Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac


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Pe­ri­styl, der den Hof ziert, und ihre Tür be­fin­det sich mit­ten in ei­ner Ga­le­rie, die von der rie­si­gen Vor­hal­le bis zur Sain­te-Cha­pel­le führt, den bei­den Mo­nu­men­tal­bau­ten, die al­les ne­ben sich un­be­deu­tend er­schei­nen las­sen. Die Kir­che des hei­li­gen Lud­wig ist eine der im­po­san­tes­ten Bau­lich­kei­ten von Pa­ris, und ihr Zu­gang am Ende die­ser Ga­le­rie hat ge­wis­ser­ma­ßen et­was Düs­te­res und Ro­man­ti­sches. Die große Vor­hal­le da­ge­gen liegt in vol­lem Lich­te da, und es ist schwer, hier nicht an Frank­reichs Ge­schich­te zu den­ken, die mit die­ser Hal­le so eng ver­bun­den ist. Die Trep­pe an sich macht einen gran­dio­sen Ein­druck, weil sie von den bei­den Bau­ten, so ge­wal­tig sie sind, doch nicht er­drückt wird. Auch wird die See­le wohl be­wegt an­ge­sichts des Plat­zes, auf den man durch das Git­ter des Palas­tes blickt, und wo einst die Ur­tei­le voll­zo­gen wur­den. Die Trep­pe mün­det auf einen rie­si­gen Raum, die Vor­hal­le des Saa­l­es, in dem die Sit­zun­gen des obers­ten Ge­richts­hofs ab­ge­hal­ten wer­den. Man kann sich also den­ken, wie er­regt der Kri­dar, auf den die­se Um­ge­bung schon an sich einen ge­wal­ti­gen Ein­druck mach­te, war, als er, um­ge­ben von sei­nen Freun­den, sich zu der Sit­zung hin­auf be­gab; es wa­ren Le­bas, zur Zeit der Prä­si­dent des Han­dels­ge­richts, Ca­mu­sot, sein Kon­kurs­ver­wal­ter, Ra­gon, sein frü­he­rer Prin­zi­pal, und der Abbé Loraux, sein Beicht­va­ter. Eine Be­mer­kung des from­men Pries­ters über die­se welt­li­che Pracht mach­te sie in den Au­gen Cäsars noch ein­drucks­vol­ler. Pil­ler­ault hat­te sich, als prak­ti­scher Phi­lo­soph, vor­ge­nom­men, die Freu­de sei­nes Nef­fen jetzt noch hö­her zu stei­gern, da­mit nach­her die Über­ra­schun­gen des ge­plan­ten Fes­tes nicht zu ge­fähr­lich auf ihn ein­wirk­ten. Des­halb er­schie­nen, als der ehe­ma­li­ge Kauf­mann sich eben an­ge­klei­det hat­te, sei­ne wah­ren Freun­de bei ihm und be­stan­den auf der Ehre, ihn bis zu den Schran­ken des Ge­richts­hofs zu be­glei­ten. Die­ses Ehren­ge­leit be­rei­te­te dem bra­ven Man­ne eine sol­che Be­frie­di­gung, daß er in die er­for­der­li­che be­geis­ter­te Stim­mung ver­setzt wur­de, um dem im­po­san­ten Schau­spiel der Ge­richts­sit­zung ge­wach­sen zu sein. Bi­rot­teau fand auch noch an­de­re Freun­de zu­ge­gen, als er den fei­er­li­chen Sit­zungs­saal be­trat, in dem ein Dut­zend Räte am Ge­richt­s­tisch sa­ßen.

      Nach dem Auf­ruf der Sa­che be­grün­de­te Bi­rot­te­aus An­walt mit we­ni­gen Wor­ten sei­nen An­trag. Jetzt er­hob sich der Ge­ne­ral­staats­an­walt, dem der ers­te Prä­si­dent das Wort er­teilt hat­te, um sei­ne Aus­füh­run­gen zu ma­chen. Im Na­men der Staats­an­walt­schaft stell­te er, als Ver­tre­ter der Staats­au­to­ri­tät, selbst den An­trag, Bi­rot­teau sei­ne kauf­män­ni­sche Ehre, die er nur ver­pfän­det hat­te, wie­der zu­zu­spre­chen; das war die ein­zig zu­läs­si­ge For­mel, denn als Ver­ur­teil­ter hät­te er nur be­gna­digt wer­den kön­nen. Wer ein Herz hat, kann sich vor­stel­len, von wel­chen Ge­füh­len Bi­rot­teau be­wegt wur­de, als er Herrn von Grand­ville sei­ne Rede hal­ten hör­te, die kurz fol­gen­des be­sag­te:

      »Mei­ne Her­ren Rich­ter,« sag­te der be­rühm­te Be­am­te, »am 16. Ja­nu­ar 1820 wur­de Bi­rot­teau durch Spruch des Sei­ne-Han­dels­ge­richts für in Kon­kurs ge­ra­ten er­klärt. Sein Fal­lis­se­ment ist we­der durch wag­hal­si­ge Ge­schäf­te, noch durch falsche Spe­ku­la­tio­nen, noch durch ir­gend­ei­nen an­dern Grund, der sei­ne Ehre be­fle­cken könn­te, ver­ur­sacht wor­den. Wir emp­fin­den das Be­dürf­nis, öf­fent­lich zu ver­kün­den: sein Un­glück ist ver­an­laßt wor­den durch eine je­ner Übel­ta­ten, die zum schmerz­lichs­ten Be­dau­ern der Jus­tiz und der Stadt Pa­ris im­mer wie­der vor­kom­men. Es ist un­serm Jahr­hun­dert, in dem noch lan­ge die üble Hefe der sitt­li­chen und geis­ti­gen An­schau­un­gen der Re­vo­lu­ti­ons­zeit nach­gä­ren wird, vor­be­hal­ten ge­blie­ben, mit an­zu­se­hen, wie das Pa­ri­ser No­ta­ri­at sich von den glor­rei­chen Tra­di­tio­nen frü­he­rer Jahr­hun­der­te los­löst und in we­ni­gen Jah­ren eben­so vie­le Kon­kur­se auf­weist, wie sich sonst in zwei­hun­dert Jah­ren un­ter der al­ten Mon­ar­chie er­eig­net ha­ben. Die Gier nach schnell er­wor­be­nem Reich­tum hat auch die öf­fent­li­chen Funk­tio­näre er­grif­fen, die­se Hü­ter des all­ge­mei­nen Wohl­stan­des, die­se mit­tel­ba­ren Be­am­ten!«

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      Es folg­te nun eine brei­te Aus­füh­rung über die­sen Ge­gen­stand, wo­bei der Graf von Grand­ville, sei­ner Rol­le ent­spre­chend, Ge­le­gen­heit fand, die Li­be­ra­len, die Bo­na­par­tis­ten und an­de­re Geg­ner des Kö­nigs­hau­ses zu be­schul­di­gen. Die Er­eig­nis­se der Fol­ge­zeit ha­ben be­wie­sen, daß die­ser Be­am­te mit sei­nen Be­fürch­tun­gen recht be­hal­ten hat.

      »Die Flucht ei­nes Pa­ri­ser No­tars, der die von Bi­rot­teau bei ihm hin­ter­leg­ten Wer­te un­ter­schla­gen hat,« fuhr er fort, »hat den Ruin des An­trag­stel­lers ent­schie­den. In die­ser Sa­che hat der Ge­richts­hof ein Ur­teil ge­fällt, aus dem er­sicht­lich ist, in wel­chem Gra­de das Ver­trau­en der Kli­en­ten Ro­gu­ins in un­wür­di­ger Wei­se miß­braucht wor­den ist. Es kam nun ein Ver­gleich zu­stan­de. Zur Ehre des An­trag­stel­lers muß hier­zu be­merkt wer­den, daß sein Ver­hal­ten hier­bei von ei­ner rüh­mens­wer­ten Lau­ter­keit ge­we­sen ist, wie man ihr bei kei­nem der skan­da­lö­sen Kon­kur­se, durch die die Pa­ri­ser Han­dels­welt täg­lich ge­schä­digt wird, be­geg­net ist. Die Gläu­bi­ger Bi­rot­te­aus fan­den auch die ge­rings­te Habe des Un­glück­li­chen zu ih­rer Ver­fü­gung vor: sei­ne Klei­der, mei­ne Her­ren Rich­ter, sei­ne Schmuck­sa­chen, Din­ge des täg­li­chen Ge­brauchs, und zwar nicht nur die sei­ni­gen, son­dern auch die sei­ner Frau, die auch auf alle ihre Rech­te zu­guns­ten der Kon­kurs­mas­se ver­zich­te­te. Da­mit hat sich Bi­rot­teau des An­se­hens, das ihm sein städ­ti­sches Ehren­amt ein­ge­tra­gen hat­te, wür­dig er­wie­sen; er war da­mals Bei­ge­ord­ne­ter des Bür­ger­meis­ters im zwei­ten Be­zirk und hat­te eben das Kreuz der Ehren­le­gi­on er­hal­ten, das ihm eben­so­sehr we­gen sei­ner roya­lis­ti­schen Hin­ge­bung, mit der er im Ven­dé­mi­aire auf den Stu­fen von Saint-Roch ge­kämpft hat­te, die mit sei­nem Blu­te ge­rötet wur­den, wie für sei­ne Tä­tig­keit als Han­dels­rich­ter, in der er we­gen sei­nes kla­ren Ur­teils ge­schätzt und we­gen sei­ner ver­mit­teln­den Hilfs­be­reit­schaft ver­ehrt wur­de, und sei­ner Stel­lung als be­schei­de­ner städ­ti­scher Be­am­ter, der die Ehre, Bür­ger­meis­ter zu wer­den, ab­ge­lehnt und hier­für auf einen Wür­di­ge­ren, den ver­ehr­ten Herrn von Bil­lar­diè­re, einen der edels­ten Ven­déer, hin­ge­wie­sen hat, den er in den schlim­men Ta­gen schät­zen ge­lernt hat­te.«

      »Die­se Wen­dung ist schö­ner als mei­ne«, sag­te Cäsar lei­se zu sei­nem On­kel.

      »Da die Gläu­bi­ger in­fol­ge des loya­len Ver­hal­tens die­ses Kauf­manns, sei­ner Frau und sei­ner Toch­ter, die ihre gan­ze Habe her­ge­ge­ben hat­ten, eine Di­vi­den­de von sech­zig Pro­zent auf ihre For­de­run­gen er­hiel­ten, un­ter­zeich­ne­ten sie den Ver­gleich un­ter Be­to­nung ih­rer Hochach­tung für den Schuld­ner und ver­zich­te­ten auf den Rest ih­rer An­sprü­che. Ich len­ke die Auf­merk­sam­keit des Ge­richts­hofs auf den Text die­ses Ver­gleichs hin.«

      Hier ver­las der Ge­ne­ral­staats­an­walt die be­tref­fen­de Stel­le des Ver­gleichs.

      »An­ge­sichts ei­ner so wohl­wol­len­den Stel­lung­nah­me, mei­ne Her­ren


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