Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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an. »Sie ist ja frei­lich hüb­scher und fri­scher«, dach­te er. Dann fiel sein Blick auf sei­ne Frau, die fand er auch nicht übel, ob­gleich er ge­gen sie eine zähe, ver­steck­te und grim­mi­ge Wut hat­te. Aber Frau Wal­ter reiz­te ihn durch die Schwie­rig­kei­ten der Erobe­rung und durch die Ab­wechs­lung, die Män­ner im­mer lie­ben und be­geh­ren.

      Sie woll­te früh­zei­tig nach Hau­se.

      »Ich wer­de Sie be­glei­ten«, sag­te er.

      Sie wei­ger­te sich, aber er be­stand dar­auf.

      »Wa­rum wol­len Sie nicht. Sie ver­let­zen mich tief. Ich muss doch an­neh­men, dass Sie mir nicht ver­zei­hen wol­len. Sie se­hen, wie ru­hig ich bin.«

      »Sie kön­nen Ihre Gäs­te nicht so im Stich las­sen«, er­wi­der­te sie.

      Er lä­chel­te:

      »Ach was, in zwan­zig Mi­nu­ten bin ich wie­der da. Kein Mensch wird es mer­ken. Wenn Sie nein sa­gen, ver­let­zen Sie mich bis ins Tiefs­te mei­nes Her­zens.«

      »Gut, ich bin ein­ver­stan­den«, mur­mel­te sie.

      Kaum wa­ren sie im Wa­gen, da er­griff er ihre Hän­de und küss­te sie lei­den­schaft­lich.

      »Ich lie­be Sie, ich lie­be Sie. Las­sen Sie es mich Ih­nen sa­gen. Ich rüh­re Sie nicht an. Ich will nur im­mer­fort wie­der­ho­len, dass ich Sie lie­be.«

      Sie stam­mel­te:

      »Oh, … nach­dem Sie mir ver­spro­chen ha­ben — Das ist nicht recht … Das ist schlecht von Ih­nen.«

      Er tat, als müs­se er sich mit Ge­walt be­herr­schen; dann fuhr er mit ver­hal­te­ner Stim­me fort:

      »Se­hen Sie, wie ich mich be­herr­sche. Und doch … las­sen Sie mich nur das eine sa­gen … Ich lie­be Sie … las­sen Sie mich es Ih­nen täg­lich wie­der­ho­len … ja, gön­nen Sie mir täg­lich einen Be­such von fünf Mi­nu­ten … las­sen Sie mich auf den Kni­en Ih­nen die­se Wor­te wie­der­ho­len und Ihr ge­lieb­tes Ant­litz be­wun­dern …«

      Sie hat­te ihm ihre Hand ge­las­sen und wie­der­hol­te schwerat­mend:

      »Nein, ich kann nicht, ich will nicht. Den­ken Sie doch, was man sa­gen wird, den­ken Sie an die Dienst­bo­ten, an mei­ne Töch­ter, Nein, es ist aus­ge­schlos­sen.«

      Er fuhr fort:

      »Ich kann nicht ohne Sie le­ben. Ob bei Ih­nen oder wo an­ders — ich muss Sie se­hen, und wenn es täg­lich nur eine Mi­nu­te wäre, da­mit ich Ihre Hand be­rüh­re, den Duft Ihres Klei­des ein­at­me, die Li­nie Ihres Kör­pers und Ihre großen schö­nen Au­gen, die mich wahn­sin­nig ma­chen, be­trach­ten kann.«

      Sie hör­te die ba­na­len Lie­bes­phra­sen an, beb­te am gan­zen Kör­per und stam­mel­te:

      »Nein … nein, es ist un­mög­lich, schwei­gen Sie!«

      Er flüs­ter­te ihr ganz lei­se ins Ohr, denn er hat­te be­grif­fen, dass er die­se un­kom­pli­zier­te Frau nur all­mäh­lich er­obern konn­te, dass er sie be­stim­men muss­te, ihm ein Ren­dez­vous zu ge­ben, zu­nächst, wo sie woll­te und dann, wo er woll­te.

      »Hö­ren Sie mich,« sag­te er, »es muss sein … ich wer­de Sie se­hen … ich wer­de auf Sie vor Ih­rer Tür war­ten … wie ein Bett­ler … ich gehe hin­auf … aber ich wer­de Sie se­hen … ich muss Sie se­hen … mor­gen.«

      Sie wie­der­hol­te:

      »Nein, nein, kom­men Sie nicht. Ich wer­de Sie nicht: emp­fan­gen. Sie müs­sen an mei­ne Töch­ter den­ken.«

      »Dann sa­gen Sie mir, wo ich Sie tref­fen kann. … auf der Stra­ße … wo es auch sei … zu je­der Zeit: … wann Sie wol­len … nur dass ich Sie se­hen darf … Ich wer­de Sie be­grü­ßen und Ih­nen sa­gen: ›Ich lie­be Sie’, und wer­de ge­hen.«

      Sie zö­ger­te, wuss­te nicht, was sie tun soll­te. Und da der Wa­gen schon vor ih­rer Tür hielt, mur­mel­te sie sehr schnell:

      »Ich wer­de mor­gen um halb vier in die Tri­nité-Kir­che kom­men.«

      Dann stieg sie aus und be­fahl dem Kut­scher:

      »Fah­ren Sie Herrn Du Roy nach Hau­se.«

      Als er zu­rück­kam, frag­te ihn sei­ne Frau: »Wo warst du denn so lan­ge?«

      »Ich muss­te ein wich­ti­ges Te­le­gramm auf­ge­ben«, ant­wor­te­te er lei­se.

      Ma­da­me von Ma­rel­le trat auf ihn zu.

      »Wer­den Sie mich nach Hau­se brin­gen, Bel-Ami«, frag­te sie: »Sie wis­sen, dass ich nur un­ter die­ser Be­din­gung so weit vom Hau­se Ein­la­dun­gen zum Di­ner an­neh­me!«

      Dann wand­te sie sich an Ma­de­lei­ne.

      »Du bist doch nicht ei­fer­süch­tig?«

      »Nein, nicht die Spur«, ant­wor­te­te Frau Du Roy lang­sam.

      Die Gäs­te bra­chen auf, Frau Lar­oche-Ma­thieu sah wie ein klei­nes Pro­vinz­mä­del aus. Sie war die Toch­ter ei­nes No­tars und hei­ra­te­te Lar­oche, als er noch ein un­be­deu­ten­der Rechts­an­walt war. Frau Ris­so­lin war alt und prä­ten­ti­ös und mach­te den Ein­druck ei­ner al­ten Heb­am­me, de­ren Bil­dung aus ei­ner Leih­bi­blio­thek stamm­te. Die Vi­com­tes­se de Per­ce­mur schi­en alle An­we­sen­den zu ver­ach­ten, und sehr un­gern be­rühr­ten ihre »Samt­pföt­chen« die­se ge­mei­nen Ple­be­jer­hän­de.

      Clo­til­de, in einen Spit­zen­schal gehüllt, sag­te beim Hin­aus­ge­hen zu Ma­de­lei­ne:

      »Dein Di­ner ist fa­bel­haft ge­lun­gen. Du wirst bald den bes­ten po­li­ti­schen Sa­lon in Pa­ris ha­ben.«

      Als sie mit Ge­or­ges al­lein war, um­arm­te sie ihn und sag­te:

      »Du, mein lie­ber Bel-Ami, von Tag zu Tag lie­be ich dich mehr.«

      Der Wa­gen schau­kel­te wie ein Boot. »Un­ser Zim­mer ist doch viel schö­ner«, sag­te sie. »O ja«, ant­wor­te­te er, aber er dach­te da­bei an Frau Wal­ter.

      IV.

      Der Platz vor der Tri­nité-Kir­che lag men­schen­leer in der glü­hen­den. Ju­li­son­ne. Eine drücken­de Hit­ze las­te­te über Pa­ris, als wenn die schwe­re Luft von dort oben ver­brannt und auf die Stadt her­ab­ge­fal­len wäre; es war eine di­cke, schwü­le; und ver­sen­gen­de Luft, die den Lun­gen weh tat.

      Das Was­ser im Spring­brun­nen rie­sel­te läs­sig her­ab. Es schi­en er­mat­tet vom Sprin­gen, schlaff und müde, und das Was­ser in dem Bas­sin, in dem Blät­ter und Pa­pier­fet­zen her­um­schwam­men, sah blau­grün, schwer und trü­be aus. Ein Hund, der auf den stei­ner­nen Rand ge­sprun­gen war, ba­de­te in die­ser ver­däch­ti­gen Flüs­sig­keit. Ein paar Men­schen, die auf den Bän­ken in den An­la­gen her­umsa­ßen, blick­ten voll Neid auf das Tier.

      Du Roy zog sei­ne Uhr. Es war erst drei Uhr; er hat­te noch eine hal­be Stun­de Zeit. Er muss­te la­chen, wenn er an die­ses Ren­dez­vous dach­te: »Die Kir­chen die­nen zu al­lem mög­li­chen,« sag­te er sich, »sie trös­ten sie dar­über, einen Ju­den ge­hei­ra­tet zu ha­ben, ge­ben ihr eine op­po­si­tio­nel­le Hal­tung in der Po­li­tik, eine pas­sen­de Stel­lung in der vor­neh­men Welt und ein Ob­dach für ga­lan­te Aben­teu­er. Es ist näm­lich die Ge­wohn­heit,


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