Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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      »Erst laß uns den Forscher in Ruhe verhören,« sagte Gagabu. »Er ist eine Zierde des Tempels, denn er hat Vieles ergründet und groß ist seine Geschicklichkeit.«

      »Das Alles mag nach dem Feste erwogen werden,« unterbrach Ameni den Alten. »Es bleibt uns noch viel zu besorgen.«

      »Und später noch mehr zu bedenken,« gab Gagabu zurück. »Wir haben einen gefährlichen Weg beschritten. Du weißt ja, ich bleibe ein Stürmer, obgleich ich an Jahren ein Greis bin; und, ach und weh, die Zagheit war nie meine Sache! Aber Ramses ist ein gewaltiger Mann und mir gebietet die Pflicht, Dich zu fragen: Verleitet Dich nicht der Haß zu allzu schnellem und unvorsichtigem Handeln gegen den König?«

      »Ich fühle keinen Haß gegen Ramses,« antwortete Ameni ernst. »Trüge er nicht die Krone, so könnt' ich ihn lieben. Ich kenn' ihn ja auch, als wär' ich sein Bruder, und schätze an ihm Alles was groß ist, ja ich gesteh' es gern, ihn verunziert nichts Kleines. Wenn ich nicht wüßte, wie gewaltig der Feind ist, wir stürzten ihn wohl mit geringeren Mitteln! Wie mir, so ist es auch Dir bewußt: Er ist unser Feind! Nicht Deiner, nicht meiner, auch nicht unserer Götter, wohl aber der altehrwürdigen Satzungen, nach denen dieß Volk und dieß Land gelenkt werden soll, und darum vor Allem auch Derer, denen es obliegt, die heiligen Lehren der Vorzeit zu hüten und dem Herrscher die Wege zu weisen, der Priesterschaft, mein' ich, die zu lenken mir obliegt und für deren Rechte ich kämpfe mit allen Mitteln des Geistes. In diesem Ringen bekleiden, Du weißt es, nach unserem geheimen Gesetz die Götter selbst Alles, was sonst als Lüge, Verrath und Arglist verdammenswerth scheint, mit dem Glanze des reinen Lichtes der Wahrheit. Wie der Arzt das Messer gebraucht und das Feuer, um Kranke zu heilen, so dürfen wir Furchtbares thun, um das Ganze zu retten, sobald es gefährdet. Jetzt siehst Du mich kämpfen mit jeglichem Mittel, denn bleiben wir müßig, so werden wir bald aus den Leitern des Staats zu Sklaven des Königs.«

      Gagabu nickte zustimmend, Ameni aber fuhr in steigender Wärme und in jener rhythmischen Sprechweise, mit der er, wenn er aus dem Allerheiligsten kam, die Befehle der Gottheit wiederzugeben pflegte, zu reden fort. »Du warst mein Lehrer und ich schätze Dich hoch, darum sollst Du nun Alles vernehmen, was mich bewegt und was mich bestimmt hat, den furchtbaren Kampf zu beginnen. Ich ward, wie Du weißt, in diesem Hause mit Ramses erzogen, und es war weise von Seti, daß er allhier seinen Sohn mit andern Knaben belehren ließ. Nur der Thronfolger und ich gewannen die Preise im Ernst und im Spiele. Wohl war er mein Meister im schnellen Erfassen – in kühnen Gedanken, mir aber eignete größere Sorgfalt und tieferes Sinnen. Oft lachte er meines mühseligen Strebens, mir aber erschien sein glänzendes Können wie eitles Blendwerk. Ich ward ein Geweihter, er aber lenkte den Staat mit dem Vater und endlich allein, als Seti gestorben. Wir wurden älter und doch blieb unverändert der innerste Grund unseres Wesens. Er stürmte hinaus zu herrlichen Thaten, die Völker warf er zu Boden und durch Ströme des Blutes seiner Bürger erhob er den Glanz des ägyptischen Namens zu schwindelnder Höhe.

      »In emsiger Arbeit verbracht' ich mein Leben und lehrte die Jugend und wachte über die Satzung, die das Beisammenwohnen der Menschen ordnet und das Volk mit der Gottheit verbindet. Mit Eifer hab' ich geforscht in den alten Schriften und manch' lehrreiches Wort von den Greisen vernommen. Dann hielt ich das Jetzt mit dem Früher zusammen. Was waren die Priester? Wie sind sie geworden zu dem was sie sind? Was wäre Aegypten, wenn wir nicht gewesen? Da blüht keine Kunst, kein Wissen, kein Können, das wir nicht ersonnen, gebildet, geübt. Wir krönten die Fürsten, wir nannten sie Götter und lehrten das Volk, sie als solche zu ehren, denn die Menge bedarf einer Hand, die sie leitet und vor der sie erzittert wie vor der Faust des übermächtigen Schicksals. Wir dienten gern dem Gott auf dem Throne, der, wie der Eine nach ewigen Gesetzen, nach unserer Satzung gebot und herrschte. Aus unserer Mitte erwählt' er die Rather, wir thaten ihm kund, was dem Lande fromme, er hörte uns willig und führte es aus. Die alten Könige waren die Hände, wir aber, die Priester, waren das Haupt. Und nun, mein Vater? Was sind wir geworden? Wir werden gebraucht, um das Volk im Glauben zu erhalten, denn wenn es aufhörte, die Götter zu ehren, wie sollt' es sich vor den Königen neigen? Viel wagte Seti und mehr noch sein Sohn, drum begehrten sie Beide der himmlischen Hülfe. Ein Frommer ist Ramses, er opfert fleißig und liebt das Gebet. Wir sind ihm notwendige Rauchfaßschwenker, Hekatombenschlächter, Gebetesprecher und Träumedeuter, jedoch seine Rather sind wir nicht mehr. Mein osirischer Vater, ein würdigerer Oberpriester als ich, bat den seinen im Auftrag des großen Raths der Propheten, er solle den frevlen Plan aufgeben, das Nordmeer durch einen schiffbaren Graben mit der unreinen Flut des Schilfmeers zu verbinden. Nur den Asiaten kommt ja solch' Werk zu Gute. 180 Doch Seti hörte nicht unsern Rath. 181 Des Landes alte Theilung wollten wir wahren, doch Ramses führte die neue ein, zum Schaden der Priester. Wir warnten vor neuen blutigen Kriegen und der König zog wieder und wieder in's Feld. Wir besitzen die alten geheiligten Briefe, die unsere Bauern von der Heerfolge befreien, und Du weißt ja, daß er sie frevelnd zerriß. Seit alten Zeiten soll Niemand in diesem Lande den fremden Göttern Tempel erbauen und Ramses begünstigt die Söhne des Auslandes und baut im Nordlande nicht allein, nein auch in dem altehrwürdigen Memphis und hier in Theben im Fremdenviertel den blutigen 182 Lügengöttern des Ostens Altäre und stattliche Heiligthümer.«

      »Du sprichst wie ein Seher,« rief der alte Gagabu. »Und was Du sagst, ist völlig wahr! Wir heißen noch Priester, doch, ach und weh, nach unserem Rathe wird wenig gefragt. ›Ihr habt den Menschen in jener Welt ein schönes Loos zu bereiten,‹ hat Ramses gesagt; ›ihre Geschicke auf Erden lenk' ich allein!‹«

      »So sprach er,« rief Ameni. »Und hätte er nichts gesagt als Das, so wär' er gerichtet! Er und sein Haus sind unserer Rechte und unseres edlen Landes Feinde. Brauche ich Dir zu sagen, woher die Sippe des Pharao stammt? Einst nannten wir die von Osten kommenden Schaaren, die unser Vaterland wie Heuschreckenschwärme überfallen, es ausgeraubt und geknebelt hatten, ›Pestplage‹ und ›Räuber‹. Zu ihnen gehörten des Ramses Väter. Als Ani's Ahnen die Hyksos vertrieben, verlangte die muthige Häuptlingssippe, die jetzt Aegypten regiert, die Gnade, am Nil zu verbleiben. Sie diente im Heere, sie that sich hervor und endlich gelang es dem ersten Ramses, die Truppen für sich zu gewinnen und das alte, in Ketzereien verstrickte Geschlecht der echten Söhne des Ra vom Throne zu stoßen. Nur ungern gesteh' ich's, die rechtgläubigen Priester – Dein Großvater war unter ihnen und meiner – unterstützten den kühnen Kronenräuber, der den alten Lehren in Treue anhing. Nicht weniger als hundert Ahnen von meinem und ebenso viele von Deinem Hause und vielen anderen Priestergeschlechtern sind hier am heiligen Nil gestorben, von Ramses' Ahnen kennen wir zehn und wissen, daß sie der Fremde entstammten, dem Amugelichter! Wie all' die Semiten, so ist auch er. Sie lieben das Wandern und nennen uns ›Pflüger‹ 183 und spotten der weisen gemessenen Ordnung, in der wir, den schwarzen Boden bestellend, in redlicher Arbeit des Geistes und Leibes dem langen Tode entgegenleben. Sie schweifen umher auf Beutezügen und stellen das Meerschiff auf salzige Fluten und kennen kein liebes gefestigtes Heim. Sie lassen sich nieder, wo Gewinn ihnen blüht, und gibt es nichts mehr zu erraffen, so bauen sie an anderen Stätten ihr Haus. Und so war Seti und so ist Ramses! Ein Jahr verbleiben sie wohl in Theben, doch dann ziehen sie fort in den Krieg und die Fremde. Sich fromm zu bescheiden, den Rath zu vernehmen der weiseren Mahner, verstehen sie mit nichten und werden's nicht lernen. Und wie der Vater, so sind die Kinder! Gedenke des frevlen Thuns der Bent-Anat. Ich sagte, der König schätze die Fremden. Hast Du denn erwogen, was das uns bedeutet? Wir streben nach hohen, nach edlen Zielen und haben uns aus den Fesseln der Sinne heraufgerungen zu Pflegern der Seele. Der Aermste lebt sicher im Schutz der Gesetze und nimmt durch uns Theil an den Gaben des Geistes, dem Reichen bieten sich herrliche Schätze der Kunst und des Wissens. Nun schau in die Fremde! Im Osten und Westen durchstreifen die Wüste in elenden Zelten Nomadenzüge, im Süden betet verthiertes Gesindel zu Federposen und niedrigen Götzen, die Schläge bekommen, wenn es dem Beter am Glück gebricht. Im Norden gibt es geordnete Staaten; doch was sie an Kunst und an Wissen besitzen, zum bessern Theile danken sie es uns; und immer noch bluten auf ihren Altären als ekle Opfer die Leiber der Menschen. Nur Rückgang im Guten gewährt uns die Fremde, drum ist es verständig, sich ihr zu verschließen, drum ist sie auch unseren Göttern verhaßt. Und Ramses, der König, gehört in die Fremde durch sein Blut, seinen Sinn, sein Herz und sein Antlitz. Stets denkt er in's Weite; dieß Land ist ihm zu eng, und sein


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