Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.du, ich möchte die Wohnung in der Rue de Constantinople von jetzt an auf meine eigene Rechnung nehmen. Ich will es. Das geht nicht, dass du sie weiter bezahlst.«
In einer Anwandlung von Bewunderung küsste sie ihm nun die Hand und flüsterte:
»Tue so, wie du willst. Mir genügt, dass ich sie für unser Wiedersehen bewahrt habe.«
Und Du Roy verließ sie, das Herz voller Befriedigung.
Er ging an einem Schaufenster eines Fotografen vorüber, und das Bild einer stattlichen Dame mit großen Augen erinnerte ihn an Frau Walter. »Eigentlich ist sie noch gar nicht so übel,« sagte er sich, »wie kommt es, dass mir noch nie etwas aufgefallen ist? Ich bin neugierig, wie sie mich Donnerstag empfangen wird.«
Er rieb sich die Hände und ging freudestrahlend weiter. Er empfand Freude des allseitigen Erfolges; die egoistische Freude des geschickten Mannes, dem alles gelingt, und die zärtliche Freude der befriedigten Eitelkeit und Sinnlichkeit, wie sie durch Frauenliebe erregt wird.
Als der Donnerstag kam, fragte er Madeleine:
»Gehst du nicht zum Preisfechten bei Rival?«
»O nein, das macht mir wenig Vergnügen. Ich gehe in die Abgeordnetenkammer.«
Es war herrliches Wetter, er nahm deshalb einen offenen Landauer und fuhr, Frau Walter abzuholen. Er war überrascht, als er sie erblickte; so schön und jung fand er sie. Sie hatte ein helles, leicht ausgeschnittenes Sommerkleid an und unter dem gelben Spitzeneinsatz sah er die vollen Rundungen der Brüste. Noch nie hatte sie so frisch ausgesehen und er hielt sie wirklich für begehrenswert. Sie bewahrte eine stille und vornehme Haltung, eine gewisse mütterliche Ruhe, durch die sie den frivolen Blicken der Männer zumeist nicht auffiel. Alles, was sie sagte, war etwas mehr oder minder Bekanntes, Konventionelles und nie übertrieben. Ihr Ideenkreis war wohl klassifiziert und geordnet und fern von jeglicher Art der Ausschreitung.
Ihre Tochter Suzanne war ganz in Rosa gekleidet und glich einem aufgefrischten Watteaubild, während ihre ältere Schwester wie eine Erzieherin aussah, die dieses reizende Püppchen beaufsichtigen musste.
Vor Rivals Wohnung stand eine Wagenreihe. Du Roy bot Frau Walter den Arm und sie gingen hinein.
Das Preisfechten wurde zum Besten der Waisenkinder des 6. Pariser Stadtbezirks veranstaltet unter dem Patronat aller Senatoren- und Deputiertenfrauen, die zur Vie Française Beziehungen hatten.
Frau Walter hatte versprochen, mit ihren Töchtern hinzukommen, lehnte es aber ab, Patronatsdame zu sein, da sie mit ihrem Namen nur die von der Kirche angeregten Wohltätigkeitsveranstaltungen unterstütze; nicht etwa aus übermäßiger Frömmigkeit, sondern weil ihre Ehe mit einem Juden sie, wie sie glaubte, zu einer gewissen religiösen Haltung zwang. Und das von dem Journalisten veranstaltete Fest trug einen republikanischen Anstrich, der womöglich antiklerikal ausgelegt werden konnte.
Seit drei Wochen stand in den Zeitungen aller Parteirichtungen zu lesen: »Unser berühmter Kollege Jacques Rival hat den vortrefflichen und großherzigen Plan gefasst, zugunsten der Waisenkinder des 6. Stadtbezirks von Paris ein großes Schaufechten in seinem hübschen Fechtsaal, der zu seiner Junggesellenwohnung gehört, zu veranstalten; die Einladungen erfolgen durch Madame Laloigne, Madame Remontel und Madame Rissolin, die Gattinnen der Senatoren gleichen Namens, sowie durch die Gattinnen der bekannten Abgeordneten: Madame Laroche-Mathieu, Madame Percerol und Madame Firmin. Während der Pause wird eine Sammlung veranstaltet und der Ertrag unmittelbar dem Maire des 6. Stadtbezirks oder dessen Vertreter ausgehändigt werden.« — Es war eine Riesenreklame, die der Journalist für sich und seinen Vorteil inszeniert hatte.
Jacques Rival empfing die Gäste am Eingang seiner Wohnung, wo ein Büfett eingerichtet war, dessen Kosten von den Einnahmen abgezogen werden sollten. Mit liebenswürdiger Handbewegung zeigte er auf die Treppe, die zum Keller führte. Da hatte er einen Fecht- und Schießraum eingerichtet. Er sagte:
»Hinunter, meine Damen, bitte, hinunter. Das Fechten wird im Keller stattfinden.« Er eilte der Frau seines Chefs entgegen, dann drückte er Du Roy die Hand und sagte:
»Guten Tag, Bel-Ami!«
»Wer hat Ihnen gesagt, dass …?« fragte dieser erstaunt.
»Madame Walter, die diesen Namen sehr nett findet«, antwortete Rival, ohne ihn ausreden zu lassen.
»Ja,« sagte Frau Walter errötend, »ich gestehe, dass, wenn ich Sie näher gekannt hätte, dann würde ich Sie wie die kleine Laurine auch ›Bel-Ami‹ nennen. Der Name passt sehr gut zu Ihnen.«
Du Roy lachte: »Aber ich bitte Sie, Frau Walter, tun Sie das.«
»Nein, dazu sind wir nicht genug befreundet«, sagte sie sehr leise.
»Wollen Sie mir die Hoffnung geben, dass wir in Zukunft es sein werden?« fragte er.
»Wir werden sehen«, antwortete sie.
Am Eingang zum Keller trat er zur Seite. Die schmale Treppe war mit Gas beleuchtet und der krasse Übergang vom Tageslicht zu diesem gelblichen Schein hatte etwas Düsteres. Ein Kellergeruch stieg die Wendeltreppe hinauf, ein Geruch von erwärmter Feuchtigkeit, von verschimmelten Wänden, die für diesen Tag abgewischt waren; ein Duft nach Weihrauch, Frauen, Lubin, Verveine und Veilchen.
Man vernahm viele Stimmen durch dieses Loch, das Wogen einer erregten Menge. Der Keller war von Gaslampen und venezianischen Laternen erleuchtet, die zwischen den Blättern versteckt waren, mit denen man die Wände ausgeschmückt hatte. Man sah nichts wie grüne Äste. Die Decke war mit Farnkraut geschmückt, der Boden mit Blumen und Blättern bestreut. Man fand diese Einrichtung entzückend. Im kleinen Keller im Hintergrunde war die Bühne für die Fechter eingerichtet, von beiden Seiten standen zwei Reihen Stühle für die Preisrichter. Im ganzen Keller waren Bänke aufgestellt, die im ganzen zweihundert Personen aufnehmen konnten. Eingeladen waren vierhundert.
Vor dem Podium standen schlanke junge Leute im Fechtkostüm mit langen Gliedern, hochgedrehten Schnurrbärten und posierten vor den Zuschauern. Man nannte sie beim Namen und zeigte auf die Fechtmeister und Amateure, auf die Berühmtheiten des Fechtsportes. Um sie herum standen jüngere und ältere Herren in schwarzen Gehröcken und plauderten mit den Fechtern. Auch sie wollten gesehen, erkannt und bemerkt werden; das waren die Fürsten der edlen Fechtkunst