James Bond 18: Eisbrecher. John Gardner
Читать онлайн книгу.was sie für die letzte Phase ihrer Mission halten. Sehen Sie, diese Leute glauben zu wissen, wo die Waffen herkommen, wie sie an die NSAA weitergeleitet werden und – das ist das Wichtigste – wer die Operationen der NSAA leitet und von wo aus das geschieht.«
M stopfte seine Pfeife neu, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und begann zu erzählen. Das, was er erzählte, reichte in vielerlei Hinsicht aus, um Bond die Haare zu Berge stehen zu lassen.
Sie blieben an diesem Abend bis spät in die Nacht im Hauptquartier. Danach fuhr man Bond zurück in seine Wohnung in Chelsea und lieferte ihn Mays sanfter Barmherzigkeit aus. Seine respekteinflößende Haushälterin warf einen Blick auf ihn und befahl ihm im Tonfall eines altmodischen Kindermädchens, sofort ins Bett zu gehen. »Sie sehen vollkommen erschöpft aus, Mr James. Sofort ins Bett mit Ihnen. Ich bringe Ihnen ein schönes leichtes Abendessen auf einem Tablett. Und jetzt ab mit Ihnen.«
Bond hatte keine Lust auf eine Diskussion. May erschien bald darauf mit einem Gericht aus Räucherlachs und Rührei, das Bond aß, während er den Stapel mit der Post durchsah, der auf ihn gewartet hatte. Er hatte die Mahlzeit kaum beendet, als ihn die Müdigkeit überkam und er problemlos in einen tiefen, erholsamen Schlaf fiel.
Als er aufwachte, wusste Bond, dass May ihm erlaubt hatte, auszuschlafen. Die Zahlen auf seiner digitalen Nachttischuhr verrieten ihm, dass es schon fast zehn war. Innerhalb von Sekunden rief er nach May, damit sie ihm Frühstück machte. Ein paar Minuten später klingelte das Telefon.
M verlangte nach ihm.
Die zusätzliche Zeit in London zahlte sich aus. Bond erhielt nicht nur eine Übersicht über seine Partner bei Operation Eisbrecher, sondern hatte auch Gelegenheit, ausführlich mit Cliff Dudley zu sprechen, dem Mitarbeiter, dessen Aufgabe er übernehmen würde.
Dudley war ein kleiner, hartgesottener, kampflustiger Schotte, ein Mann, den Bond sowohl mochte, als auch respektierte. »Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte«, erzählte Dudley ihm, »hätte ich vermutlich die ganze Wahrheit herausgefunden. Aber eigentlich wollten die lieber Sie haben. Das hat M mir vor meiner Abreise klargemacht. Sie sollten wissen, James, dass Sie sehr vorsichtig sein müssen. Keiner der anderen wird Ihnen Rückendeckung geben. Moskau hat eindeutig etwas vor, aber es stinkt alles nach einem doppelten Spiel. Vielleicht bin ich nur von Natur aus misstrauisch, aber deren Kerl verheimlicht etwas. Er hat ein Dutzend Asse im Ärmel, und zwar alle im selben Anzug, darauf wette ich.«
»Deren Kerl«, wie Dudley ihn nannte, war für Bond kein Unbekannter, zumindest kannte er seinen Ruf. Nikolai Mosolow hatte durchaus einen Ruf, und der war nicht besonders angenehm. Seine Freunde beim KGB kannten ihn unter dem Namen Kolja. Mosolow sprach fließend Englisch, Amerikanisch, Deutsch, Holländisch, Schwedisch, Italienisch, Spanisch und Finnisch. Mittlerweile war er Ende dreißig, aber in der Grundausbildung in der Nähe von Nowosibirsk war er ein Musterschüler gewesen. Außerdem hatte er für eine Weile mit der Expertengruppe für technische Unterstützung des Zweiten Aufsichtsrats seines Geheimdiensts zusammengearbeitet, der im Grunde genommen eine professionelle Einbruchseinheit darstellte.
In dem Gebäude am Regent’s Park kannte man Mosolow auch unter zahlreichen Decknamen. In den Vereinigten Staaten war er Nicholas S. Mosterlane, in Schweden und anderen skandinavischen Ländern Sven Flanders. Sie wussten das alles, konnten ihn aber nie dingfest machen – nicht einmal als Nicholas Mortin-Smith in London.
»Er ist der unsichtbare Typ«, sagte M. »Ein Chamäleon. Er verschmilzt mit seinem Hintergrund und verschwindet immer dann, wenn man denkt, man hat ihn erwischt.«
Mit seinem amerikanischen Gegenpart bei Operation Eisbrecher war Bond ebenso unzufrieden. Brad Tirpitz, den man in Geheimdienstkreisen als »Bad« Brad kannte, war ein Veteran der alten CIA-Schule und hatte die zahlreichen Säuberungsaktionen im Hauptquartier seiner Organisation in Langley, Virginia, überlebt. Für manche war Tirpitz eine Art säbelrasselnder Abenteuerheld, eine Legende. Doch andere sahen ihn in einem anderen Licht – als die Art von Einsatzoffizier, die in der Lage war, äußerst fragwürdige Methoden anzuwenden. Er war ein Mann, der der Meinung war, dass der Zweck stets die Mittel heiligte. Und diese Mittel konnten, wie einer seiner Kollegen es ausdrückte, »sehr gemein sein. Er hat den Instinkt eines hungrigen Wolfs und das Herz eines Skorpions.«
Also, dachte Bond, würde er sich mit einem Schläger aus Moskau und einem Scharfschützen aus Langley auseinandersetzen müssen, der dazu neigte, zuerst zu schießen und dann Fragen zu stellen.
Der Rest der Unterweisung und der medizinischen Untersuchung nahm die verbleibenden Stunden des Tages und einen Teil des nächsten Morgens ein. Daher ging Bond erst am Nachmittag des dritten Tages an Bord der Vierzehn-Uhr-Maschine von TAP nach Lissabon, die ihn zu einer der Boeing-727-Pendelmaschinen nach Funchal bringen würde.
Die Sonne stand tief, berührte fast das Wasser und warf warme rote Farbflecke auf die Felsen, als Bonds Flugzeug – das nun auf eine Höhe von knapp zweihundert Metern heruntergegangen war – die Landzunge von Ponta de São Lourenço überquerte, um diese aufregende niedrige Drehung zu vollführen, die die einzige Möglichkeit darstellte, auf die gefährliche kleine Landebahn in Funchal zu gelangen, die sich wie das Flugdeck eines Flugzeugträgers zwischen die Felsen zwängte.
Innerhalb einer Stunde brachte ihn ein Taxi zum Reid’s Hotel, und am nächsten Morgen hielt er die Augen offen, um entweder Mosolow, Tirpitz oder das dritte Mitglied der Eisbrecher-Gruppe zu entdecken – die Mossad-Agentin, die Dudley als »eine absolut tödliche junge Frau, knapp unter eins siebzig mit reiner Haut und einer Figur wie die Venus von Milo« beschrieben hatte. »Nur dass diese hier beide Arme hat«, hatte er hinzugefügt. »Und der Kopf ist anders.«
»Inwiefern anders?«, hatte Bond nachgehakt.
»Umwerfend. Ich würde sagen, sie ist Ende zwanzig. Und sehr, sehr gut. Mit der würde ich mich nur ungern anlegen …«
»In professioneller Hinsicht versteht sich.« Bond hatte sich die Stichelei nicht verkneifen können.
Soweit es M betraf, war die israelische Agentin eine unbekannte Variable. Ihr Name lautete Rivke Ingber. In der Akte stand: »Nichts bekannt.«
Also schaute James Bond nun durch seine Sonnenbrille über die beiden Swimmingpools des Hotels hinweg und betrachtete die Gesichter und Körper der Hotelgäste.
Für einen Augenblick fiel sein Blick auf eine große, atemberaubende Blondine in einem Bikini von Pierre Cardin, deren Körper jeder Beschreibung trotzte. Tja, dachte Bond, als die Frau ins warme Wasser sprang, es gibt kein Gesetz, das einem das Anschauen verbietet. Er verlagerte seinen Körper auf der Sonnenliege, verzog aufgrund des Schmerzes in seiner schnell verheilenden Schulter leicht das Gesicht und beobachtete die junge Frau weiter beim Schwimmen. Ihre hübschen langen Beine öffneten und schlossen sich, während sich ihre Arme träge bewegten, sodass es fast wie eine bewusst sinnliche Geste wirkte.
Bond lächelte einmal mehr angesichts Ms Wahl für den Treffpunkt. Das Reid’s war nach wie vor eines der wenigen Hotels unter den zahlreichen Touristenfallen von Gran Canaria bis Korfu, das sich – in Bezug auf die Küche und den Service – seit den 1930ern gewisse Standards erhalten hatte. Der Hotelladen verkaufte Erinnerungsstücke an die alten Zeiten – Fotografien von Sir Winston und Lady Churchill, die in den üppigen Gärten aufgenommen worden waren. Spindeldürre ältere Männer mit säuberlich gestutzten Schnurrbärten saßen in den luftigen Aufenthaltsräumen und lasen. Junge Paare, die Outfits von Yves Saint Laurent und Kenzo trugen, saßen neben ältlichen Damen mit Titeln auf der berühmten Teeterrasse. Er befand sich, überlegte Bond, in einer Umgebung, in der zweifellos Sätze wie »Der Butler ist der Mörder« fallen könnten. Ms Kumpane besuchten diese idyllische Zeitschleife sicher mit der Regelmäßigkeit einer Armbanduhr von Patek Philippe.
Während er dalag, suchte Bond den Bereich rund um den Pool und die Sonnenliegen mit sorgfältig schweifenden Blicken ab. Keine Spur von Mosolow. Keine Spur von Tirpitz. Dank der Fotos, die er sich in London angesehen hatte, konnte er die beiden problemlos erkennen. Von Rivke Ingber hatte es kein Foto gegeben, und Cliff Dudley hatte lediglich wissend gelächelt und Bond gesagt, er werde schon noch früh genug herausfinden, wie sie aussehe.
Die Leute bewegten