Verdammt magisch. Regina Mars

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Verdammt magisch - Regina Mars


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Krafft.

      2. Gunnar Krafft

      Gunnar Krafft. Der Magier der tausend Klingen. Die Legende, nach der dieser Platz benannt worden war. Ihr Lebensretter, der Held von Wørringen. Normans Held.

      Brenna und Tore hielten ebenfalls die Luft an, als er auf abgewetzten Stiefeln die Bühne betrat. Ein Raunen ging durch die Menge, dann war es plötzlich totenstill. Ein leiser Windstoß ließ Gunnar Kraffts goldgelben Umhang flattern. Trotz des edlen Stoffs, der nagelneuen Uniform und der blitzenden Orden wirkte er, als käme er gerade vom Schlachtfeld. Sein Dreitagebart war total männlich, unter den Klamotten spannten sich bemerkenswerte Muskeln und die Augenklappe, die sein rechtes Auge bedeckte, ließ ihn verwegen und mutig aussehen. Als er lächelte, funkelten die weißen Zähne im wettergegerbten Gesicht. Norman hörte ein paar Damen seufzen. Ein paar hundert. Er biss sich auf die Lippen, um nicht mitzumachen.

      Gunnar Krafft breitete die Arme aus.

      »Willkommen!« Seine Stimme dröhnte über den Platz, als wäre sie durch ein Mikrofon verstärkt. War sie aber nicht. Das hatte der Magier der tausend Klingen nicht nötig. »Schön, dass ihr da seid. Willkommen beim hundertelften Erweckungsfest des Arkanen Instituts!«

      Zwei Männer und zwei Frauen rannten auf die Tribüne. Auf ihren Uniformen prangten lila Bänder und ein gesticktes »K«. K für Katalysator.

      »Es geht los!«, flüsterte Norman. Er konnte den Blick nicht von Gunnar Krafft lassen. Dessen dunkle Haare wehten im Wind, als er entspannt stehenblieb, während die Katalysatoren sich links und rechts von ihm aufstellten, je ein paar Fußlängen voneinander entfernt. Sie hoben die Hände in die Luft. Lilafarbene Magie flackerte auf und umgab ihre Körper wie ein grobmaschiges Flechtwerk.

      Eine Trompete erklang. Dann noch eine. Links und rechts von der Tribüne marschierte das Orchester hinauf. Ein blondes Mädchen begann zu singen, hell und dramatisch. Die Streicher setzten ein, dann die Flöten, dann der Chor, immer lauter schwoll die Musik an und dann … schritt Gunnar Krafft vorwärts.

      Beiläufig berührte er die hochgestreckte Hand des ersten Katalysators. Gelbes Licht blitzte. Wie eine Feuerschlange wirbelte goldene Energie um Gunnars Körper, bis sie ihn bedeckte wie ein Netz. Ein sich stetig bewegendes, windendes Netz. Gunnars Augen strahlten. Feuer glänzte darin und tauchte sein Gesicht in einen warmen Schein.

      Er stieß mit dem Zeigefinger in die Luft, als wollte er auf den Himmel zeigen. Licht schoss aus seiner Fingerspitze. Die Menge schrie auf. Ein einziger Schrei aus zweitausend Kehlen. Selbst Norman riss es aus dem Sitz.

      Das Licht wurde zu einem Feuerdämon, der sich räkelte. Einem gigantischen Dämon. Ein Flammenwesen mit fünf Hörnern, einem runzlig-fiesen Fuchsgesicht und acht hageren Armen, die in abartig langen Messerklauen endeten. So hoch wie das Arkane Institut schwebte er in der Luft, brüllend und sich streckend, als wäre er aus dem Schlaf gerissen worden. Seine Wärme strich über Normans Nasenspitze. Er roch Schwefel und spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Eine Hand packte seinen Arm. Tore oder Brenna. Keine Ahnung. Er konnte die Augen nicht von der Tribüne lassen.

      Der Dämon riss sein Maul auf, holte tief Luft und spuckte Feuer über ihre Köpfe hinweg. Ein Flammenteppich bedeckte den Himmel. Einen Moment lang. Dann verpuffte er zu nichts. Der Dämon war verschwunden.

      Gunnar Krafft grinste sie von der Tribüne aus an, als wüsste er genau, dass er sie vom Hocker gehauen hatte. Das goldene Netz um seinen Körper war erloschen.

      Applaus brandete auf.

      »Gunnar!!!«, brüllten alle zweitausend Versammelten. »Gunnar!!!«

      Der Lärm war trommelfellzerfetzend. Norman johlte mit allem, was seine Lungen hergaben.

      Gunnar Krafft klatschte die Hand des zweiten Katalysators ab. Licht prickelte zwischen ihnen und dann war sein Körper wieder von einem goldgelben Magienetz umhüllt.

      »So schnell«, krakeelte Tore durch den allgemeinen Jubel. »So schnell nimmt keiner Magie auf …«

      Ein Windhauch strich über sie. Eiskalt kitzelte er Normans Kopfhaut. Es war Gunnar. Er hatte nur eine sanfte Streichbewegung mit den Armen gemacht und die Luft bewegte sich bis nach ganz hinten.

      »Wollt ihr mehr?«, rief er.

      Die Menge brüllte zustimmend.

      »Jaaa!«, schrie Norman und sprang auf. »Jaaaa!!!«

      Ein Windstoß schleuderte ihn rückwärts. Fast wäre die Bank gekippt, als er darauf zurückfiel. Aber nur fast. Gunnar konnte seine Kraft genau einschätzen, weil er der verdammt Größte war!

      »Wollt ihr mehr?«, fragte Gunnar erneut und sein Lächeln war so strahlend, dass es wehtat.

      »Jaaaaa!!!«

      Gunnar zuckte mit den Achseln. »Na gut. Ihr habt es so gewollt.«

      Er drehte sich elegant um sich selbst und hob ab. Inmitten eines Wirbelsturms, der seine Haare und den Umhang wild flattern ließ, schwebte er empor. Zehn Meter hoch. Hinter ihm hob sich das gigantische Banner, langsam wie ein greiser Bulle. Es flog in seinem Rücken, als wäre es ein Teil seines Umhangs.

      Seufzer aus der Menge. Gunnar sah so heldenhaft aus. Genau so wollte Norman auch sein, genau so.

      »Irgendwann bin ich wie er«, flüsterte er.

      »Vergiss es«, sagte Brenna. »Der ist voll der Hübsche und du siehst aus wie Mettwurst.«

      Er gab ihr einen Knuff in die Rippen.

      »Weiß ich doch. Aber ich werde trotzdem wie er. So mächtig.«

      Gunnar senkte sich wieder auf die Erde herab, umgeben vom Geschrei seiner Anhänger. Das Netz aus Magie verblasste langsam. Das Banner schmiegte sich an die Gebäudefront, als wäre nichts gewesen.

      Gunnar legte den Kopf schief und sah die Menge herausfordernd an. Einen Moment lang glaubte Norman, dass er nur ihn anblickte.

      »Und jetzt?«, fragte er, als ob er wirklich nicht wüsste, was sie alle von ihm sehen wollten.

      »Tausend Klingen!«, brüllten Norman und all die anderen. »Tausend Klingen!«

      Ein Lächeln breitete sich auf Gunnars Lippen aus. Ein wunderschönes Lächeln. Normans Herz setzte einen Schlag aus. Und dann hob Gunnar die Hände, alle beide, und berührte die Finger der letzten beiden Katalysatoren gleichzeitig. Er reckte sie hoch über seinen Kopf.

      Norman hielt die Luft an.

      Gunnars Hände sausten herunter. Pfeilschnell. Aus seinen gestreckten Fingern schossen Eiskristalle. Unendlich viele, lang und spitz wie Dolche. Sie glitzerten im Sonnenlicht, als sie wie ein silbriger Fischschwarm über ihre Scheitel hinwegsausten. So schnell, dass man sie mit einem Blinzeln verpasst hätte.

      Norman drehte sich zu langsam um, aber er hörte die Einschläge. Tausend Eisklingen bohrten sich in die hohe Holzwand am Ende des Platzes.

      »Scheiße«, flüsterte er. »War die die ganze Zeit schon da?«

      »Ja klar«, sagte Brenna. »Hast du die nicht gesehen, oder was?«

      Norman schüttelte fassungslos den Kopf. Die Holzwand ging bis zum dritten Stock des Gebäudes dahinter. Jemand hatte drei Lavamonster darauf gemalt. Ihre gigantischen Krallen schienen auf das Publikum zu zeigen. Tausend Eissplitter steckten in ihren sich windenden Leibern.

      »Hammer«, flüsterte Norman.

      Um ihn herum brandete der Jubel auf, aber er schaffte es nicht, mitzumachen. Sein ganzer Körper war mit Gänsehaut bedeckt. Er konnte die Augen nicht von den verdampfenden Eisklingen lassen. Ein paar ragten aus den Augen der Monster, und als sie sich auflösten, sah es aus, als würden die Viecher weinen.

      Das würde er sein. Das würde er bald können. Er spürte es in den kribbelnden Fingerspitzen. Wie es sich wohl anfühlte, wenn die Magie herausschoss? Wie fühlte man sich, wenn man knochenschmelzende Feuerstürme erschaffen konnte?


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