Der schwarze Mustang. Karl May

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Der schwarze Mustang - Karl May


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      „So hat man Sie dort als Deutschen an der Nase geführt. Was haben Sie dann angefangen?“

      „Ich wendete mich nach St. Louis, wo ich bei Mr. Henry, dem Erfinder des berühmten fünfundzwanzigschüssigen Henrystutzens, Arbeit nehmen und so viel wie möglich von seiner Kunst lernen und profitieren wollte, kam aber in der Stadt Napoleon am Arkansas und Mississippi in die Gesellschaft einiger Präriejäger, denen ich als Büchsenmacher recht war. Sie ließen mich nicht weiter und veranlassten mich, mit ihnen nach den Felsenbergen zu gehen. So bin ich ein Westmann geworden.“

      „Und sind Sie zufrieden mit diesem Wechsel?“

      „Ja. Lieber freilich wäre es mir, wenn ich meine hunderttausend Taler erwischt hätte und in dulci jubilo leben könnte, so wie Timpes Erben.“

      „Hm! Das kann vielleicht noch werden.“

      „Schwerlich! Mir ist später auch der Gedanke gekommen, dass der alte Josef Habakuk doch so reich gewesen und sein Neffe Nahum Samuel mit dem Geld entwichen sein könne. Ich habe nach ihm gesucht, mehrere Jahre lang, doch vergebens, wie ich Ihnen schon sagte.“

      „Ich auch, und ebenso vergebens, doch nur bis vor kurzer Zeit, denn nun habe ich seine Spur.“

      „Sei – ne – Spur? Wie – wa – wirk – lich?“, rief Kasimir, während er so schnell von seinem Sitz aufsprang, dass die Anwesenden aufmerksam wurden und ihre Blicke auf ihn richteten.

      „Still, ruhig!“, warnte Hasael. „Man darf sich nicht so bald aufregen lassen. Ich habe aus ganz untrüglicher Quelle gehört, dass ein gewisser Nahum Samuel Timpe, früher Büchsenmacher und nun ungeheuer reich, jetzt in Santa Fe wohnt.“

      „In Santa Fe da drüben? Da müssen wir hin, unverzüglich hin, wir beide, Sie und ich!“

      „Bin damit einverstanden, Vetter. Es war natürlich meine Absicht, ihn aufzusuchen und zur Herausgabe des Geldes nebst Zinsen zu zwingen. Dass dies schwer, sehr schwer sein wird, habe ich mir nicht verhehlt, und darum freut es mich, Sie getroffen zu haben, denn zweien muss es leichter werden. Wir treten in einer solchen Weise vor ihn hin, dass er vor Schreck seine Schandtat eingesteht und das Geld augenblicklich aufzählt. Wir sind Westmänner und drohen ihm mit dem Gesetz der Prärie. Nicht?“

      „Selbstverständlich, ganz und gar selbstverständlich!“, stimmte Kasimir höchst eifrig bei. „Welch ein Glück, dass ich Sie getroffen habe, Sie – Sie – Sie? Ist es nicht eine Dummheit, Vetter, uns Sie zu nennen, da wir so nahe Verwandte und Schicksalsgenossen sind?“

      „Kommt mir auch so vor.“

      „Also Brüderschaft machen, du sagen, nicht wahr?“

      „Mir recht. Hier ist meine Hand; schlag ein! Wir füllen die Gläser wieder und leeren sie auf unser Wohl und auf das Gelingen unseres Vorhabens. Da, stoß an!“

      „Prosit, Vetter, oder vielmehr: Prosit, lieber Hasael!“

      „Prosit! Aber Hasael? Weißt du, man ist in den Staaten möglichst kurz, besonders mit den Namen. Man sagt Jim, Tim, Ben und Bob und spricht nicht alle Silben aus, wenn eine einzige genügt. Mein Vater sagte stets Has anstatt Hasael und ich habe mich daran gewöhnt. Mach du es ebenso!“

      „Has? Hm! Dann müsstest du zu mir auch Kas sagen anstatt Kasimir?“

      „Warum nicht?“

      „Klingt das nicht sehr dumm?“

      „Dumm? Unsinn! Es klingt, sage ich dir; mir gefällt es, und wie es andern klingen mag, das ist mir gleichgültig. Also nochmals prosit, lieber Kas!“

      „Prosit, lieber Has! Aufs Wohl von Kas und Has, den neuesten Erben Timpes!“

      Sie stießen still begeistert und nur leise ihre Gläser zusammen, um nicht die Aufmerksamkeit der andern Zecher auf sich zu ziehen. Dann meinte der dunkelköpfige Has: „Also auf nach Santa Fe! Aber das ist nicht so leicht und schnell ausgeführt, denn wir werden zu einem weiten Umweg gezwungen sein.“

      „Warum?“, fragte der semmelblonde Kas.

      „Weil wir durch das Gebiet der Komantschen müssten, wenn wir den kürzesten Weg einschlagen wollten.“

      „Ich hörte doch nicht, dass diese Roten jetzt das Kriegsbeil ausgegraben haben!“

      „Ich auch nicht; aber die Indsmen sind selbst im tiefsten Frieden kriegerisch und stets den Bleichgesichtern feind. Zudem traf ich gestern mit einem Pedlar[4] zusammen, der von ihnen kam. Du weißt, dass die Indsmen einem Pedlar fast niemals etwas Böses tun, weil sie ihn notwendig brauchen. Der sagte mir, dass der große Kriegshäuptling Tokvi Kava[5] jetzt nicht bei seinem Stamme sei, sondern sich mit einigen seiner besten Krieger entfernt habe, ohne zu sagen, wohin.“

      „Tokvi Kava, der Jägerschinder? Das lässt allerdings vermuten, dass er wieder auf eine seiner Grausamkeiten sinnt. Ich fürchte mich wahrlich vor keinem Roten, aber sei man noch so mutig, besser ist es immer, einem solchen Burschen gar nicht zu begegnen. Darum schlage ich vor, lieber den Umweg zu machen und eine Woche später in Santa Fe anzukommen. Unser Nahum Samuel wird uns wohl nicht grad jetzt zum zweiten Mal davonlaufen.“

      „Und wenn er liefe, wir haben seine Spur und würden ihn gewiss...“

      Er wurde unterbrochen, denn der Engineer kam zurück und brachte noch zwei Männer mit. Kas und Has hatten im Eifer ihres Gesprächs das wiederholte Pfeifen einer Lokomotive überhört. Der Arbeitszug war angekommen, der Engineer hatte ihn abgefertigt und wurde nun bei der Rückkehr von seinem Aufseher und dem Magazinverwalter begleitet. Er nickte den beiden Westmännern grüßend zu und dann setzten sich die drei zu dem Mestizen an den für ‚Beamte und höhere Gentlemen‘ bestimmten Tisch. Sie ließen sich auch Grog geben und dann erkundigte sich der Mischling:

      „Nun, Sir, sind Zeitungen angekommen?“

      „Nein“, antwortete der Engineer, „die werden morgen erst eintreffen; aber Nachrichten habe ich erhalten.“

      „Gute?“

      „Leider nicht. Wir werden von jetzt an sehr wachsam sein müssen.“

      „Warum?“

      „Es sind in der Nähe der Rückstation Spuren von Indianern gesehen worden.“

      Es war, als ob die halb unter den Lidern verborgenen Augen des Mischlings boshaft aufleuchteten, doch klang seine Stimme ganz gelassen, als er sagte:

      „Das ist doch kein Grund, ungewöhnlich wachsam zu sein!“

      „Ich denke doch!“

      „Pshaw! Kein Stamm hat jetzt den Tomahawk des Krieges ausgegraben, und wenn es wäre, so darf man von einigen Fußstapfen nicht gleich auf Feinde schließen.“

      „Freunde lassen sich sehen. Wer sich versteckt hält, der hat keine guten Absichten; das kann ich mir sagen, obgleich ich kein Scout und Westmann bin. Nun, Ihr seid ja ein tüchtiger Pfadfinder und in dieser Gegend bekannt; ich habe Euch angestellt, dass Ihr die Umgebung wachsam durchstreift.“

      Durch die geschmeidige Gestalt und über das Gesicht des Mestizen ging ein leises Zucken, als ob er zornig auffahren wollte, doch beherrschte er sich wieder und antwortete in ruhigem Ton: „Ich werde es tun, Sir, obgleich ich weiß, dass es nicht nötig ist. Indianerspuren haben nur zur Kriegszeit böse Bedeutung. Und noch eins: Die Roten sind oft bessere und treuere Menschen als die Weißen.“

      „Diese Ansicht macht Eurer Menschenliebe alle Ehre, aber ich könnte Euch mit vielen Beispielen beweisen, dass Ihr im Irrtum seid.“

      „Und ich mit noch mehreren, dass ich Recht habe. Ist jemals ein Mensch treuer gewesen, als Winnetou zu Old Shatterhand ist?“

      „Winnetou ist eine Ausnahme. Kennt Ihr ihn?“

      „Gesehen habe ich ihn noch nicht.“

      „Oder Old Shatterhand?“

      „Auch noch nicht; aber alle ihre Taten


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