Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.ihre Mutter gewesen; denn die war keine der Unseren. Aus der Fremde kam sie hieher und sie haben ein Geschmeide mit seltener Schrift bei ihr gefunden. Man muß es den Kriegsgefangenen zeigen, sobald sie Dir gehört, denn vielleicht weiß einer von ihnen die fremdartigen Lettern zu deuten. Aus gutem Hause stammt sie, das weiß ich gewiß, denn Uarda ist das leibhaftige Ebenbild ihrer Mutter, und schon als sie zur Welt kam, sah sie aus wie das Kind eines Großen. Du lächelst, Du Narr! Tausend Säuglinge sind durch meine Hand gegangen und wenn sie in Lumpen gewickelt zu mir kommen, so vermag ich doch zu erkennen, ob ihre Eltern zu den Großen gehören oder den Kleinen. Der Bau des Fußes verräth es und andere Zeichen. Mag Uarda nun bleiben, wo sie ist; ich werde Dir helfen. Wenn sich Neues ereignet, so laß es mich wissen!«
Sechstes Kapitel
Als Nemu, dießmal auf dem Rücken eines Esels, heimkehrte, fand er weder seine Herrin, noch Nefert zu Hause.
Die Erstere hatte sich in den Tempel und dann in die Stadt begeben, während Nefert, einer unwiderstehlichen Regung folgend, zu ihrer fürstlichen Freundin Bent-Anat gegangen war.
Der Königspalast glich eher einer kleinen Stadt als einem Hause. 137 Der Flügel, in dem der Statthalter residirte und welchen wir bereits betreten haben, lag landeinwärts, während diejenigen Gebäude, die der König mit seiner Familie bewohnte, dem Strome zugekehrt waren.
Dem Schiffer, welcher an dem Pharaonensitze vorbeifuhr, bot er einen glänzenden und zugleich freundlichen Anblick, denn nicht als ungeheurer einzelner Körper erhob er sich aus der Mitte der ihn umgebenden Gärten, sondern vielfach gegliedert und in mannigfaltigen Formen.
An ein größeres Bauwerk, in dem sich die Prunk- und Festsäle befanden, schloß sich symmetrisch an jeder Seite eine dreifache Reihe von Pavillons in verschiedener Größe. Alle waren unter einander verbunden durch Säulengänge oder Brücken, unter denen sich Wasserarme hinzogen, welche die Gärten tränkten und dem Palaste das Ansehen einer Inselstadt verliehen.
Aus leichten Nilziegeln und zierlich verarbeitetem Holz bestanden sämmtliche Theile des Pharaonenschlosses; auch die unermeßliche Ringmauer, deren Zugänge mit hohen Thorbauten verziert waren, vor denen schwerbewaffnete Soldaten den Wachtdienst verrichteten.
Die Mauern und Pfeiler, die Altane und Säulengänge, ja selbst die Dächer prangten in buntem Farbenschmuck und an allen Thoren standen hohe Maste, an denen rothe und blaue Fahnen flatterten, wenn der König hier residirte. Jetzt ragten sie mit ihren Erzspitzen, welche den Wetterstrahl aufzufangen bestimmt waren, 138 kahl in die Lüfte.
Zur Rechten des Hauptgebäudes lagen, ganz von reichen Baumpflanzungen umgeben, der königlichen Frauen Häuser, von denen einige sich in dem Wasser spiegelten, das sie näher oder ferner umgab. An diesen Theil des Palastes schlossen sich die Vorrathshäuser des Königs in unabsehbaren Reihen, während hinter dem mittlern Bauwerk, in dem der Pharao residirte, die Kasernen der Leibgarden und die Schatzhäuser standen. Der linke Flügel des Schlosses war den Hofbeamten, den zahllosen Dienerschaaren, den Rossen und Wagen des Herrschers eingeräumt.
Trotz der Abwesenheit des Königs herrscht lebendiges Leben in dem Palaste des Ramses, denn hundert Gärtner besprengten den Rasen, die Blumenrabatten, die Sträucher und Bäume; Wachtmannschaften zogen hin und her, Rosse wurden getummelt und eingefahren und in dem Flügel der königlichen Frauen wogten wie in einem Bienenstocke Dienerinnen und Sklaven, Hofbeamte und Priester hin und her.
Nefert war in diesem Theile des Schlosses wohl bekannt. Die Garden und Thürhüter ließen ihre Sänfte mit ehrerbietigen Neigungen des Oberkörpers unangerufen passiren, im Garten nahm sie ein Kammerherr in Empfang, führte sie selbst zu dem Ceremonienmeister und dieser geleitete sie nach einer kurzen Meldung in das Gemach der Lieblingstochter des Ramses.
Bent-Anat's Wohnung lag im ersten Stockwerke des dem Hause des Pharao am nächsten gelegenen Pavillons. Ihre verstorbene Mutter hatte diese freundlichen Räume innegehabt, aber nachdem die Prinzessin zur Jungfrau herangereift war, freute es den König, sie in seiner Nähe zu wissen; darum überließ er ihr das schöne Haus der zu früh Dahingegangenen und zugleich, denn sie war die älteste seiner Töchter, manches Vorrecht, dessen sonst nur die Königinnen genossen.
Das weite Gemach, in welchem Nefert Bent-Anat fand, war dem Strome zugekehrt.
Eine nur mit hellen Vorhängen verschlossene Thüröffnung führte auf einen langen Altan mit kunstreich gearbeiteten Geländern von vergoldetem Kupfer, um welches sich Kletterrosen mit blaßrothen Blüten schlangen.
Die Prinzessin ließ, als die Gattin des Mena ihre Schwelle betrat, soeben von einigen Dienerinnen den rauschenden Vorhang zur Seite ziehen, denn die Sonne neigte sich, die Kühlung nahte und Bent-Anat liebte es, in dieser Stunde auf ihrem Altan zu sitzen und mit andächtigen Empfindungen dem Scheiden des Ra zuzuschauen, der als greiser Tum 139 hinter dem westlichen Horizonte im Rücken der Nekropole des Abends verschwand, um in der Unterwelt den Seligen Licht zu spenden.
Nefert's Wohngemach war weit zierlicher ausgestattet als das der Prinzessin. Ihre Mutter und Mena hatten sie mit tausend niedlichen Dingen umgeben. Ihre Tapeten bestanden aus himmelblauem, mit Silber durchwirktem Brokat von Damaskus, die Stühle und das Ruhebett waren mit einem von äthiopischen Frauen gearbeiteten Stoff aus Federn überzogen, der wie die Brust eines vielfarbigen Vogels zu schauen war. Die Bildsäule der Göttin Hathor auf ihrem Hausaltare bestand aus unechtem Smaragd, den man Mafkat nannte, und die übrigen kleineren Götterfiguren, welche neben ihrer Patronin prangten, aus Lapislazuli, Malachit, Achat und mit Gold ausgelegter Bronze. Auf ihrem Putztisch stand eine Sammlung von Salbenbüchsen und Schalen aus Ebenholz und Elfenbein in feinster Schnitzerei. Das Alles war auf's Zierlichste geordnet und paßte durchaus zu Nefert's Erscheinung.
Auch Bent-Anat's Wohnung war ihrem Wesen angemessen.
Hoch und luftig waren die Räume und ihre Ausstattung bestand aus kostbarem, aber einfachem Geräth. Der untere Theil der Wände war mit kühlen Kacheln von feiner weißer und violetter Fayence belegt, von denen jede einen Stern darstellte und die alle zusammen geschmackvolle Figuren bildeten. Weiter nach oben hin waren die Mauern mit dem gleichen schönen dunkelgrünen Stoff von Sais bekleidet, aus dem auch der Ueberzug der langen Divans an den Wänden bestand.
Rohrstühle und Tabourets standen um einen sehr großen Tisch inmitten dieses Gemachs, an welches sich viele andere Zimmer schlossen, die alle stattlich, vornehm und harmonisch aussahen, aber schnell verriethen, daß ihre Bewohnerin geringen Gefallen fand an kleinlichem Zierat, um so größern aber an schöngezogenen Pflanzen, die in wundervollen und seltenen Exemplaren, auf Stufen kunstreich geordnet, die Ecken mehrerer Zimmer ausfüllten, während in anderen an dem gleichen Platze hohe Gestelle von Ebenholz in Obeliskenform sich erhoben, welche kostbare Schalen für Rauchwerk trugen, das alle Aegypter liebten und mit dem die Aerzte die Wohnungen zu räuchern vorschrieben.
Ihr einfaches Schlafgemach würde einem der Blumenzucht holden Königssohne ebensowohl als Wohnung angestanden haben, als einer fürstlichen Jungfrau.
Vor allen Dingen liebte Bent-Anat Luft und Licht.
Nur wenn es der Stand der Sonne dringend verlangte, wurden die Vorhänge an Fenstern und Thüren geschlossen, während in Nefert's Wohnung von früh bis spät ein dämmerndes Halbdunkel hergestellt werden mußte.
Die Prinzessin ging der Gattin des Mena, die sich an der Schwelle des Zimmers tief vor ihr verneigte, liebreich entgegen, faßte mit der Rechten ihr Kinn, küßte ihre feine, schmale Stirn und sagte:
»Du süßes Geschöpf! kommst Du endlich einmal ungeladen zu mir Einsamen? Es ist das erste Mal seitdem die Männer wiederum in den Krieg zogen. Wenn Ramses' Tochter ruft, dann gilt kein Widerspruch und Du erscheinst; aber freiwillig . . .«
Nefert schlug ihre großen, thränenfeuchten Augen bittend auf und ihr Blick war so unwiderstehlich, daß Bent-Anat ihre Rede unterbrach und, ihre beiden Hände ergreifend, ausrief:
»Weißt