Ellenbogenfreiheit. Daniel C. Dennett

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Ellenbogenfreiheit - Daniel C. Dennett


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und andere bezüglich des Determinismus und der Fähigkeit, „anders handeln zu können“, machen. Es ist einfach nicht von Bedeutung, ob Sie unter exakt denselben Bedingungen immer dasselbe tun würden oder nicht, und diejenigen, die darauf beharren, dass es sehr bedeutsam sei (dass es, kurz gesagt, wichtig sei, ob unsere Welt deterministisch oder indeterministisch ist), schulden uns allen ein Argument dafür, warum das so ist. Wir führen unser Leben voller Hoffnung und Strebsamkeit, Freude und Bedauern, Lob und Tadel. Was am Indeterminismus würde irgendetwas davon gestatten, und was am Determinismus würde irgendetwas davon untergraben? Ich warte immer noch auf eine überzeugende Antwort auf diese Herausforderung.

      Ich beginne Ellenbogenfreiheit mit der Ermahnung „Bitte keine Schreckgespenster“ und hebe damit hervor, dass Philosophen dazu neigen, sich düstere Szenarien auszumalen, um ihre Positionen über den freien Willen zu „motivieren“: den gebieterischen Puppenspieler, den ruchlosen Neurochirurgen, das unglaublich schrumpfende Selbst und vieles andere. Die Panikmache ist zumeist ungerechtfertigt, was an den übersehenen Unterschieden zwischen unseren Umständen und den in jenen fürchterlichen Szenarien beschriebenen liegt. Meine Mahnung hat sicherlich ihr Ziel nicht erreicht. In den letzten Jahren sind neue Wellen von Neurochirurgen und Puppenspielern sowie verschwindenden Selbsten ersonnen worden, um die Argumente zu (miss)illustrieren. Vielleicht vermag diese Neuauflage von Ellenbogenfreiheit die Rolle einer Kontrollleuchte zu spielen. Sie kann den Werbern „neuer“ Perspektiven auf dieses Thema anzeigen, dass ihre Ideen nicht nur alte Hüte sind, sondern bereits widerlegte alte Hüte. Wie dem auch sei, ich bin gespannt, ob mein Buch neue Leser von seinen zentralen Schlussfolgerungen überzeugen kann, nun, da wir so viel mehr erhellendes Wissen über die darin diskutierten Themen angehäuft haben.

      Literaturangaben

      Dennett, D. (2010). „My Brain Made Me Do It: When Neuroscientists Think They Can Do Philosophy“, Max Weber Lecture Series, Europäisches Universitätsinstitut Florenz, unveröffentlichtes Manuskript.

      Dennett, D. (2012). „Reflections on Free Will“, Free Press; seit Januar 2014 auch online unter: www.naturalism.org.

      Taylor, C. und D. Dennett (2002). „Who’s Afraid of Determinism? Rethinking Causes and Possibilities“, in: The Oxford Handbook of Free Will, hrsg. von R. Kane, Oxford, S. 257-277.

      Taylor, C. und D. Dennett (2010). „Who’s Still Afraid of Determinism? Rethinking Causes and Possibilities“, in: The Oxford Handbook of Free Will, hrsg. von R. Kane, 2. Aufl., Oxford, S. 221-241.

      Vor etwa 500 Jahren gab es eine bedeutsame Debatte zwischen Martin Luther und Desiderius Erasmus über Willensfreiheit. Luthers Text Assertio (Behauptung) von 1520 wurde erwidert von Erasmus’ Gespräch oder Unterredung über den freien Willen aus dem Jahre 1524, gefolgt wiederum von Luthers Vom unfreien Willen von 1525. Damals stand sie im Zentrum der intellektuellen Aufmerksamkeit in Europa, aber zu meiner Studienzeit gehörte sie nicht mehr zur Pflichtlektüre, und ich muss zugeben, im Laufe meiner Forschungen über den freien Willen habe ich sie nicht gelesen, bis vor kurzem, als ich eingeladen wurde, einen Aufsatz – diesen Aufsatz – über Erasmus zu schreiben. Für diese Einladung bin ich besonders dankbar, weil sie mir die Augen öffnete für einige unerwartete Parallelen zu einer Debatte zum selben Thema, in die ich zurzeit verwickelt bin und in der ich auf Erasmus’ Seite stehe, wenn auch unter ganz anderen Prämissen. Zu meiner Überraschung und Freude entdeckte ich, dass die Luther/Erasmus-Debatte, wenn ich sie mit einem halben Jahrtausend Abstand betrachte, meine Sicht auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen korrigiert und bereichert hat.


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