Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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nah­men einen of­fe­nen Wa­gen und fuh­ren über die Champs Elysée nach dem Bois de Bou­lo­gne. Es war eine wind­stil­le Nacht, eine von die­sen schwü­len Näch­ten, wo die über­hei­ße Luft von Pa­ris wie Back­ofenglut in die Brust dringt. Ein Heer von Drosch­ken führ­te ein gan­zes Volk von ver­lieb­ten Pär­chen spa­zie­ren. Ein Wa­gen folg­te dicht auf den an­de­ren.

      Ge­or­ges und Ma­de­lei­ne amü­sier­ten sich, alle die­se Pär­chen zu be­ob­ach­ten, die an ih­nen vor­bei­fuh­ren, die Frau­en in hel­len Som­mer­klei­dern, die Män­ner meist in dunklen An­zü­gen. Es war ein Rie­sen­strom von Ver­lieb­ten, der un­ter dem hei­ßen Ster­nen­him­mel nach dem Bois zog. Man hör­te nur das dump­fe Rol­len der Rä­der. Und in je­der Drosch­ke saß im­mer wie­der ein Lie­bes­paar lang hin­ge­streckt auf den Pols­tern, stumm und zärt­lich an­ein­an­der ge­schmiegt, glü­hend vor Be­gier­de und lei­den­schaft­lich in Er­war­tung der be­vor­ste­hen­den Umar­mung. Die war­me Nacht schi­en von Küs­sen und Lie­be durch­tränkt zu sein. Eine zärt­li­che Sinn­lich­keit schweb­te in der Luft und mach­te die­se noch schwü­ler und drücken­der. Alle die­se Paa­re, von den glei­chen Ge­dan­ken und Ge­füh­len ein­ge­nom­men, von dem Ver­lan­gen be­rauscht, schie­nen eine glü­hen­de Lei­den­schaft von sich aus­zu­strah­len. Alle die­se Wa­gen, von Lie­be be­la­den, über de­nen Lieb­ko­sun­gen zu flat­tern schie­nen, streu­ten auf die Vor­über­fah­ren­den eine Art sinn­li­ches Flui­dum aus. Und Ge­or­ges und Ma­de­lei­ne fühl­ten sich von der Zärt­lich­keit, die in der Luft her­um­schweb­te, an­ge­steckt und rück­ten nä­her zu­ein­an­der, ohne ein Wort zu sa­gen, et­was be­drückt durch die schwü­le Luft und die in ih­nen er­wa­chen­de Er­re­gung.

      Als sie hin­ter den Be­fes­ti­gun­gen an ei­ner Kur­ve vor­bei­fuh­ren, küss­ten sie sich und sie stam­mel­te et­was ver­wirrt:

      »Wir sind ge­nau so kin­disch wie in Rou­en.«

      Als sie in den Wald hin­ein­fuh­ren, hat­te sich der große Wa­gen­strom et­was zer­schla­gen. Auf dem Wege um die Seen, den das jun­ge Paar ein­schlug, fuh­ren die Drosch­ken in grö­ße­ren Ab­stän­den von­ein­an­der, aber der dich­te Schat­ten der Bäu­me, die et­was küh­le­re Luft, die un­ter dem wei­ten Ster­nen­him­mel durch das Grün der Blät­ter und durch klei­ne Bäch­lein, die un­ter den Baum­zwei­gen rie­sel­ten, er­frischt wur­de, ver­lieh den Küs­sen der hier spa­zie­ren­fah­ren­den Pär­chen einen lei­den­schaft­li­che­ren und ge­heim­nis­vol­le­ren Reiz. Ge­or­ges press­te sei­ne Frau an sich und flüs­ter­te:

      »O mei­ne klei­ne Made«

      Sie sag­te: »Ent­sinnst du dich des Wal­des bei dir auf dem Lan­de? Wie es dort un­heim­lich war. Es schi­en mir, als wäre er voll von schreck­lich wil­den Tie­ren und als ob er kein Ende hät­te. Hier da­ge­gen ist es ent­zückend. Ich füh­le das lieb­ko­sen­de Fä­cheln des Win­des, und ich weiß ge­nau, dass am an­de­ren Ende Sèvres liegt.«

      »Oh,« er­wi­der­te er, »im Wal­de bei mir auf dem Lan­de gibt es nur Hir­sche und Füch­se, Rehe und zu­wei­len auch Wild­schwei­ne und hier und da die Hüt­te ei­nes Förs­ters.« Förs­ter — Fo­res­tier — die­ser Name des To­ten, der sei­nem Mun­de ent­quoll, über­rasch­te ihn, als ob er aus dem dunklen, ge­heim­nis­vol­len Dickicht käme, und er stock­te, er­grif­fen von je­ner boh­ren­den, un­be­greif­li­chen Ei­fer­sucht, die ihn seit ei­ni­ger Zeit plag­te.

      Nach ei­ner mi­nu­ten­lan­gen Pau­se frag­te er:

      »Bist du auch mit Charles hier öf­ter her­aus­ge­fah­ren?«

      »Ja, sehr oft.«

      Auf ein­mal hat­te er Lust nach Hau­se um­zu­keh­ren, es war ein Ver­lan­gen, das ihm das Herz be­drück­te, aber Fo­res­tiers Bild war in sei­nem Geis­te wie­der le­ben­dig und er konn­te nur noch an ihn den­ken und von ihm re­den. Er frag­te mit bos­haf­ter Stim­me:

      »Sag’ doch, Made?«

      »Was ist’s, mein Lieb­ling?«

      »Hast du die­sen ar­men Charles be­tro­gen?«

      Sie er­wi­der­te ver­ächt­lich:

      »Du bist zu dumm mit dei­nem ab­ge­schmack­ten Zeug.«

      Doch er ließ nicht nach:

      »Sag’ doch, mei­ne lie­be Made, sei auf­rich­tig und ge­steh’ es, du hast ihn be­tro­gen? Ge­ste­he, dass du ihn be­tro­gen hast!«

      Sie schwieg, wie alle Frau­en, et­was ver­letzt durch sei­ne Wor­te. Er fuhr ei­gen­sin­nig fort:

      »Don­ner­wet­ter, wenn je­mand dazu ge­schaf­fen war, Hör­ner zu tra­gen, dann war er es. O ja, be­stimmt. Es hät­te mir so rie­si­gen Spaß ge­macht, zu er­fah­ren, dass man dem ar­men Fo­res­tier Hör­ner auf­ge­setzt hat­te. Was für ein blö­der Schafs­kopf war er doch!«

      Er merk­te, dass sie lä­chel­te, viel­leicht über ei­ni­ge Erin­ne­run­gen aus den ver­gan­ge­nen Zei­ten; er drang im­mer mehr in sie.

      »Sag’ doch! Was ist denn da­bei? Es wäre doch so ko­misch, wenn du ge­ra­de mir ge­stün­dest, dass du ihn be­tro­gen hast.«

      Er zit­ter­te tat­säch­lich in der Hoff­nung und dem Ver­lan­gen, dass sie den Charles, die­sen ver­hass­ten Charles, den ver­wünsch­ten To­ten, so lä­cher­lich und schmach­voll be­tro­gen hät­te und doch … doch sta­chel­te eine an­de­re ver­wor­re­ne und un­be­stimm­te Emp­fin­dung sei­ne Neu­gier­de an. Er wie­der­hol­te:

      »Made, mei­ne klei­ne Made, ich bit­te dich, sag’ es mir l Er hat­te es doch wirk­lich ver­dient, und es wäre recht dumm von dir ge­we­sen, ihm kei­ne Hör­ner auf­zu­set­zen.«

      Sein hart­nä­cki­ges Bit­ten mach­te ihr jetzt of­fen­bar Spaß, denn sie lach­te ein paar­mal kurz und lei­se auf. Er hielt sei­ne Lip­pen ganz dicht an das Ohr sei­ner Frau:

      »Nun bit­te, gib es doch zu.«

      Mit ei­ner kur­z­en Be­we­gung riss sie sich los und sag­te schroff:

      »Du bist zu dumm, man ant­wor­tet nicht auf sol­che Fra­gen.« Sie sag­te es in ei­nem so selt­sa­men Tone, dass ein Käl­te­schau­er ihm durch die Adern rann. Er blieb be­trof­fen, stumm und atem­los sit­zen, als hät­te ihn in­ner­lich ein Schlag ge­trof­fen.

      Die Drosch­ke fuhr jetzt an dem See ent­lang, in dem sich der Him­mel und die Ster­ne ab­spie­gel­ten. Zwei Schwä­ne schwam­men lang­sam auf dem Was­ser und wa­ren im Dun­kel kaum zu se­hen. Ge­or­ges rief dem Kut­scher zu: »Um­keh­ren!« Und der Wa­gen dreh­te um und fuhr an den an­de­ren vor­bei, die im Schritt da­her ka­men und de­ren La­ter­nen wie große Au­gen durch die Nacht leuch­te­ten. »Wie selt­sam hat­te sie das ge­sagt.« Frag­te sich Du Roy: »War das ein Ge­ständ­nis?« Und die fast si­che­re Ge­wiss­heit, dass sie ih­ren ers­ten Mann hin­ter­gan­gen hat­te, mach­te ihn jetzt ra­send vor Wut.

      Er hat­te Lust, sie zu schla­gen, zu wür­gen und an den Haa­ren zu rei­ßen. Oh, wenn sie ihm geant­wor­tet hät­te: »Mein Lieb­ling, hät­te ich ihn be­trü­gen wol­len, so hät­te ich es doch mit dir ge­tan.« Wie hät­te er sie dann um­armt, an sich ge­presst und an­ge­be­tet. Un­be­weg­lich mit ge­kreuz­ten Ar­men saß er jetzt da und hielt die Au­gen zum Him­mel ge­rich­tet. Er war zu auf­ge­regt, um den­ken zu kön­nen. Er fühl­te nur den Zorn und den Hass in sich wach­sen, der im Her­zen ei­nes je­den Man­nes ge­gen­über der lau­ni­schen Be­gier­de der Frau er­wacht. Er fühl­te


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