Fundstücke. Georg Markus

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Fundstücke - Georg Markus


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Kaisers

      Eben noch fanden sich im Tagebuch immer wieder Worte wie »Seine Majestät fühlen Sich vollkommen wohl«, doch am 11. November 1916 zeigt sich der Adjutant ernsthaft besorgt: »Seine Majestät befindet sich in letzter Zeit nicht gut, klagt über Schlaflosigkeit – Appetit auch nicht gut, kein Wunder – es ist Überanstrengung … Gestern Abend war (der Internist) Prof. Ortner bei Seiner Majestät – diese Schwächezustände sind in so hohem Alter bedenklich … Gottlob ist der Zustand nicht eben schlecht, sonst wäre auch Erzherzogin Marie Valerie nicht abgereist … Hoffentlich wird man alle unnötigen Audienzen einstellen, damit Seine Majestät wieder in Ordnung kommt.«

       »Seine Majestät absolviert wieder längere Empfänge«

      Am selben Abend noch verschlimmert sich die Situation: »Temperatur 38 Grad, große Schwäche, schwacher Puls. Prof. Ortner fand Zustand bedenklich, unsere Aufregung und Angst war groß, die Nacht auf den Sonntag war alles in Spannung. Glücklicherweise ist die Nacht günstig verlaufen. Sonntag fieberfrei, guter Appetit.« Es scheint neuerlich bergauf zu gehen, »Seine Majestät absolviert wieder längere Empfänge.«

      Am 19. November 1916 diagnostizieren die Ärzte eine Rippenfellentzündung, »kein Appetit, wenig Schlaf. Heute wurde im Schlafzimmer Seiner Majestät eine Messe gelesen.« Auch wenn der Kaiser nach wie vor seine engsten Mitarbeiter zu Besprechungen empfängt, kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass Franz Josephs letzte Stunde naht.

       Der Burgpfarrer überbringt den Segen des Papstes

      »Leider hat sich gestern wieder Fieber eingestellt«, notiert Spanyi am 21. November 1916. »Heute weitere Temperaturerhöhung, – zum ersten Frühstück nahm Sr. Majestät nur sehr wenig – Mittag nichts. – Sr. Majestät hat noch (die engen Mitarbeiter) Paar und Bolfras empfangen, um 10 Uhr kam Burgpfarrer Dr. Seydl, überbrachte den Segen des Hl. Vaters – gleichzeitig spendete er Sr. Majestät die hl. Kommunion. Nach 11 Uhr kam Erzherzog Karl und Erzherzogin Zita, ich sollte Beide anmelden.« Das Thronfolgerpaar erklärt dem Adjutanten Spanyi, nur dann das Zimmer des fiebernden Kaisers betreten zu wollen, wenn dieser am Schreibtisch sitzen bleibt. Als Franz Joseph sich weigert, eine Dame sitzend zu empfangen, drohen Karl und Zita wieder wegzugehen. Jetzt erst ist der Kaiser bereit, sitzen zu bleiben. »Seine Majestät ist eben der größte Kavalier unserer Zeit«, schwärmt der Adjutant.

       Die Ärzte sagen, »dass keine Rettung mehr möglich«

      Am Nachmittag schläft Franz Joseph mit 39 Grad Fieber, an seinem Schreibtisch sitzend, ein. »Ich beobachtete sehr oft aus dem Nebenzimmer unseren Allerhöchsten Herrn, man kann sagen von Stunde zu Stunde machte sich der Kräfteverfall bemerkbar. Um 8 Uhr Abend sagen (die Ärzte) Kerzl und Ortner, die Seine Majestät zu Bett gebracht haben, dass keine Rettung mehr möglich.«

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       Der Burgpfarrer spendet die Kommunion: der letzte Tag im Leben des alten Kaisers, geschildert im Tagebuch des Adjutanten Adalbert von Spanyi

       Der Kaiser stirbt am 21. November 1916 um 21.05 Uhr

      Franz Josephs Töchter, weitere Angehörige sowie Regierungsmitglieder werden verständigt. »Gegen 9 Uhr waren bereits viele der Herrschaften anwesend. – Fürst Montenuovo geleitete mich ins Sterbezimmer unseres Allerhöchsten Herrn. Der Burgpfarrer spendete die letzte Ölung und während der Handlung hat Seine Majestät Kaiser Franz Joseph I. seine edle Seele still ausgehaucht. Es war 9 Uhr 5 Minuten Abends.«

      Die letzten Zeilen in Adalbert von Spanyis Tagebuch lauten: »So endete meine zweite Flügeladjutantenzeit beim großen Kaiser. Bis zum letzten Tag seines Lebens habe ich ihm gedient … Gott gebe ihm die ewige Ruhe!«

       »Das Mädchen ist allerliebst« Der frühe Tod von Goethes Enkelin in Wien

      Sie war sein Augenstern, Goethe liebte die kleine Alma über alles. In seinen letzten Lebensjahren holte er seine Enkelin oft zu sich und ließ sie in seinem Arbeitszimmer spielen, um ihren Reifeprozess zu beobachten, während er mit dem Abschluss seines Lebenswerks beschäftigt war. Was für ein Glück, dass der Dichterfürst den Tod des Kindes nicht erleben musste. Alma von Goethe starb, noch nicht 17 Jahre alt, am 29. September 1844 in Wien. Von ihrem Leben, ihren letzten Tagen in Österreich und ihrem Tod ist bisher wenig bekannt – Briefe und Zeitzeugenberichte liefern biografische Fundstücke.

       August von Goethe, 1789–1830, Goethes Sohn

      Goethe und seine Frau Christiane hatten fünf Kinder, von denen nur der erstgeborene Sohn das Erwachsenenalter erreichte. Dieser, August von Goethe, brachte es nach dem Studium der Rechtswissenschaften zum Geheimen Kammerherrn im Hofstaat des Großherzogs Karl August von Sachsen-Weimar, litt aber zeitlebens unter der Übermacht seines Vaters. August von Goethe und seine Frau Ottilie geb. von Pogwisch machten den Dichter zum dreifachen Großvater: nach den Söhnen Walther und Wolfgang erblickte am 29. Oktober 1827 Alma in Weimar das Licht der Welt.

       Alma von Goethe, 1827–1844, Goethes Enkelin

      Der den absoluten Mittelpunkt der Familie bildende und alles bestimmende »Opa« war es auch, der entschied, welchen Vornamen das Kind bekommen sollte. Als er seine Enkelin in der Wiege sah und sich liebevoll über sie beugte, erklärte Goethe kategorisch: »Alma soll sie heißen!« Der Wunsch des Patriarchen war Befehl, und selbstverständlich fand dann auch die Taufe des Kindes in Goethes Salon am Weimarer Frauenplan statt, wobei sich »die geladenen Herren in Hofuniform einfanden, um während der Taufhandlung Hut und Degen abzulegen«. Die Taufe, bei der Alma noch drei weitere Vornamen – Sedina, Henriette und Cornelia – erhielt, nahm der evangelische Generalsuperintendent vor.

       Ottilie von Goethe, 1796–1872, Goethes Schwiegertochter

      Die Ehe ihrer Eltern war denkbar schlecht. Während der unter dem väterlichen Genie leidende August dem Alkohol zusprach und viele Abende in zwielichtigen Weimarer Kaschemmen zubrachte, litt die ehrgeizige Ottilie – immer den berühmten Schwiegervater vor Augen – unter der Bedeutungslosigkeit ihres Mannes. Ständig mit neuen Liebschaften beschäftigt, hatte sie ihr ausgeprägt erotisches Temperament zweifellos von ihrer Mutter Henriette geb. Gräfin Henckel von Donnersmarck geerbt, die sich in jungen Jahren schon von ihrem Mann getrennt hatte. Henriette weihte ihre Tochter, damals ziemlich ungewöhnlich, frühzeitig in ihre zahlreichen Affären ein und wurde ihr dabei ganz offensichtlich zum Vorbild.

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       »Alma soll sie heißen«: Johann Wolfgang von Goethe und seine Enkelin

      Ottilie von Goethe wird als kleine, graziöse Person mit leuchtenden Augen beschrieben, die eine starke Anziehung auf Männer ausübte und diese auch leidlich zu nützen wusste.

       Johann Wolfgang von Goethe, 1749–1832, Dichter

      Da sie zudem anmutig und scharfsinnig war, wurde die Schwiegertochter auch vom alten Goethe verehrt, in dessen Haus sie mit Ehemann und Tochter lebte. Ottilie kam oft aus ihrer Mansardenwohnung in den Wohntrakt des Dichters, den sie liebevoll »Vater« nannte, um sich mit ihm in geistvollen Gesprächen auszutauschen. Goethe schätzte Esprit und Schlagfertigkeit der quirligen jungen Frau, der er schnell sein Herz schenkte. Eine Mischung aus Salondame und ausgelassener Boheme, nahm sie bald auch die Stellung der ersten Dame im Haus des seit 1816 verwitweten Dichters und Universalgelehrten ein und versuchte mit Klugheit und Takt alles Unangenehme von ihm fernzuhalten. Bisweilen zerstreute sie den vergötterten Schwiegervater mit Musik und


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