Anja, Petra und die Pferde. Lise Gast

Читать онлайн книгу.

Anja, Petra und die Pferde - Lise Gast


Скачать книгу
Kurt ist schon in Ordnung, soweit ein Nichtreiter das sein kann. Aber woher nehmen wir den Vierspänner?“

      Ja, das war ein Problem. Petra versank in Gedanken, während sie zwei Äpfel aus der Hosentasche grub. „Hier hast du einen. Ich kann am besten nachdenken, wenn ich esse.“ Sie warf Anja einen Apfel zu, die ihn geschickt auffing, und biß in den anderen. „Wir müssen mal richtig überlegen. Früher gab es keine Pferde – ich meine, in der Zeit, in der die Bauern anfingen, alles mit dem Trecker zu machen, und überall wurde gejammert: ‚Das Pferd muß bleiben!‘ Jetzt gibt es überall wieder welche, wenn auch keine Arbeitspferde. Um so besser. Wir wollen Cornelia ja auch nicht mit Hüh und Hott und Peitsche von riesigen Ackergäulen zur Kirche zerren lassen. Nein, elegant muß es aussehen, und alle Leute sollen Stielaugen machen, und die Presse muß da sein und klicken, oder auch das Fernsehen –“

      „– und wir auf dem Bock. Du kutschierst, und ich sitz’ neben dir, mit übereinandergeschlagenen Armen, wie beim Turnier, wenn die Zweispänner hereinfahren –“

      „Ja. Wunderbar! Nur – ob man uns die Pferde anvertraut? Geborgte, meine ich? Pferdebesitzer sind oft schwer davon zu überzeugen, daß man fahren kann –“

      „Kannst du denn? Ich meine: vierspännig?“ fragte Anja.

      „Eben nicht. Vielleicht kann man es bis dahin noch lernen!“

      „Bis – ja, wann heiraten sie denn? Kennst du das Datum?“

      „Nein, aber Vater sagte was von vier Wochen – er wußte nicht, daß ich zuhörte. Ist denn so was ein Geheimnis? Ich finde nicht.“

      „Ich auch nicht. Na, ich werd’ es schon ergründen. Du, da kommt der Wagen. Auf, los, erst mal an die Arbeit. Dort kommt auch Gero. Na, mit solch großer Hilfe –“

      Gero war klein, kleiner als die Kameraden seines Alters, ritt aber ordentlich. Man darf niemanden wegen seiner Körpermaße auslachen oder verspotten, das tat Petra auch nicht. Sie grüßte und kletterte dann die Leiter zum Heuboden hinauf, Gero und Anja hinterher. Und nun wurden Ballen aufeinandergesetzt. Das war schwere Arbeit, und die Kinder schwitzten und waren froh, als auch noch zwei erwachsene Reitvereinsmitglieder dazukamen. Herr Anders, der Pferdepfleger, reichte die Ballen durch die Luke hinauf. Keiner redete dabei, alle waren froh, genug Atem für die Arbeit zu haben. Ja, Reiterleben ist hart.

      Aber schön! Nicht nur das Reiten selbst, auch das Schuften für die Pferde. Als der Wagen leer war, fühlten sie sich zwar wie durch den Fleischwolf gedreht, so sagte Petra, aber sehr befriedigt.

      „Wir gehen noch nicht heim. Komm, ich lade dich zu einem Sprudel ein.“

      Sie liefen zur Baracke hinüber, zogen sich jeder einen Sprudel aus dem Automaten und setzten sich auf den Tisch, die Beine herunterbaumelnd. Oh, wie es zischte, wenn man trank, so durstig machte das Heueinräumen. Wirklich, wie im Hochsommer!

      „Aber jetzt weiß ich was!“ sagte Petra und stieß die Luft aus, nachdem sie die Flasche leergesogen hatte. „Jetzt ist mir was eingefallen! Vierspännig – ich weiß jemanden, der vierspännig fährt, wenigstens manchmal. Wenn auch nicht mit Pferden. Sondern –“ Sie sah Anja auffordernd an, als wäre sie die Lehrerin und Anja müßte antworten. „Mit –“

      „Mit Ziegenböcken etwa? Womit kann man denn fahren außer mit Pferden“, sagte Anja ärgerlich. „Los, raus damit!“

      Petra sah sie strafend an. „Nicht so vorwitzig! Deine Bildung ist recht lückenhaft! Man kann beispielsweise mit Kühen fahren, wenn das jetzt auch kaum mehr ein Bauer tut, oder –“

      „Mit Eseln?“

      „Ja, auch mit Eseln. Ich meine aber was anderes. Hast du schon mal das Wort Pony gehört?“

      „Pony? Kleine? Klar, aber das sind doch auch Pferde, und –“

      „Ja, natürlich. Quatsch beiseite, ich weiß einen Hof, wo es Ponys gibt. Gar nicht sehr weit von hier. Eine Ponyfarm. Wir sind den Leuten vor ein paar Jahren mal im Winter begegnet, als es viel Schnee gab. Vater fuhr uns im Wagen, denn wir suchten einen Hang, wo man Schilaufen üben konnte, einen Hang ohne Bäume für die ersten Anfänge. Mein Bruder war damals noch klein. Und da trafen wir einen Ponyschlitten. Eine junge Frau fuhr ihn, vierspännig. Der Mann und drei kleine Jungen saßen mit drin. So was Nettes! Die Ponys waren winzig, etwa so hoch –“ Sie maß vom Boden etwa einen Meter ab. „– zwei gescheckte und zwei schwarze. Dick bepelzt, Ponys leben auch im Winter im Freien, und da wächst ihnen ein dickes Fell. Und sie hatten einen wilden Busch über der Stirn und lange, lange Schweife. Die vier trugen rote Ledergeschirre, das sah toll aus. Auf den Rücken hatten sie ein Geläute, das herrlich klangvoll tönte. Nicht bimmelte, sondern tönte, im Dreiklang abgestimmt. Und die junge Frau hatte rote Backen und eine knallblaue Mütze auf dem Kopf und lachte uns zu, als wir winkten – ich wäre am liebsten aus dem Auto gesprungen und bei ihr mitgefahren, so gut gefiel mir das. Ich habe mich dann erkundigt, woher diese Leute stammen, und bekam es auch raus. Natürlich wollte ich sofort hin, um sie kennenzulernen. Vorsichtshalber rief ich an, aber da sagte mir jemand, es paßte jetzt nicht, ich sollte später noch mal nachfragen. Später war ich dann weg, in den Ferien, wie so was eben geht. Aber der Name fällt mir bestimmt wieder ein! Wir müssen einfach mit der Frau reden, Anja.“

      „Du, da fällt mir was ein.“ Anja machte große, nachdenkliche Augen. „Ich hab’ da neulich mal ein Bild in der Zeitung gesehen, das muß derselbe Schlitten gewesen sein. Darin saß aber ein Mann. Der brachte den Weihnachtsmann in die Stadt, auch mit einem Ponyschlitten, aber nur zweispännig. Vielleicht war das der Mann der jungen Frau. Meinst du nicht auch, daß das sein kann?“

      „Na sicher! So was gibt’s nicht oft. War der Schlitten rot? Ach so, in der Zeitung sieht man das ja nicht. Aber an den Ort erinnere ich mich jetzt wieder. Wir sehen mal im Telefonbuch nach.“

      „Aber –“ Anja starrte die Freundin an.

      „Was denn schon wieder für ein Aber?“ fragte Petra ärgerlich. „Immer hast du ein Aber, beinahe schon, als wärst du erwachsen. Die sehen doch auch überall nur Schwierigkeiten.“

      „Ich meine nur, wir haben doch keinen Schnee. Und Cornelia heiratet diesen Herbst –“

      „Schlaumeier! Wer einen Ponyschlitten hat, wird wohl auch einen Wagen haben. Eine Kutsche. Oder mehrere. Schnee ist ja, Gott sei’s geklagt, seit einiger Zeit Mangelware und wird nur wenige Wochen im Jahr gereicht. Das find’ ich schade, ich hab’ den Winter lieber als den Sommer. Da ist es bloß heiß, und die Fliegen plagen die Pferde, und –“

      „Ja, ich mag den Winter auch mehr. Und den Herbst. Den Herbst, wenn Jagden geritten werden. Ob wir dieses Jahr schon mitdürfen?“

      „Zur richtigen Jagd? Du bist bekloppt! Kannst froh sein, daß du voriges Frühjahr wenigstens so eine Art Jagd mitreiten durftest. Das war ein ganz großes Glück.“

      „Als du den Affen fingst –“

      „Richtig, ja. Du, den müssen wir wieder mal besuchen, ach, war der süß! Und Gero ist damals beinahe ertrunken. Wenn Cornelia nicht gewesen wäre –“ Sie saßen und schwatzten, Gero kam herein und gesellte sich zu ihnen. Sie vergaßen die Zeit über lauter Weißt-du-Nochs. Ach ja, nirgends war es so schön wie im Reitverein!

      Großer Spaß mit kleinen Pferden

      Sie hatten versprechen müssen, nicht die große Straße zu fahren, wo die Autos einander jagten und man nichts als Auspuffgase schluckte. Die Feldwege waren trocken und hart, und wenn man nicht in die ausgefahrenen Spuren kam, radelte es sich ganz gut. Einmal ging Petra zu Boden, als sie nicht aufpaßte – sie hatte einem Keil Wildgänse nachgesehen, der am Himmel entlangzog.

      „Meine älteste Schwester ist nach ihrem Abitur nach Schweden gefahren“, erzählte sie, als sie wieder auf dem Rad saß, „sie wollte etwas von der Welt sehen. ‚Folg der Vogelfluglinie!‘ riet ihr meine Mutter. ‚Das ist die schönste Tour, die man dort machen kann.‘ ‚Ach nein‘, jammerte Martina. Meine Mutter war erstaunt: ‚Warum denn nicht?‘ ‚Ach


Скачать книгу