Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher


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erhob sich ebenfalls.

      »Ich bring’ Sie noch.«

      Vor der Tür reichte er ihr die Hand.

      »Vielen Dank noch mal, daß Sie uns helfen.«

      »In erster Linie will ich mir helfen und mich von dem fürchterlichen Verdacht reinwaschen«, erwiderte sie und schaute ihn ernst an.

      Wolfgang hielt ihre Hand länger, als nötig. Sein Blick ruhte auf ihr, und eine warme Gefühlswelle ging durch seinen Körper.

      »Ich glaube dir, Maria«, sagte er leise. »Du bist keine Verbrecherin. Das weiß ich, seit ich dich näher kenne. Verzeih’ mir, daß ich es überhaupt annehmen konnte.«

      Er zuckte die Achseln.

      »Es steckt nun mal in mir«, setzte er hinzu. »Ich bin von Berufs wegen mißtrauisch.«

      Ihr Herz klopfte bis zum Hals hinauf, als er sie an sich zog und sanft küßte.

      Was um alles in der Welt machst du, dachte sie, gestern noch war ich für dich die Komplizin eines Millionenräubers, und heute küßt du mich?

      Aber es war ein herrlicher Kuß, süßer als jeder andere, den sie jemals empfangen hatte. Und Maria erwiderte ihn. Sie schlang ihre Arme um Wolfgangs Hals und drückte sich an ihn.

      Dann sahen sie sich stumm an.

      »Ich weiß net, ob es falsch oder richtig ist«, flüsterte er. »Aber ich konnt’ net anders. Seit gestern träume ich davon, dich in den Armen zu halten und zu küssen. Ich liebe dich, Maria. Auch, wenn’s vielleicht gegen jede Vernunft ist.«

      Sie antwortete nicht, sagte auch nichts, als er ihr zunickte und den Kiesweg hinunterging. Sie schaute ihm nur hinterher und lauschte auf ihr Inneres.

      *

      Thorsten Gebhard hatte seine Flucht genauestens vorbereitet. Dann hatten sich allerdings die Ereignisse überschlagen. Ursprünglich hatte er vorgehabt, ganz normal Urlaub zu nehmen und mit Maria auf die Bahamas zu fliegen. Erst dort wollte er ihr von den Überweisungen erzählen, die er nach und nach getätigt hatte.

      Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht damit, daß man ihm schon vor seiner Abreise auf die Spur kommen würde. Irgend jemand mußte mißtrauisch geworden sein und heimlich seine Transaktionen überprüft haben. Als ihm mitgeteilt wurde, daß in der nächsten Woche eine Revision anstünde, schrillten bei dem Finanzdirektor der »Hillmann AG« sämtliche Alarmsirenen. Deshalb mußte er schnellstens umdisponieren und schon an dem bewußten Freitag verschwinden.

      Dennoch gratulierte er sich zu seiner gelungenen Flucht. Wie die Polizei vermutete, war er tatsächlich in Rom aus dem Flugzeug gestiegen und mit einem Leihwagen, den er unter falschem Namen gemietet hatte, weitergefahren. Martin Becker nannte er sich jetzt, die Papiere hatte er sich schon vor geraumer Zeit besorgt, und sie hatten ihn eine schöne Stange Geld gekostet.

      Er vermutete immer noch, daß die Kripo glaubte, er wäre tatsächlich nach Südafrika geflohen, und lachte über die vermeintliche Dummheit der Beamten. Das Geld würden sie ohnehin nicht finden. Dank der Segnungen, die das moderne Medienzeitalter mit sich brachte, hatte Gebhard die Millionen mittels onlinebanking immer weiter transferiert, so daß sich jede Spur im endlosen Internet verlor.

      Über Südtirol gelangte er nach Österreich. Seine Absicht war es, auf irgendeinen Weg nach München zurückzukehren und mit Maria Kontakt aufzunehmen.

      Ein Risiko, gewiß. Aber er liebte sie nun einmal und konnte sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Schließlich hatte er das alles nur für sie getan.

      Davon, daß man ihn in dem oberösterreichischen Hotel erkannt hatte, ahnte er nichts. Inzwischen hatte Gebhard auch sein Äußeres verändert, das Haar war ganz kurz geschnitten und schwarz gefärbt. Er selbst hatte das auf der Toilette einer Raststätte bewerkstelligt und war dabei, sich zusätzlich einen Bart stehen lassen. Den Leihwagen hatte er schon in Bozen zurückgegeben und sich dort auch neu eingekleidet. Da er nur wenig Gepäck brauchte, war ein Rucksack alles, was er mit sich führte. Darin steckten die falschen Ausweispapiere und Führerschein, ein wenig Wäsche zum Wechseln, und eine Karte, so daß er ganz den Eindruck eines Wanderers machte, der zu Fuß dabei war, die Schönheiten Tirols zu erkunden.

      Unterwegs übernachtete er meist in einfachen Gasthäusern und mied größere Ortschaften. Seine Tarnung schien perfekt, niemand erkannte ihn.

      Das einzige, was schief lief, war, daß er keinen Kontakt zu Maria bekam. Zu Hause ging sie nicht ans Telefon. Gebhard hatte schon vor Wochen ein neues Handy gekauft und telefonierte mit einer Karte, deren Guthaben man wieder aufladen lassen konnte. Indes verzichtete er darauf, sondern warf nach ein paar Gesprächen die Karte fort und besorgte sich eine neue. So glaubte er sicher zu sein, alle Spuren beseitigt zu haben, die zu ihm führen konnten.

      Nachdem er gestern ein letztes Mal versucht hatte, mit Maria zu sprechen, warf er das Handy unterwegs in einen See und suchte sich dann ein Lager für die Nacht.

      Als er an diesem Morgen aufwachte, war es noch empfindlich kalt. Doch die Temperaturen machten Thorsten Gebhard nichts aus, denn bei dem Gedanken an dreißig Millionen Euro, die ihm gehörten, wurde ihm gleich warm.

      Wenn es ihm bloß gelänge, Maria zu sprechen!

      Da seine Anrufe immer auf ihr Handy umgeleitet wurden, vermutete er, daß sie ihre Wohnung verlassen hatte und irgendwohin geflüchtet war, wo sie niemand kannte. Intensiv dachte er darüber nach, wo das sein könnte. Aber es wollte ihm kein passender Ort einfallen.

      Ein Mann in seiner Position hatte viele Freunde und Bekannte, die natürlich auch Marias Freunde waren. Indes vermutete Thorsten nicht, daß sie bei einem von ihnen untergekommen sein könnte. Sie würden sich wahrscheinlich erschreckt von ihnen beiden distanziert haben, als sie von der Unterschlagung gehört hatten.

      Blieb eigentlich nur noch Marias Geburtsort. Sie hatte ihm von dem Dorf erzählt, in dem sie aufgewachsen war. Thorsten hatte vorgeschlagen, mal nach St. Johann zu fahren und sich den Ort anzusehen. Aber irgendwie war es nie dazu gekommen.

      Doch würde Maria ausgerechnet dorthin zurückgehen, wo sie jeder kannte?

      Eigentlich konnte er es sich nicht vorstellen, trotzdem mußte er auch diese Möglichkeit in Betracht ziehen.

      Nachdem er sich an einem Bachlauf gewaschen und die Zähne geputzt hatte, aß der flüchtige Millionendieb etwas von dem Brot und der Dauerwurst aus seinem Rucksack.

      Ein opulentes Frühstück, mit Kaviar und Champagner, wäre ihm lieber gewesen, aber das würde noch früh genug kommen. Einstweilen mußte er sich mit diesem frugalen Mahl zufriedengeben.

      Nachdem er gegessen hatte, zog Gebhard die Karte heraus und schlug sie auf. Sie zeigte Teile Österreichs, Norditaliens und des südlichen Bayerns. Inzwischen befand er sich nahe der österreichisch-deutschen Grenze, und als er feststellte, daß es bis zu diesem Ort, St. Johann, kaum mehr als ein Katzensprung war, stand sein Entschluß fest.

      Er würde die Grenze hier irgendwo überqueren und sich dann weiter durchschlagen. Ein neues Handy mußte her, aber vielleicht fand er unterwegs auch eine andere Möglichkeit, mit Maria zu telefonieren.

      Und hoffentlich nahm sie dann das Gespräch auch an!

      *

      Maria wachte nach einer unruhigen Nacht müde und zerschlagen auf. Sie hatte verschiedene, wirre Träume gehabt, an die sie sich kaum noch erinnerte, aber in jedem, das wußte sie noch, waren Thorsten Gebhard und Wolfgang Hellwig vorgekommen.

      Nachdem der Polizeibeamte gegangen war, hatte sie noch lange am Zaun gestanden und über das nachgedacht, was gerade geschehen war. Der Kuß hatte sie erschreckt, aber gleichzeitig war er auch etwas Wundervolles gewesen. Wolfgangs überraschende Liebeserklärung hatte sie durcheinandergebracht, aber auch ein Gefühl in ihr geweckt, das durch die Geschehnisse in München in ihr gestorben zu sein schien.

      War es Liebe?

      Sie hatte Thorsten geliebt, innig und aufrichtig. Sie waren das perfekte


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