Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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Pforte!«

      Paaker war wie betäubt, aber bald faßte er sich und wollte sich entfernen, Katuti aber hielt ihn zurück und sagte:

      »Ich gehe Ani entgegen; er wird sich freuen, Dich zu sehen, denn er schätzt Dich hoch und war ein Freund Deines Vaters.«

      Sobald Katuti die Halle verlassen hatte, trat der Zwerg Nemu aus den Blattpflanzen hervor, stellte sich Paaker gegenüber und fragte dreist:

      »Nun? Hab' ich Dich gestern gut unterrichtet oder nicht?«

      Aber Paaker antwortete ihm nicht, sondern schob ihn mit einem Fußstoße zur Seite und ging nachdenklich auf und nieder.

      Katuti begegnete dem Statthalter in der Mitte des Gartens. Er hielt eine Schriftrolle in der Hand und begrüßte sie schon von ferne mit einer freudigen Handbewegung.

      Die Wittwe betrachtete ihren Freund mit Erstaunen.

      Es schien ihr, als sei er gewachsen und jünger geworden, seitdem sie ihn zum letzten Male gesehen.

      »Heil über Dich,« rief sie ihm halb vertraulich, halb ehrerbietig zu und erhob ihre Hände anbetend gegen ihn, als trüge er bereits die Doppelkrone von Ober- und Unterägypten. »Ist Dir die Neunzahl der Götter begegnet, 126 haben die Hathoren Dich im Schlafe geküßt? Ein weißer Tag ist dieses, ein Glückstag; das les' ich aus Deinen Zügen.«

      »Schriftkundige!« gab Ani munter, aber würdig zurück. »So lies auch diese Botschaft!«

      Katuti nahm die Papyrusrolle aus seiner Hand entgegen, überlas sie, gab sie ihm zurück und sagte ernst:

      »Die von Dir ausgerüsteten Truppen haben die verbündeten Kuschitenschaaren geschlagen und bringen ihre gefangenen Fürsten mit unermeßlichen Schätzen und zehntausend Gefangenen nach Theben! Den Göttern sei Dank!«

      »Und Dank vor Allem,« fügte Ani hinzu, »weil mein Feldherr Scheschenk, mein Milchbruder und Freund, wohlbehalten und unverwundet unsere Krieger heimführt. Ich glaube, Katuti, daß unsere Traumgestalten am heutigen Tage Fleisch und Blut gewinnen.«

      »Sie erwachsen zu Helden!« rief die Wittwe. »Und Dich selbst, mein Gebieter, hat der Odem der Gottheit berührt. Wie ein echter Sohn des Ra schreitest Du an meiner Seite, der Muth des Menth strahlt aus Deinen Augen und um Deinen Mund schwebt das Lächeln des siegreichen Horus.« 127

      »Geduld, Geduld, Freundin,« sagte Ani, den Eifer der Wittwe mäßigend. »Jetzt gilt es mehr denn je an meinem alten Grundsatze festzuhalten, die Kraft des Gegners zu überschätzen und die eigene geringer zu achten, als sie es verdient. Nichts ist mir geglückt, dessen sicheres Gelingen ich erwartet, Vieles dagegen, dessen Fehlschlag ich gefürchtet habe. Noch hat der Anfang des Erfolges kaum begonnen!«

      »Aber wie das Unglück, so kommt das Gute niemals allein,« fügte Katuti hinzu.

      »Ich pflichte Dir bei,« sagte Ani. »Die Ereignisse des Lebens treten, das glaube ich bemerkt zu haben, paarweise auf. Jedes Uebel hat seinen Gefährten wie jedes Glück. Kannst Du mir einen zweiten Sieg verkünden?«

      »Weiber gewinnen keine Schlachten,« lächelte die Wittwe, »aber sie werben Freunde und ich habe einen mächtigen Bundesgenossen gewonnen!«

      »Einen Gott oder ein Heer?« fragte der Statthalter.

      »Etwas zwischen den Beiden,« entgegnete sie. »Paaker, der Wegeführer des Königs, hat sich uns verschrieben. Höre!« Und sie erzählte dem Statthalter die Geschichte der Liebe und des Hasses ihres Neffen.

      Ani hörte ihr schweigend zu, dann sagte er mit dem Ausdruck der Unruhe und Besorgnis:

      »Dieser Mann ist ein Diener des Ramses und wird bald zu ihm zurückkehren. Manche mögen unsere Pläne ahnen, aber jeder neue Wisser kann zum Verräther werden. Du drängst mich, Du treibst mich vorzeitig vorwärts! Tausend rüstige Feinde sind weniger gefährlich als ein unsicherer Bundesgenosse . . .«

      »Paaker ist uns gewiß,« sagte Katuti entschieden.

      »Wer bürgt Dir für ihn?« fragte der Statthalter.

      »Er soll in Deine Hand gegeben werden,« erwiderte Katuti ernst. »Mein kluger Zwerg Nemu weiß, daß er eine geheime That begangen, welche das Gesetz mit dem Tode bestraft.«

      Des Statthalters Antlitz klärte sich auf und beruhigt sagte er: »Das ändert die Sache. Hat er gemordet?«

      »Nein,« gab Katuti zurück. »Der Zwerg hat geschworen, Dir, und Dir allein mitzutheilen, was er weiß. Er ist uns völlig ergeben.«

      »Wohl, wohl,« sagte Ani bedenklich; »aber auch er ist unvorsichtig, viel zu unvorsichtig! Ihr seid wie die Reiter, die, um eine Wette zu gewinnen, ein Roß zum Sprunge über Lanzen antreiben. Fällt es in die Spitzen, so ist das sein Schade! Ihr laßt es liegen und geht zu Fuß eurer Wege.«

      »Oder werden zugleich mit dem edlen Rosse von den Lanzen durchbohrt,« sagte Katuti ernst. »Du hast mehr zu gewinnen und darum auch mehr zu verlieren, als wir; aber auch der Kleinste liebt das Leben und, Ani, brauch' ich Dir's zu sagen, daß ich nicht für Dich arbeite, um durch Dich zu gewinnen, sondern weil Du mir theuer bist wie ein Bruder und weil ich in Dir die Verkörperung des zertretenen Rechtes meiner Väter sehe.«

      Ani reichte ihr die Hand und sagte:

      »Du hast auch mit Bent-Anat als meine Freundin geredet? Versteh' ich Dein Schweigen recht?«

      Katuti nickte schmerzlich mit dem Kopfe; Ani aber sagte:

      »Das hätte mich gestern bewogen, von ihr abzustehen, aber heute ist mir der Muth gewachsen und wenn die Hathoren mir beistehen, so gewinn' ich sie dennoch!«

      Mit diesen Worten ging er der Wittwe voran zu der Halle, in welcher Paaker noch immer unruhig auf und nieder wandelte.

      Der Wegeführer verneigte sich tief vor dem Statthalter, der seinen Gruß mit einer halb stolzen, halb freundlichen Handbewegung zurückgab und nachdem er sich auf einen Lehnsessel niedergelassen hatte, Paaker als Sohn eines Freundes und als einen Verwandten seines Hauses bewillkommnete.

      »Alle Welt,« sagte er, »rühmt Deine rücksichtslose Thatkraft. Männer wie Du sind selten; mir fehlen sie ganz. Ich wollte, Du stündest mir näher; aber Ramses wird Dich nicht missen wollen, obgleich – obgleich – – freilich, Dein Amt hat ein doppeltes Antlitz; es verlangt Kühnheit und Schreibfertigkeit. Die erstere wird Dir nicht abgesprochen, aber die letztere. Schwert und Rohrfeder sind eben verschiedene Waffen, diese verlangt zarte Finger und jenes Deine derbe Faust. Der König tadelte früher Deine Berichte; ist er jetzt besser mit ihnen zufrieden?«

      »Ich hoffe es,« antwortete der Wegeführer. »Mein Bruder Horus ist ein geübter Schreiber und begleitet mich auf meinen Fahrten.«

      »Das ist das Rechte!« rief der Statthalter. »Hätt' ich zu befehlen, ich verdreifachte Deine Mannschaft und gäbe Dir vier, fünf, sechs Schreiber mit, denen Du unbedingt zu befehlen und den Stoff für die einzusendenden Berichte zu liefern haben würdest. Dein Amt erfordert Muth und Umsicht, diese Eigenschaften finden sich selten vereint; Federhelden gibt es zu Hunderten in den Tempeln.«

      »So meine auch ich,« sagte Paaker.

      Ani schaute nachdenklich zu Boden und fuhr dann fort:

      »Ramses liebt es, Dich mit Deinem Vater zu vergleichen. Das ist Unrecht, denn der Gerechtfertigte war einzig in seiner Art, der tapferste Held und der feinste Schreiber in einer Person. Du wirst falsch beurtheilt! Das ist mir leid, ja mehr als das, denn Du gehörst durch Deine Mutter zu meinem armen, aber hohen Hause. Wir wollen sehen, ob ich Dich an den rechten Platz zu stellen vermag. Einstweilen bedarf man Deiner in Syrien und zur Noth, ihr ewigen Götter, ziehst Du Dich auf Dein Erbgut zurück! Du hast gezeigt, daß Du ein Mann bist, der den Tod nicht fürchtet und zu dienen versteht, und magst Deinen Reichthum mit Deinem Weibe genießen.«

      »Ich stehe allein,« sagte Paaker.

      »So laß Katuti, wenn Du heimkehrst, die Schönste im Lande für Dich aussuchen,« lächelte der Statthalter. »Sie sieht sich täglich


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