den ersten Blick gibt. Gundi hatte bisher immer an dieser Aussage gezweifelt.

      Was sagte schon ein einziger Blick aus?

      War das wirklich möglich?

      Konnte jemand nach einem einzigen Blick wissen, ob der andere oder die andere der oder diejenige war, die das eigene Herz im stillen suchte?

      Gundi träumte und sie fühlte dabei ein warmes Gefühl in ihrem Herzen. Es muß schon etwas daran sein, wenn alle davon sprechen. Jeder Mensch begegnet vielen anderen Menschen und schaut in die Augen. Einige Menschen sind sympathisch und andere unsympathisch.

      Doch dann passiert es!

      Es genügt wohl der winzige Bruchteil eines Augenaufschlages und die Herzen stellen eine Verbindung her. Mit Urs ist es mir so ergangen. Mit Urs ist es so gewesen. Es hatte mich völlig unvorbereitet getroffen. Es war einfach geschehen. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel! Das muß ich anerkennen. Bei Julian war es nicht so. Gut, er gefiel mir. Ich habe ihn wochenlang jeden Werktag gesehen. Doch es war nicht, als käme eine Urgewalt über mich.

      Bedeutet das, daß Urs meine große Liebe ist?

      Heißt das, daß ich mich für ihn entscheiden soll?

      Was ist dann mit Julian?

      Er hat mir seine Liebe gestanden. Er will mich als sein Madl haben. Er macht Zukunftspläne, genau wie ich davon geträumt habe. Ich habe ihm noch nicht zugesagt – nein, das habe ich nicht. Ich hätte es wohl, wenn ich Urs nicht begegnet wäre.

      Gundi überlegte. Es war klar, daß sie erst mit Julian sprechen wollte, wenn sie sich ihrer Gefühle völlig sicher war.

      »Hallo! So sieht man sich wieder! Welch ein Zufall! Das ist schon das zweite Mal. Wenn wir uns zum dritten Mal treffen, dann gibt es eine Tafel Schokolade. So sagt man doch?«

      Gundi wandte sich schnell um. Sie starrte ihn an. Vor ihr stand Urs. Er lächelte sie an.

      »Guten Tag! Nun fast kann man sagen ›Guten Abend‹!«

      »Oder du sagst einfach ›Grüß Gott‹! Das ist neutral und paßt immer!«

      »Stimmt! Also Gundi! Ein herzliches ›Grüß Gott‹!«

      »Grüß Gott, Urs!«

      Gundi schaute ihm in die Augen und fühlte, wie ihr Herz klopfte.

      »Was machst du hier?«

      Urs lachte laut.

      »Ich war etwas wandern! Verlaufen habe ich mich diesmal nicht! Und du?«

      Gundi spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoß. Schnell wandte sie sich ab und ging zur Bank.

      »Ich war auf der Berghütte! Doch dort war ziemlich viel Betrieb.«

      »Ah! Dann darf ich hoffen, daß du mich besuchen wolltest?«

      Gundi errötete tief. Urs tat, als bemerkte er es nicht.

      »Ich… ich… ich habe nur die Eier gebracht. Meine Freundin Ute kann die Alm nicht verlassen, weil die Bergziegen bald niederkommen. Da habe ich an ihrer Stelle die Eier ausgeliefert.«

      »Das ist ein Grund, wenn auch nicht der Grund, auf den ich gehofft hatte. Egal, aber irgendwie haben wir uns doch getroffen. Wollen wir uns setzen?«

      Sie setzten sich nebeneinander auf die Bank. Urs holte aus seinem Rucksack eine Tafel Schokolade und brach sie in zwei Teile.

      »Hier, bitte! Eigentlich sagt man, daß es Schokolade erst beim dritten Mal gibt, aber wir machen eine Ausnahme. Ich freue mich jedenfalls sehr, daß ich dich getroffen habe.«

      »Dann bist du mir nicht gefolgt? Nachgelaufen?«

      »Nein! Hättest du dir das gewünscht?«

      Gundi errötete wieder.

      »So etwas fragt man ein Madl nicht, Urs!«

      Urs atmete tief durch. Er schüttelte den Kopf.

      »Da bin ich mir nicht ganz sicher. Aber egal! Ich freue mich jedenfalls riesig, daß ich dich getroffen habe. Das kann kein Zufall sein! Das muß Fügung sein. Oder noch besser: Führung, Teil eines höheren Planes.«

      Urs biß in die halbe Tafel Schokolade.

      »Ich gestehe dir jedenfalls«, fuhr er fort, »daß ich mir sehr gewünscht habe, dich wiederzusehen, Gundi. Ist das schlimm?«

      »Was soll daran schlimm sein? Daß du es dir gewünscht hast oder du mich wiedersehen willst?«

      »Im Zweifelsfall beides! Doch das kannst nur du entscheiden. Nun, bekomme ich eine Antwort?«

      »Nein!«

      »Nein – keine Antwort? Oder ›Nein‹ nicht schlimm?«

      Sie lachten. Dabei schauten sie sich kurz an. Gundi traf wieder ein Blitz mitten ins Herz.

      »Beides!«

      »Das ist schön, daß du das sagst. Das freut mich wirklich sehr. Ich mußte nämlich immer und immer wieder an dich denken, seit wir uns begegnet sind. Du bist mir nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Stört es dich, wenn ich dir gestehe, daß ich heute nacht sogar von dir geträumt habe?«


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