Logotherapie und Existenzanalyse heute. Elisabeth Lukas

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Logotherapie und Existenzanalyse heute - Elisabeth Lukas


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noch paradiesischen Bedingungen fällt aus. Im Gegenteil: Die Zahlen der seelisch angeknacksten und Therapie benötigenden Personen in unserem Kulturkreis steigen. Die Zufriedenheit sinkt.

      Batthyány: … und das wirft zugleich die Frage auf: Woran mag das liegen und wie ist das möglich? Wie kann mitten im Wohlstand – und für viele Menschen auch mitten im Überfluss – und in so starkem Kontrast zu anderen, nämlich viel entbehrungsreicheren Zeiten und Landstrichen, Undankbarkeit so epidemisch werden?

      Lukas: Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich einfach zu alt und zu sehr Kriegskind, um das zu verstehen. Die einzige Erklärung, die mir dazu einfällt, ist, dass positive Lebensbedingungen als solche überhaupt erst erkannt werden müssen. Ich habe unzählige Patienten gehabt, die (zu Recht) unglücklich waren – aber gewiss auch eine nicht zählbare Schar an Patienten, die nicht wussten, dass sie glücklich waren bzw. glücklich hätten sein können. Sie waren nicht imstande, ihre Lebensumstände als milde und schonend zu taxieren. Sie hatten keine Ahnung, was ihnen in ihrer Vergangenheit erspart geblieben war. Sie hatten keinen Schimmer, wie prächtig ihre Zukunftsoptionen aussahen. Sie waren für all das Gute rund um ihre Person mit völliger Ignoranz geschlagen. Dann kamen sie daher und meckerten über Banalitäten …

      Ist diese Methode brutal? Ich möchte die Frage verneinen. Manchmal müssen Menschen bis in ihr Innerstes aufgerüttelt werden, um ihre Grundeinstellungen neu zu überdenken. Manchmal sind es auch Erschütterungen, die das Leben selbst ihnen verpasst, auf Grund derer sie ihre Haltung radikal revidieren. Im Prinzip muss es niemandem gut gehen. Nirgends in der ganzen belebten Natur ist verankert, dass Pflanzen, Tiere oder Menschen unbehelligt ihr Dasein fristen können. Dahinwelken und Schmerzempfinden sind allgegenwärtig. Der Tod lauert überall. Was uns davon wie lange erspart bleibt, ist pures Göttergeschenk. Das zu wissen, ist das größte Geschenk!

      In einer Industriegesellschaft wie der Unsrigen müssen wir höllisch aufpassen, Glück nicht mit dem Besitz von Konsumgütern zu verwechseln. Freilich will die Industrie die Waren, die sie erzeugt, verkaufen und muss zu diesem Zweck das Bedürfnis nach ihren Waren ständig anheizen. Zufriedene Menschen geben aus ihrer Sicht zu wenig Geld aus. Allerdings gäbe es dazu eine Sinn-Alternative, nämlich die Verwirklichung von „generalisierten Einstellungswerten“. Mit ihnen ist ja nicht nur eine „das Positive würdigende“ Einstellung gemeint, sondern auch eine samariterhafte Einstellung. Austeilen kann nur derjenige, der Besitztümer hat. Helfen kann nur derjenige, der Hilfsmittel hat. Letztlich bedeutet das Gutgehen nicht bloß Anlass zur Freude, sondern auch Anlass, sich um das Schlechtgehende zu kümmern.

      Zufriedene Menschen geben zu wenig Geld aus? Sie brauchen es „zu ihrem Glück“ nicht für überflüssige, dem Begehren einsuggerierte Waren auszugeben, daher könnten sie es für ihre Mitmenschen ausgeben, speziell für diejenigen, die weniger Grund zur Zufriedenheit haben. Frankl war weise, als er davon sprach, dass den „Einstellungswerten“ die Superiorität zukommt. Sie evozieren menschliche Höchstleistungen. Ergänzen möchte ich, dass auch die „generalisierten Einstellungswerte“ zu menschlichen Höchstleistungen einladen. In einer Welt, in der die jeweiligen Glückspilze den jeweiligen Unglücksraben liebevoll ihre Hände entgegenstrecken würden, ließe sich für alle gut leben.

      3. EINE STÄRKE DES MENSCHEN: ANDERE MENSCHEN

      Batthyány: Das ist ein wertvoller Denkanstoß. Im Grunde geht er nämlich einen erheblichen Schritt weiter als Frankls Glücksbestimmung: Nicht nur ist Glück, was einem erspart geblieben ist. Es birgt auch zusätzlich einen „gesonderten“ Auftrag zur Selbsttranszendenz, also zum Blick über den Tellerrand des eben nicht nur bedürftigen, sondern auch dankbaren, großzügigen, wohlwollenden und zum Teilen bereiten Ichs.

      Was Sie eben über generalisierte Einstellungswerte und die „samariterhafte Einstellung“ gesagt haben, kann man somit auch ausdehnen nicht nur auf zu teilende Güter, sondern auch für Fähigkeiten in Stellung bringen, die sich einsetzen lassen, um einander zu helfen, um füreinander da zu sein, und sich einzubringen. Das setzt nämlich erstens die Anerkennung der Bedürftigkeit des Menschen voraus (verschließt also nicht mehr die Augen vor dem Leiden oder den Nöten der Menschen), zweitens behält es aber auch den Wert der gegenseitigen Hilfsbereitschaft im Blick.

      Bildlich gesprochen: Der Blinde kann den Lahmen tragen und der Lahme den Blinden führen, und beide bezeugen damit ja viel mehr als nur die Fähigkeit des Menschen, ihre jeweiligen Schwächen zu kompensieren. Sie bezeugen damit eben auch, dass andere Menschen – und unsere Bereitschaft, unsere Fähigkeiten mit ihnen zu teilen und in den Dienst des anderen zu stellen – tatsächlich eine der größten Stärken des Menschen sind. Zweitens werden diese Fähigkeiten ja erst dann ihrer eigentlichen sinnvollen Bestimmung zugeführt – davor waren es ja bloß Möglichkeiten. Nun aber, im Einsatz für und mit etwas oder jemand, der oder das nicht wieder man selbst ist, werden sie sinnvoll genutzt und verwirklicht.

      Aber dieser Zusammenhang zeigt auch etwas noch Grundsätzlicheres über die Natur selbst. Man kann das auch philosophisch deuten und dann entfalten sich sehr schöne und tröstliche Implikationen für unser Welt- und Menschenbild: dass nämlich mit der Person, vor allem ihrem Potential zur Selbsttranszendenz, etwas in die Welt getreten ist, in dessen Hand sogar die Schwäche noch Zeugnis von Stärke werden kann.

      Um


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