Erkämpftes Glück, Band 3. Karl May

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Erkämpftes Glück, Band 3 - Karl May


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      »Hier werden wir absitzen und übernachten«, sagte er, auf ein kleines Gebüsch deutend, das am Weg lag. – »Wird das kein Fehler sein?« fragte der eine Vaquero. – »Warum ein Fehler?« – »Hier ganz in der Nähe liegt die Estanzia des Señor Marqueso. Da ist der Mann ganz sicher eingekehrt.« – »Meint Ihr? Hm! Ein Mörder kehrt nicht ein, wenn er von dem Schauplatz seines Verbrechens kommt. Es liegt in seinem Interesse, sich von keinem Menschen sehen zu lassen. Übrigens sind wir ihm sehr nahe gekommen.« – »Wie weit?« – »Ich sah vorhin aus der Spur, daß er kaum noch eine Stunde weit vor uns ist. Sein Pferd ist müde. Morgen früh haben wir ihn sicher und fest.«

      In dieser Überzeugung streckte Gerard sich in das Gras, um zu schlafen. Am anderen Morgen, bereits bei Tagesgrauen, wurde der Weg fortgesetzt. Die Pferde hatten ausgeruht und flogen munter über die Ebene hin. Da plötzlich hielt Gerard das seinige an.

      »Hier hat er angehalten«, sagte er, auf eine vielfach zertretene Rasenstelle deutend. »Wollen sehen!«

      Er sprang ab und untersuchte den Boden im Umkreis.

      »Donnerwetter!« rief er dann. »Wo liegt die Estanzia, von der Ihr gestern abend redetet?« – »Da rechts drüben hinter den Büschen.« – »Wie weit hat man hin?« – »Zehn Minuten.« – »Er ist zu Fuß hinüber und zu Pferde wieder zurück. Seht, hier hat er seinen Rotschimmel angepflockt gehabt. Ich will doch nicht hoffen, daß er sich von der Estanzia ein Pferd geholt hat.« – »Das wäre verteufelt!« – »Und doch wird es so sein. Er ist zurückgekehrt, um den Rotschimmel vom Lasso zu befreien und ihn laufenzulassen. Hier habt Ihr die Spur dieses Tieres. Sie führt rückwärts. Der Schimmel ist ledig. Und hier haben wir die Fährte des anderen Pferdes, die nach Süden geht, also in der Richtung, die er ursprünglich eingeschlagen hatte. Reitet auf dieser Fährte langsam weiter. Ich muß nach der Estanzia.«

      Sie gehorchten. In zehn Minuten sah Gerard das Haus vor sich liegen. Er sprang vom Pferd und trat in das Zimmer. Ein älterer Mann lag in der Hängematte und rauchte eine Zigarette.

      »Seid Ihr der Estanziero Señor Marqueso?« fragte Gerard. – »Ja«, antwortete der Mann. – »Habt Ihr gestern ein Pferd verkauft?«

      Da fuhr der Mann aus der Hängematte empor und rief: »Verkauft? Nein, das ist mir nicht eingefallen. Aber mein Fuchs muß sich verlaufen haben. Er war heute morgen fort.« – »Verlaufen? Hm! Könnte er nicht gestohlen worden sein?« – »Das ist allerdings möglich. Ihr seht mich allein, weil alle meine Leute ausgeritten sind, ihn zu suchen.« – »War dieser Fuchs ein schnelles Pferd?« – »Es war mein bester Läufer.« – »Verdammt.« – »Warum?« – »Ich verfolge einen Mörder von der Hacienda del Erina her. Er ritt einen müden Rotschimmel, und ich glaubte, ihn heute vormittag zu erreichen. Nun aber hat er Euch den Fuchs genommen, und ich kann ...« – »Donnerwetter! Also doch gestohlen?« unterbrach ihn der Mann. – »Ja. Hatte Euer Fuchs irgendein Zeichen?« – »Ein sehr häßliches. Die rechte Hälfte des Maules ist weiß und die linke schwarz.« – »Danke!«

      Damit drehte Gerard sich um.

      »Halt!« rief der Mexikaner hinter ihm her. »Wollt Ihr mir nicht wenigstens sagen, wo der Rotschimmel zu suchen ist? Dann hätte ich doch einigermaßen Ersatz.« – »Da drüben bei den Büschen findet Ihr die Spur«, antwortete Gerard, die Richtung mit der Hand bezeichnend.

      Zugleich sprang er in den Sattel und galoppierte davon.

      Er brauchte nicht weit zu reiten, so erblickte er seine beiden Gefährten, die er schnell einholte. Er teilte ihnen mit, was er erfahren hatte, und machte sie darauf aufmerksam, daß es jetzt gelte, die größte Schnelligkeit zu entfalten. Infolgedessen flogen ihre drei Pferde förmlich dahin, aber die Züge Gerard, der die Spur fest im Auge behielt, blieben finster. Es war ihm anzusehen, daß ihre Schnelligkeit seinen Erwartungen nicht entsprach.

      »Dieser Mensch ist klüger, als ich vermutete«, sagte er. – »Er hat wohl gar nicht geschlafen?« fragte einer der Vaqueros. – »Nein. Er hat den Fuchs gestohlen und ist unverzüglich weiter. Heute früh hatte er einen Vorsprung von vier Stunden. Wir sind ihm näher gekommen, aber das genügt nicht, um ihn vor Einbruch der Nacht einzuholen.«

      Es zeigte sich, daß seine Berechnung richtig war. Der Mittag ging vorüber, und der Nachmittag verflog auch. Gegen Abend, als es bereits dämmerte, näherten sie sich Santa Jaga.

      »Ich hoffe nicht, daß der Kerl durch die Stadt reitet«, meinte der Vaquero. – »Warum nicht?« fragte Gerard. – »Weil wir in der Stadt seine Spur nicht sehen können.« – »Pah. Wir können dann desto besser nach ihm fragen. Übrigens glaube ich nicht, daß er durch die Stadt reitet.« – »Sondern um dieselbe herum?« – »Nein.« – »Wie sonst?« – »Er wird bloß hineinreiten, aber nicht hinaus. Ich ahne vielmehr, daß er ein Bewohner der Stadt ist.« – »Ah, das ist möglich.« – »War nicht jene Dame, die Juarez die Schriften schickte, aus Santa Jaga gekommen?« – »Ja.« – »Haben nicht Sternau und die anderen die Richtung nach Santa Jaga eingeschlagen?« – »Allerdings.« – »Nun, so ist es leicht möglich, ja, sogar sehr wahrscheinlich, daß wir hier die Lösung des Rätsels finden.«

      Sie jagten weiter. Ungefähr zehn Minuten vor der Stadt trafen sie auf einen Mann, der langsam neben einem schweren Ochsenkarren einherschritt. Gerard grüßte und fragte:

      »Wie weit ist es noch bis zur Stadt?« – »Ihr reitet keine Viertelstunde mehr«, antwortete der Mann. – »Seid Ihr dort bekannt?« – »Das will ich meinen. Ich bin dort geboren und wohne dort.«

      Gerard hatte die Spur des Wagens fast schon während des ganzen Nachmittags gesehen. Er fragte daher:

      »Ihr kommt aus dem Norden?« – »Ja.« – »Sind Euch heute viel Leute begegnet?« – »Kein einziger Mensch.« – »Aber überholt hat Euch ein Reiter?« – »Ein einziger.« – »Kanntet Ihr ihn vielleicht?« – »Hm«, antwortete der Mann, indem er pfiffig mit den Augen blinzelte. »Ja, vielleicht kenne ich ihn.« – »Ihr betont das Wort vielleicht. Weshalb?« – »Nun, weil der Señor jedenfalls nicht wollte, daß ich ihn erkennen sollte.« – »Wirklich? Weshalb denkt Ihr das?« – »Weil er einen Bogen schlug, um aus meiner Nähe zu kommen.« – »Ah! Was für ein Pferd ritt er?« – »Einen Fuchs.« – »Ihr erkanntet ihn also doch?« – »Ja, an seiner Haltung. So wie er auf dem Pferd saß, so sitzt nur ein einziger im Sattel.« – »Und wer ist das?«

      Der Karrenführer blinzelte abermals sehr listig mit den Augen und fragte:

      »Habt Ihr ein so großes Interesse, dieses zu erfahren?« – »Gar zu groß ist es allerdings nicht.« – »So. Na, Señor, ich bin ein armer Mann, und jeder Dienst ist doch seines Lohnes wert.« – »Da«, antwortete Gerard, indem er in die Tasche griff und jenem eine Silbermünze zuwarf. – »Danke. Nun sollt Ihr auch erfahren, wer es ist.« – »Aber schnell!« – »Schön. Es war kein anderer als Pater Hilario.« – »Wer ist das?« – »Ein Arzt im Kloster della Barbara hier in der Stadt.« – »Ein Arzt? Ah!« nickte Gerard. »Ritt er sehr weit an Euch vorüber?« – »Nicht sehr weit. Das Terrain erlaubte es nicht.« – »Habt Ihr an dem Fuchs nichts bemerkt, woran man ihn wiedererkennen könnte?« – »Ah, Ihr meint nicht den Mann, sondern den Fuchs? Nun, da kann ich Euch die allerbeste Auskunft geben.« – »Wirklich?« – »Ja. Ich kenne das Tier sehr genau. Der Pater muß es erst in den letzten Tagen gekauft haben.« – »Von wem?« – »Von einem Estanziero da draußen.« – »Ihr meint wohl Señor Marqueso?« – »Freilich. Der Fuchs hat eine Blässe, die ihm über die rechte Hälfte des Maules geht.« – »Danke. Gute Nacht!«

      Gerard ritt mit seinen Begleitern weiter, in tiefe Gedanken versunken. Ein Pater – ein Arzt, der im Kloster wohnte? Hm! Tausend Gedanken stiegen in ihm auf und nieder. Endlich wandte er sich an seine Begleiter:

      »Was ich erfahren habe, ist sehr wichtig. Es bestätigt meine Ansicht, daß der Mörder hier in der Stadt wohnt. Wir werden in einer Venta absteigen und hierbleiben. Das weitere wird sich finden.«

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