Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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frag­te sie lei­se.

      Ich konn­te mich aber nicht ent­sch­lies­sen. Da klei­de­te sie sich schleu­nigst an und ging fort.

      Acht Tage ver­stri­chen, ohne dass ich sie zu se­hen be­kam. Am neun­ten er­schi­en sie wie­der, blieb mit erns­ter Mie­ne auf der Schwel­le ste­hen und frag­te:

      »Willst Du die­se Nacht bei mirr in mei­nen Arrr­men rru­hen? Kommst Du nicht, so war ich zum letz­ten Male hier.«

      Acht Tage, lie­ber Freund, ist eine lan­ge Zeit, und in Afri­ka kom­men sie ei­nem wie ein Mo­nat vor.

      »Ja!« rief ich, die Arme öff­nend, in die sie sich mit ei­nem Freu­den­schrei stürz­te.

      Als die Nacht her­ein­ge­bro­chen war, war­te­te sie in ei­ner be­nach­bar­ten Stras­se auf mich und ge­lei­te­te mich zu ih­rem Heim.

      Sie be­wohn­ten in der Nähe des Ha­fens ein klei­nes nied­ri­ges Haus. Wir durch­schrit­ten zu­erst eine Kü­che, die zu­gleich als Spei­se­zim­mer diente, und ge­lang­ten dann in ein weiß­ge­tünch­tes sau­be­res Ge­mach mit Fo­to­gra­fi­en der Ver­wand­ten an den Wän­den und Pa­pier­blu­men un­ter Glas­glo­cken. Mar­ro­ca schi­en vor Freu­de när­risch ge­wor­den zu sein.

      »Jetzt bist Du hier, jetzt bist Du zu Hau­se!« rief sie, im Zim­mer um­her­tan­zend, ein über das an­de­re Mal aus.

      Und ich tat wirk­lich, als ob ich zu Hau­se wäre. An­fangs war ich et­was ver­le­gen, das muss ich ge­ste­hen, ja so­gar et­was ängst­lich. Als ich zö­ger­te, in die­ser frem­den Woh­nung mich ei­nes ge­wis­sen Klei­dungs­stückes zu ent­le­di­gen, ohne dass ein Mann, wenn er über­rascht wird, eben­so lin­kisch wie lä­cher­lich er­scheint und zu je­der Hand­lungs­wei­se un­fä­hig wird, ent­riss sie es mir mit Ge­walt und trug es mit mei­nen an­de­ren Sa­chen in das be­nach­bar­te Ge­mach.

      End­lich fand ich mei­ne Si­cher­heit wie­der und such­te ihr dies nach Kräf­ten und so gut zu be­wei­sen, dass wir nach Ver­lauf von zwei Stun­den noch nicht an Ruhe dach­ten, als plötz­lich lau­te Schlä­ge ge­gen die Türe uns er­zit­tern Hes­sen.

      »Ich bin’s, Mar­ro­ca!« rief eine star­ke männ­li­che Stim­me.

      »Mein Mann! Schnell, ver­birg Dich un­term Bett!« flüs­ter­te sie, in die Höhe fah­rend. Ganz ver­wirrt such­te ich nach mei­nen Bein­klei­dern, aber sie dräng­te mich: »Geh doch, geh doch!«

      Ich streck­te mich der Län­ge nach auf dem Bau­che aus und lag nun laut­los un­ter die­sem Bet­te, auf wel­chem es mir so wohl ge­we­sen war.

      Sie schlüpf­te in die Kü­che. Ich hör­te, wie sie einen Schrank öff­ne­te, ihn wie­der schloss und ir­gen­det­was her­bei­brach­te, das ich nicht se­hen konn­te, das sie aber schnell ir­gend wo­hin leg­te; dann, als ihr Mann un­ge­dul­dig wur­de, ant­wor­te­te sie mit fes­ter ru­hi­ger Stim­me: »Ich fin­de die Streich­höl­zerrr nicht.«

      »Ah, jetzt habe ich sie«, rief sie dann plötz­lich, »ich öff­ne schon.« Und sie ging hin­aus.

      Ihr Mann kam her­ein. Ich sah nur sei­ne Füs­se, zwei enor­me Füs­se. Wenn das Üb­ri­ge dazu im Ver­hält­nis stand, so müss­te es ein wah­rer Hüne sein.

      Ich hör­te Küs­se, dann einen Patsch auf die blos­se Haut und La­chen.

      »Ich habe mei­ne Bör­se ver­ges­sen«, sag­te er mit Mar­seil­ler Ak­zent, »des­halb muss­te ich um­keh­ren. Hof­fent­lich kannst Du nach­her ru­hig schla­fen.«

      Er be­gab sich an die Kom­mo­de und such­te lan­ge, was ihm fehl­te, wäh­rend Mar­ro­ca sich auf ihr Bett warf, als käme sie vor Mü­dig­keit um. Hier­auf ging er wie­der zu ihr hin und ver­such­te zwei­fel­los sei­ne Zärt­lich­keit an ihr, denn sie über­häuf­te ihn in wir­ren Re­dens­ar­ten mit ei­ner Flut von rol­len­den »r«.

      Ihre Füs­se wa­ren mir so nahe, dass mich ein tö­rich­tes, sinn­lo­ses und un­er­klär­li­ches Ver­lan­gen er­griff, sie lei­se zu strei­cheln. Glück­li­cher­wei­se konn­te ich mich noch be­herr­schen.

      Er schi­en sei­nen Zweck üb­ri­gens nicht zu er­rei­chen, denn er wur­de är­ger­lich und sag­te:

      »Du bist sehr un­lie­bens­wür­dig heu­te.« Aber schliess­lich muss­te er ge­hen. »Adieu Klei­ne.«

      Ein neu­er Kuss, die großen Füs­se wand­ten sich fort und ver­schwan­den in der Kü­che. Die Hau­stü­re schloss sich wie­der.

      Ich war er­löst!

      Lang­sam, be­schämt und nie­der­ge­schla­gen ver­liess ich mein Ver­steck; und wäh­rend Mar­ro­ca, im­mer noch ganz un­be­klei­det, laut la­chend und mit den Hän­den klat­schend um mich her­um­tanz­te, ließ ich mich schwer­fäl­lig auf einen Stuhl fal­len. Aber mit ei­nem Sat­ze sprang ich wie­der in die Höhe; et­was Kal­tes lag un­ter mir, und da ich nicht mehr an hat­te, als mei­ne Ge­fähr­tin, so war mir die­se Berüh­rung sehr emp­find­lich ge­we­sen.

      Als ich mich um­wand­te, sah ich, dass ich mich auf ein klei­nes Beil ge­setzt hat­te, scharf wie eine Mes­ser­klin­ge, wie man es zum Holz­spal­ten ge­braucht. Wie war es da­hin ge­kom­men? Beim Ein­tre­ten hat­te ich es noch nicht be­merkt.

      Mar­ro­ca sah mei­nen er­staun­ten Blick und lach­te über­laut, sie schrie vor Ver­gnü­gen, wäh­rend sie sich vor La­chen die Sei­ten hielt.

      Ich fand die­ses La­chen sehr we­nig am Plat­ze; es är­ger­te mich or­dent­lich. Wir hat­ten doch ein­fach um un­ser Le­ben ge­spielt; es über­lief mich noch kalt, wenn ich dar­an dach­te. Und nun die­ses fast be­lei­di­gen­de La­chen!

      »Wenn Dein Mann mich nun aber ent­deckt hät­te?« frag­te ich.

      »Kei­ne Not«, ant­wor­te­te sie kurz.

      »Was, kei­ne Not?« Sie ist när­risch ge­wor­den, dach­te ich. »Er brauch­te sich doch nur zu bücken, um mich zu be­mer­ken!«

      Sie lach­te nicht mehr; sie lä­chel­te nur noch, in­dem sie mich mit ih­ren großen star­ren Au­gen an­sah, in de­nen neue Be­gehr­lich­keit auf­flamm­te.

      »Er hät­te sich nicht ge­bückt.«

      »Aber er­lau­be ’mal«, fuhr ich fort, »er brauch­te z. B. nur sei­nen Hut fal­len zu las­sen. Er hät­te ihn doch si­cher auf­ge­ho­ben, und dann … mir wäre es nett ge­gan­gen in die­sem Ko­stüm da.«

      Sie leg­te ihre run­den kräf­ti­gen Arme auf mei­ne Schul­tern, und ihre Stim­me mäs­si­gend, als woll­te sie sa­gen, »ich bete Dich an«, mur­mel­te sie lei­se:

      »Errr hät­te sich nicht wie­derr auf­gerr­rich­tet.«

      »Wie­so denn?« frag­te ich ver­ständ­nis­los.

      Sie zwin­ker­te bos­haft mit ei­nem Auge und streck­te ihre Hand nach dem Stuh­le aus, auf dem ich sass. Ihre ge­krümm­ten Fin­ger, die Fal­ten auf ih­ren Wan­gen, die spit­zen glän­zen­den Raub­tier­zäh­ne, das al­les zeig­te mir schon, wozu das klei­ne Holz­beil die­nen soll­te, des­sen schar­fe Schnei­de im Lich­te glänz­te.

      Sie tat, als ob sie es er­grif­fe, zog mich mit der lin­ken Hand ganz nahe an sich her­an, press­te ihre Hüf­te an die mei­ni­ge und führ­te mit der rech­ten eine Be­we­gung aus, wie wenn man ei­nem kni­en­den Men­schen den Kopf spal­tet …

      *


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