Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher


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aber dort war es bei weitem nicht so laut, wie hier unten. Schon gleich nachdem sie die hölzerne Konstruktion hinter sich gelassen hatte, wurde es leiser um sie.

      Nach einigen hundert Metern wurde der Pfad schmaler, und es ging steil bergan. Sie stieg an der »Kleinen Wand« entlang, die ein beliebter Felsen für Kletterer war und ihren Namen eigentlich nicht verdiente, denn sie war recht hoch.

      Maria hatte die Taschenlampe eingeschaltet, denn inzwischen war es recht dunkel geworden. Vor den Mond hatten sich ein paar Wolken geschoben, so daß sein Licht kaum mehr auf die Erde fiel.

      Plötzlich tauchte vor ihr eine Gestalt auf, und ein eisiger Schreck durchfuhr sie. Maria preßte die Hand vor den Mund, um nicht laut loszuschreien, und atmete erleichtert auf, als sie Pfarrer Trenkers Stimme hörte.

      »Maria, was willst du denn hier?« rief der Geistliche. »Ist was im Pfarrhaus geschehen?«

      »Nein, nein«, antwortete sie schnell und zuckte die Schultern. »Ich hab’s bloß net ausgehalten...«

      Inzwischen waren Max und Wolfgang in den Lichtschein der Taschenlampen getreten. Der Beamte sah Maria ungläubig an.

      »Um Gottes willen, Maria, du darfst net hier sein!«

      Die Männer sahen sich an.

      »Zur Umkehr ist’s zu spät«, sagte Max. »Da müßt’ schon jemand mitgehen.«

      »Was machen wir denn jetzt?« fragte Wolfgang Hellwig.

      Im selben Moment ertönte auf dem Pfad über ihnen ein Geräusch. Zweige knackten, und Schritte, die sich rasch entfernten, waren zu hören.

      »Das kann nur Gebhard sein!« rief der Bruder des Bergpfarrers. »Wer sonst sollte sich um diese Zeit hier aufhalten!«

      »Hinterher!« brüllte der Kripobeamte und rannte auch schon los.

      Die anderen folgten ihnen. Trotz ihrer Taschenlampen mußten sie aufpassen, daß sie nicht vom Weg abkamen. Das Geröll unter ihren Schuhen war locker und rutschig, und jetzt setzte zu allem Überfluß auch noch Regen ein.

      Der Flüchtende vor ihnen war im Schein der Lampen zu sehen. Er hetzte den Pfad hinauf, ohne sich umzudrehen.

      »Wir dürfen ihn net entwischen lassen«, keuchte Wolfgang.

      Maria ahnte mehr, als daß es ihr bewußt war, daß sie ins Rutschen kam. Mit einem Aufschrei fiel sie zu Boden und rollte in gefährliche Nähe des Abhangs. Sofort waren Sebastian und Max bei ihr, während Wolfgang Thorsten Gebhard weiter verfolgte.

      Ich kriege dich, dachte der Beamte, wild entschlossen, den Verbrecher nicht entkommen zu lassen.

      Vor ihm tat sich ein kleines Plateau auf. Wolfgang blieb stehen und sah sich um, dabei ließ er immer wieder die Taschenlampe kreisen, um alles auszuleuchten.

      Gebhard schien wie vom Erdboden verschwunden!

      »Verdammt«, knirschte er, »wo steckst du?«

      Immer wieder sah er sich um.

      »Dr. Gebhard, das Spiel ist aus«, rief Wolfgang Hellwig.

      »Geben Sie auf. Sie können nicht entkommen!«

      Plötzlich verspürte er einen Stoß im Rücken und stürzte zu Boden. Jemand packte ihn am Kragen und versuchte ihm die Luft abzudrücken. Der Kripobeamte merkte, wie ihm die Sinne schwanden und schlug verzweifelt zu.

      Er traf das Gesicht des Angreifers, bei dem es sich nur um Thorsten Gebhard handeln konnte. Der stieß einen Schmerzenslaut aus, ließ aber nicht locker. Die beiden Männer rollten eng umschlungen über das Plateau.

      Inzwischen hatten Sebastian und Max Maria gestützt. Sie hatte sich bei dem Sturz das Knie aufgeschlagen und konnte sich nur humpelnd vorwärts bewegen. Von oben her hörten sie das Keuchen der Kämpfenden. Als sie das Plateau erreichten, sahen sie mit Entsetzen, daß die beiden Männer auf das Ende zurollte, an dem es mehrere hundert Meter in die Tiefe ging.

      Sebastian lief zu ihnen und wollte zupacken, doch da stürzten Wolfgang Hellwig und Thorsten Gebhard in den Abgrund.

      *

      Maria wollte schreien, aber aus ihrer Kehle löste sich kein Ton. Max ließ sich vorsichtig zu Boden gleiten und rannte zu seinem Bruder, der am Abhang stand und in die Tiefe leuchtete.

      »Kannst du sie sehen?«

      Der Bergpfarrer schüttelte den Kopf.

      »So weit reichen die Lampen net hinunter.«

      »Glaubst’, daß sie... tot sind?« fragte der Polizist beklommen.

      »Ich will’s net hoffen, aber verletzt werden s’ bestimmt sein. Ruf’ die Bergwacht, Max«, sagte Sebastian.

      Zwanzig Minuten bangen Wartens vergingen, dann hörten sie das Geräusch des Hubschraubers in der Luft. Wenig später kreiste er über dem Plateau, und die Männer stiegen über eine Hängeleiter aus.

      Sebastian und Max begrüßten Xaver Anreuther, den Leiter der Bergungsaktion und schilderten, was sich ereignet hatte. Zur Ausrüstung der Bergwacht gehörten auch leistungsstarke Handscheinwerfer, mit deren Hilfe sie in die Schlucht leuchteten.

      »Ich glaub’, ich seh’ einen«, meldete einer der Männer. »Ja, hier unten, in fünfzig Metern Tiefe etwa.«

      »Und da ist der and’re«, rief jemand.

      Der Einsatzleiter nahm mit einem Funkgerät Verbindung zum Piloten auf, der immer noch über ihnen kreiste. Der Hubschrauber verfügte über einen Suchscheinwerfer, der, als er eingeschaltet wurde, das Plateau beinahe taghell erleuchtete. Xaver Anreuther dirigierte ihn zu der Stelle, und dann konnten sie die beiden Männer sehen.

      »Sechs Mann machen sich zum Abstieg fertig«, befahl Xaver.

      »Ich geh’ mit«, entschied Sebastian und setzte den Helm auf, den ein Mann ihm reichte.

      Maria hatte die ganze Zeit wie betäubt zugeschaut. Sie stand unter Schock und war nicht fähig, etwas zu sagen. Max legte eine warme Decke um sie und reichte ihr einen Becher heißen Tee.

      »Wir haben sie gefunden«, sagte er. »Jetzt müssen sie nur noch geborgen werden. Aber die Männer von der Bergwacht schaffen das. Sie haben solch eine Rettung schon hundertmal geübt.«

      Endlich gab Maria ein Lebenszeichen von sich und nickte schwach. Max blieb bei ihr und redete ihr gut zu.

      Unterdessen stiegen Sebastian und die anderen Männer den Abhang hinunter. Wie sich gezeigt hatte, waren Wolfgang Hellwig und Thorsten Gebhard im dichten Buschwerk der Wand hängen geblieben. Jetzt galt es schnell zu handeln, denn niemand konnte sagen, wie lange diese »Bremse« noch hielt.

      Der Bergpfarrer und einer der Retter hielten neben dem Kripobeamten. Wolfgang Hellwig blutete aus einer Wunde an der Stirn, außerdem hatte er Hautabschürfungen im Gesicht, und die Hose war zerrissen. Aber – Gott sei Dank, schickte der Geistliche ein Stoßgebet zum Himmel – er atmete noch.

      »Wahrscheinlich mehrere Brüche, aber er lebt«, hörten sie einen der Männer sagen, die zu Thorsten Gebhard vorgedrungen waren.

      Wie sie es unzählige Male geübt hatten, brachten die Retter die Verletzten nach oben. Der Notarzt, der jedesmal dabei war, untersuchte sie. Wie eine erste Diagnose ergab, hatte Wolfgang sich nichts gebrochen. Zwar würde er im Krankenhaus noch geröntgt werden, aber im jetzigen Zustand ging es ihm einigermaßen gut. Er war inzwischen aus seiner Ohnmacht erwacht.

      »Haben wir ihn erwischt?« fragte er Sebastian mit schwacher Stimme.

      »Ja«, nickte der Geistliche, »und jetzt kann er auch net mehr weg.«

      Ein zufriedenes Lächeln glitt über Wolfgangs Gesicht.

      Anders sah es bei dem Millionendieb aus. Thorsten Gebhard hatte mehrere Brüche davongetragen. Der Arzt entschied, daß er zuerst an Bord des Hubschraubers geholt werden solle. Während die Aktion startete, stand Maria bei Wolfgang und hielt seine Hand.


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