Seewölfe - Piraten der Weltmeere 653. Jan J. Moreno

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 653 - Jan J. Moreno


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erstarrt. Viele Schründe und düster gähnende Höhlen durchzogen das Gestein. Licht und Schatten taten das ihre, um menschliche Augen zu narren und sie Bewegung sehen zu lassen, wo in Wirklichkeit keine war. Der Wall des erloschenen Kraters schien von unheimlichem Leben erfüllt. Ein stetes Knistern und Knacken lag in der Luft, hin und wieder lösten sich Steine und kullerten die Hänge hinunter.

      Hasard fuhr sich mit der Hand über die Augen. Der Reflex im Eingang einer kleinen Höhle, gerade hundertfünfzig Yard entfernt, blieb. Auch Philip wurde jetzt darauf aufmerksam.

      „Da sitzt einer!“ flüsterte er.

      Sie wichen von ihrem Pfad ab und huschten unter Ausnutzung jeder Deckungsmöglichkeit weiter. Der metallische Reflex vervielfältigte sich und blendete vorübergehend.

      „Das ist ein Spanier“, sagte Hasard erschrocken.

      Sein Bruder bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick. Aber schon Augenblicke später änderte er seine Meinung. Die Sonnenstrahlen fielen inzwischen ein klein wenig steiler ein und ließen tatsächlich die Umrisse eines Brustpanzers erkennen, wie er von spanischen Seesoldaten getragen wurde.

      „Verdammt!“ entfuhr es Philipp. „Das hat uns zu unserem Pech noch gefehlt.“

      Der Brustpanzer lehnte allerdings nur an der Wand. Weit und breit war kein Don zu sehen.

      Nachdem sie eine Weile scharf beobachtet hatten, sagte Philip: „Da lebt niemand mehr.“

      „Und wenn es eine Falle ist? Du kennst die Olivenfresser so gut wie ich.“

      Philip nickte knapp. Denkbar war alles. Trotzdem konnten sie nicht mehr zurück, selbst wenn sich herausstellte, daß sie einer Übermacht gegenüberstanden. Aber daran glaubte Philip ebensowenig wie sein Zwillingsbruder.

      Von beiden Seiten näherten sie sich der Höhle. Hasard hielt die Schaufel so, daß er jederzeit mit ihr zuschlagen konnte, und Philip war bereit, das Tauende mit den eingespleißten Steinen mit aller Kraft zu schleudern.

      Aber letztlich erwies sich alle Vorsicht als unnötig. Niemand war da, der ihnen hätte gefährlich werden können. Sie ließen ihre provisorischen Waffen sinken und grinsten sich an.

      Unmittelbar neben dem Höhleneingang lehnte tatsächlich ein spanischer Brustpanzer – ein verbeultes Ding, das noch einige blanke Stellen aufwies.

      Philip deutete in die Höhle, die sich in Düsternis verlor. Nach dem gleißenden Sonnenschein draußen gewöhnten sich ihre Augen nur langsam an das Halbdunkel.

      Gut zwanzig Schritt weit erstreckte sich die Höhlung noch in den Fels. Dort, am äußersten Ende, wartete der Spanier auf die Zwillinge.

      Er wartete schon ziemlich lange.

      Ratten und anderes Getier flohen pfeifend vor den sich nähernden Schritten. Leere Augenhöhlen starrten den beiden jungen Seewölfen entgegen, das bleiche Grinsen eines Totenschädels empfing sie.

      Viel war nicht von dem Spanier übrig. Die Ratten hatten das Skelett auseinandergerissen und die Knochen, ebenso wie die modernden Kleidungsfetzen, ringsum verstreut. Lediglich den halbkugelförmigen Helm mit dem wulstig geschwungenen Rand hatten sie nicht von den Schädelknochen lösen können. Auch an der Muskete, die neben dem Toten lag, hatten sich ihre spitzen Nagezähne vergeblich versucht.

      Hasard musterte die Reste des Skeletts.

      „Wie mag er gestorben sein?“ fragte er. „Verhungert oder verdurstet ist er keinesfalls.“

      „Der Kerl hat sich erschossen“, behauptete Philip. Er bückte sich nach dem Totenschädel, dessen Stirn ein mächtiges Loch aufwies, als hätte jemand mit dem Hammer zugeschlagen. Die Ratten waren dafür bestimmt nicht verantwortlich, zumal die Rückseite des Schädels ein noch größeres Loch aufwies. „Die Muskete ist leer, jede Wette darauf.“

      Philip hatte recht, die langläufige Steinschloßwaffe wies noch Rückstände verbrannten Pulvers auf. Niemand hatte sie nach dem letzten Schuß gereinigt.

      Leider fanden die Zwillinge weder Kugeln noch Pulver. Hasard nahm die Muskete dennoch an sich – man konnte nie wissen, zu was selbst eine ungeladene Waffe eines Tages gut sein konnte. Bislang hatten sie außer ihren Messern ohnehin nur zwei Pistolen und fast keine Munition – Pulverflaschen und Kugelbeutel waren während der Sturmfahrt über Bord gegangen.

      Hasard nahm den Helm und setzte ihn sich auf den Kopf. Die Hurratüte paßte wie angegossen. Das mulmige Gefühl, das ihn prompt beschlich, ignorierte er.

      „Jetzt noch den Brustpanzer“, sagte Philip. „Dann ist der Don perfekt.“

      Hasard widersprach nicht. Was konnten sie auf der Insel schon anderes tun, als die Zeit totzuschlagen? Nun, da sie ihre Bedenken, vielleicht doch nicht allein zu sein, getrost wieder über Bord werfen konnten, schwand auch die innere Anspannung.

      „Es wird Zeit, daß wir dem Wrack einen Besuch abstatten“, sagte Philip. „Möglich, daß das Logbuch noch existiert.“

      Seit sie die gestrandete Karavelle entdeckt hatten, spielten sie mit dem Gedanken, das Schiff aufzusuchen. Aber sie hatten weder ein Segel noch Riemen. Also mußten sie versuchen, aus Treibholz brauchbare Riemenblätter herzustellen. Nur war eben bislang vieles andere wichtiger gewesen.

      Während Philip ihm den Brustpanzer umschnallte, sagte Hasard: „Angenommen, einige Dons konnten sich auf die Insel retten. Wieder angenommen, sie starben entweder an Verletzungen oder an einer Krankheit, dann hat der letzte Überlebende sie begraben und seinem Leben schließlich selbst ein gewaltsames Ende gesetzt. Wer weiß, womöglich hat er die Einsamkeit nicht ertragen. Es gibt viele Möglichkeiten.“

      „Fertig!“ sagte Philip. „Du solltest dich sehen können, Bruderherz. Old Donegal wird die Augen aufreißen und sich nicht mehr einkriegen, wenn du so aufkreuzt.“

      „Gönnen wir ihm den Schreck!“

      Noch ahnten die Zwillinge nicht, wie sehr sie sich irrten. Die Ziegen waren ihnen im Moment nicht mehr wichtig. Es würde weder einen Sonntagskäse noch einen Sonntagsbraten geben, aber vielleicht begnügte sich der Admiral ja auch mit den üblichen Kokosnüssen, mit Mais und Muscheln.

      Ein schmaler, gewundener Pfad führte über den Kraterrand. Beiderseits aufragende Felsen versperrten sogar die Sicht aufs Meer.

      Hasard, der unter Helm und Brustpanzer zu schwitzen begann, ging vorweg. Philip folgte ihm mit einigen Schritten Abstand.

      Keiner von beiden war auf den Angriff aus dem Hinterhalt vorbereitet. Hasard brachte nicht mal mehr abwehrend die Arme hoch, als jäh ein Knüppel auf ihn niedersauste. Der mörderische Hieb traf seinen Schädel und trieb ihm den Helm über die Augen. Für die Dauer eines Augenblicks glaubte er, im Innern einer heftig dröhnenden Glocke zu stehen, dann schwanden seine Sinne, und er tauchte hinab in die Schwärze einer vollkommenen Ohnmacht.

      Philip lag in dem Moment schon bäuchlings hinter einem dickblättrigen Strauch und zermarterte sich den Kopf, wie den spanischen Kerlen beizukommen sei. Wahrscheinlich waren sie ebenfalls nur zu zweit, sonst hätten sie nicht nötig gehabt, in Deckung zu bleiben.

      Er schleuderte eine Handvoll kleiner Steine über den Pfad weg auf die andere Seite. Aber keine Reaktion erfolgte, kein Schuß fiel. Das bestärkte ihn in seiner Annahme.

      „Gebt euch geschlagen!“ rief er auf spanisch. „Dann schonen wir euer Leben!“

      Eine deftige, undeutliche Verwünschung war die Antwort: „Schert euch zum Teufel, ihr Scheißkerle!“

      Auf allen vieren kroch Philip über den rauhen Boden. Noch einmal warf er mehrere Steine, um die Dons von sich abzulenken. Falls sie auf diesen uralten Trick hereinfielen, boten sie ihm Gelegenheit, sich eine bessere Position zu verschaffen.

      Schwer atmend lag er schließlich auf einer nach Norden überhängenden Felsplatte. Unter ihm lauerten die Spanier, sie hatten ihn nicht bemerkt.

      Nicht mehr als drei Yard betrug der Höhenunterschied. Philip wirbelte den Tampen mit den eingespleißten Steinen


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