Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.mich aus, der Versteigerer strich achselzuckend mein Geld ein, ich aber half ihr auf, nahm das Kind auf den Arm, führte sie in einem Boote über den Nil, lud meinen jammervollen Besitz auf einen Steinwagen und zog das Weib wie einen Kalkblock hierher zu den Alten.
»Die Mutter schüttelte den Kopf und der Vater schaute mich an wie einen Kranken; aber keiner von Beiden sagte ein Wort. Man schüttete ihr ein Lager auf und ich baute das verfallene Ding hier neben – es war einmal eine ordentliche Hütte – in meinen freien Nächten. Bald gewann die Mutter das Kindchen lieb. Es war ganz klein und wir nannten's Pennu, weil es so niedlich war wie ein Mäuschen. Ich mied das Fremdenviertel, sparte meinen Verdienst und kaufte eine Ziege, die vor unserer Thür stand, als ich die Frau in die eigene Hütte trug.
»Sie war stumm, aber nicht taub, doch verstand sie nicht unsere Sprache; aber der Dämon in ihren Augen redete für sie und vernahm, was ich sagte. Alles begriff sie und konnte sie mit ihren Blicken sagen; am besten freilich verstand sie zu danken. Kein Oberpriester, der die Götter am großen Nilfeste für ihre Wohlthaten in langen Liedern preist, kann so innig mit seinen geübten Lippen Dank sagen, wie sie mit den stummen Augen. Und wenn sie bitten wollte, dann war es, als ob der Dämon in ihrem Blicke noch mächtiger wäre als sonst.
»Zuerst ward ich wohl ungeduldig, wenn sie so matt an der Wand lehnte oder das Kleine schrie und mir den Schlaf verdarb; aber sie brauchte nur den Blick zu erheben und der Dämon preßte mein Herz zusammen und redete mir ein, das Geschrei wäre reiner Gesang. Pennu schrie auch lieblicher als andere Kinder und er hatte so weiche und weiße und niedliche Fingerchen.
»Einmal hatte er recht lange geschrieen. Da beugte ich mich zu ihm nieder und wollte ihn anrufen; er aber griff mir in den Bart. Wie das war! Nachher mußte er mich oft zausen und seine Mutter merkte, daß mich das freute, denn wenn ich was Gutes gebracht hatte, ein Ei oder eine Blume oder einen Kuchen, so hielt sie ihn in die Höhe und legte seine Händchen an meinen Bart.
»Ja in wenigen Monaten hatte die Frau gelernt, ihn hochzuhalten, denn in Ruhe und Pflege ward sie kräftiger. Weiß ist sie immer geblieben und zart, aber jünger ward sie und schöner von Tag zu Tag; sie konnte kaum zwanzig Jahre zählen, als ich sie kaufte. Wie sie hieß, hab' ich nie erfahren und wir gaben ihr auch keinen Namen. Sie war ›das Weib‹ und so riefen wir sie.
»Acht Monde war sie bei uns, da starb das Mäuschen. Ich habe geweint wie sie, und als ich so über die kleine Leiche gebeugt meinen Thränen freien Lauf ließ und dachte: Nun kann er die Fingerchen nie wieder zu Dir erheben, da fühlt' ich zum ersten Male des Weibes weiche Hand an meiner Wange. Sie streichelte wie ein Kind meinen rauhen Bart und dabei blickte sie mich so dankbar an, daß mir zu Muthe ward, als hätte mir der Pharao Ober- und Unterägypten auf einmal geschenkt.
»Als das Mäuschen begraben war, da wurde sie wieder schwächer, aber die Mutter pflegte sie gesund. Ich lebte mit ihr wie ein Vater mit seinem Kinde. Sie war so freundlich, aber wenn ich mich ihr nahte und mich ihr zärtlich erweisen wollte, so blickte sie mich an und der Dämon in ihren Augen trieb mich zurück und ich ließ sie allein.
»Sie ward gesünder und stärker und immer schöner; so schön, daß ich sie verborgen hielt und mich die Sehnsucht verzehrte, sie zu meinem Weibe zu machen. Eine rechte Hausfrau konnte sie freilich niemals werden; ihre Händchen waren so zart und sie verstand nicht einmal die Ziege zu melken. Das und alles Andere that die Mutter für sie.
»Bei Tage blieb sie in der Hütte und arbeitete, denn sie war sehr geschickt in den Werken der Weiber und flocht Spitzen so fein wie Spinneweben, die die Mutter verkaufte, um für den Erlös Wohlgerüche heimzubringen. Die liebte sie sehr und auch Blumen; das hat die Uarda da drinnen von ihr.
»Des Abends, wenn die Leute von drüben die Todtenstadt verlassen, so ging sie hier im Thale auf und nieder; gedankenvoll und oft aufblickend zum Monde, den sie besonders liebte.
»Einmal in der Winterszeit komm' ich nach Hause. Es war schon dunkel und ich erwartete, sie vor der Thür zu finden. Da hör' ich etwa hundert Schritte hinter der Höhle der alten Hekt eine Schaar von Schakalen so grimmig bellen, daß ich mir alsbald sagte, sie hätten einen Menschen angefallen, und ich wußte auch wen, wenn mir's auch Keiner gesagt hatte, wenn das Weib auch nicht schreien und rufen konnte. Rasend vor Angst riß ich den Pfahl, an dem die Ziege befestigt war, aus der Erde und einen Feuerbrand vom Herde, stürzte der Unglücklichen zu Hülfe, verjagte die Bestien und trug das Weib ohnmächtig in die Hütte. Die Mutter half mir und wir riefen sie in's Leben zurück. Als wir allein waren, da weint' ich wie ein Kind vor Freude über ihre Rettung und sie ließ sich von mir küssen, und da ist sie mein Weib geworden, drei Jahre nachdem ich sie gekauft hatte.
»Sie hat mir ein Mädchen geboren, das sie selbst Uarda nannte, denn sie zeigte eine Rose und wies auf das Kind, und wir verstanden sie ohne Worte.
»Bald darauf ist sie gestorben.
»Du bist ein Priester, aber ich sage Dir, wenn ich auch zu Osiris gerufen werde und ich finde Einlaß zu den Seligen, so will ich fragen, ob das Weib mir dort begegnen wird, und wenn der Pförtner das verneint, so mag er mich getrost zu den Verdammten stoßen, wenn ich sie dort wiederfinde.«
»Und hat kein Zeichen verrathen, woher sie stammte?« fragte der Arzt.
Der Soldat verbarg sein Antlitz in den Händen, weinte laut und hörte ihn nicht; der Paraschit aber sagte.
»Sie war das Kind eines Großen, denn in ihrem Kleide fanden wir ein goldenes Kleinod mit einem Edelstein und seltsamen Schriftzügen. Es ist sehr kostbar und meine Frau bewahrt es für die Kleine.«
Zweites Kapitel
Als der Morgen des folgenden Tages dämmerte, verließ der Arzt Nebsecht die Hütte des Paraschiten.
Er war zufrieden mit dem Befinden der Kranken und ging in tiefen Gedanken dem Terrassentempel der Hatasu zu, um seinen Freund Pentaur aufzusuchen und bei ihm die Schrift, welche er dem Alten versprochen hatte, aufzusetzen.
Als sich die Sonne strahlend erhob, erreichte er das Heiligthum. Er erwartete, den Morgengesang der Priester zu hören, aber Alles blieb still. Er klopfte und der Pförtner öffnete verschlafen das Thor.
Nebsecht fragte ihn nach dem Vorsteher des Tempels.
»Der ist in dieser Nacht gestorben,« gähnte der Mann.
»Was sagst Du?« rief der Arzt mit tiefem Entsetzen. »Wer ist gestorben?«
»Unser alter Vorsteher Rui, der brave Mann.«
Nebsecht athmete auf und fragte nach Pentaur.
»Du bist vom Setihaus,« sagte der Pförtner, »und weißt nicht, daß man ihn seines Amtes entsetzt hat? Die heiligen Väter haben sich geweigert, mit ihm die Geburt des Ra zu begrüßen. Er singt wohl für sich allein oben auf der Warte. Da wirst Du ihn finden.«
Der Arzt schritt schnell die Stufen hinan. Mehrere Priester stellten sich, sobald sie ihn bemerkten, singend zusammen. Er ließ sie unbeachtet und fand seinen Freund auf der obersten Terrasse mit Schreiben beschäftigt.
Bald wußte er, was sich ereignet hatte, und ingrimmig rief er: »Den klugen Herren im Setihause bist Du zu wahr, und dem Gesindel hier zu eifrig und rein. Ich wußt' es, daß es so kommen würde, als sie Dich in das Mysterium einführten. Uns Eingeweihten bleibt nur die Wahl, zu lügen oder zu schweigen.«
»Der alte Irrthum!« sagte Pentaur. »Wir wissen, daß die Gottheit Eins ist, wir nennen sie ›das All‹, 109 ›die Hülle des Alls‹ 110 oder schlechtweg Ra. Aber unter Ra verstehen wir etwas Anderes wie die Sinnenmenschen, denn uns ist das Universum Gott und in jedem seiner Theile erkennen wir eine Erscheinungsform des höchsten Wesens, außer dem nichts ist in der Höhe und Tiefe.«
»Das Alles darfst Du mir sagen, dem Mitgeweihten,« unterbrach ihn Nebsecht.
»Aber ich enthalt' es auch den Laien nicht vor,« rief Pentaur; »nur zeig' ich