Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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geht damit dahin –«

      »Im ersten Schmerz um meine verstorbene Hausfrau,« sagte der Bäcker, »hab' ich mich auch an jedem Neumond ein kleineres und in jedem Jahre ein größeres Opfer zu bringen verpflichtet. Die Priester erlassen nichts von dem Gelobten und die Zeiten werden doch immer schlechter. Dabei ist die Verstorbene mir übel gesinnt und undankbar wie bei Lebzeiten, denn wenn sie mir im Traume erscheint, so gönnt sie mir kein gutes Wort und quält mich nicht selten.«

      »Sie ist jetzt ein leuchtender, allwissender Geist,« sagte das Weib des Korbflechters, »und gewiß warst Du ihr treulos. Die Verklärten wissen Alles, was auf Erden geschieht und geschehen ist.«

      Der Bäcker räusperte sich bedenklich, der Schuster aber rief:

      »Bei Anubis, dem Herrn der Unterwelt, ich wünsche vor meiner Alten zu sterben, denn wenn die bei Osiris erfährt, was ich hier auf Erden Alles gethan, und sie darf sich in jede Gestalt verwandeln, die sie will, so erscheint sie mir jede Nacht und zwickt mich als Krebs und drückt mich als lastender Alp.«

      »Wenn Du zuerst stirbst,« sagte das Weib, »so kommt sie doch später zu Dir in die Unterwelt und wird dort Dich durchschauen.«

      »Ist weniger gefährlich,« lachte der Schuster, »denn dann bin ich ja selbst ein Verklärter und ihr vergangenes Leben liegt offen vor mir. Das wird auch nicht ganz weiß sein, und wirft sie mit dem Schuh, so werf' ich mit dem Leisten.«

      »Komm' mit nach Hause,« sagte des Korbmachers Weib und zog ihren Mann mit sich fort, »Du hörst hier nichts Gutes.«

      Die Umstehenden lachten, der Bäcker aber rief:

      »Es ist die höchste Zeit, ich muß in der Nekropole sein, eh' es dunkelt, und den Tisch aufschlagen lassen für das morgende Fest. Meine Waaren stehen dicht bei dem schmalen Eingang in das Thal. Führ' Deine Kleinen zu mir, Schuster, ich schenke ihnen was Süßes. Fährst Du mit mir hinüber?«

      »Mein jüngerer Bruder,« entgegnete der Schuster, »ist schon mit der Waare hinüber. Wir haben noch mit den Kunden in Theben zu thun und da steh' ich hier und verschwatze die Zeit! Ob das wunderbare Herz des heiligen Widders wohl morgen gezeigt wird?«

      »Gewißlich,« sagte der Bäcker. »Lebe wohl! Da sind meine Kisten.«

      Elftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Zugleich mit dem Bäcker fuhren Hunderte von Leuten trotz der vorgerückten Zeit in die Nekropole.

      Es war ihnen gestattet, dort unter den Augen der Sicherheitswächter in der dem Feste vorangehenden Nacht zu verweilen, denn sie hatten ihre Verkaufstische und Schirmdächer aufzustellen, ihre Waaren auszulegen, ihre Zelte aufzuschlagen, und sobald die Sonne des nächsten Tages sich zeigte, war auf dem heiligen Strome jeder geschäftliche Verkehr verboten, durften nur Festbarken und solche Boote von Theben abfahren, welche die an der großen Prozession teilnehmenden Wallfahrer, Männer, Frauen und Kinder, Einheimische und Fremde an das jenseitige Ufer führten.

      Auch in den Sälen und Laboratorien des Setihauses ging es lebendiger her als sonst.

      Die Heiligsprechung des wunderbaren Herzens hatte die Vorbereitungen zum Feste auf kurze Zeit unterbrochen. Jetzt wurden wieder hier Chöre geübt, dort das auf dem heiligen See aufzuführende Schauspiel geprobt, 173 da Götterbilder abgestaubt und bekleidet 174 und die Farben der heiligen Embleme aufgefrischt, hier die Pantherfelle und andere Stücke des priesterlichen Ornats gelüftet und in Stand gesetzt, da Szepter, Rauchpfannen und anderes Metallgeräth geputzt und dort die in der Prozession umherzutragende Festbarke ausgeschmückt. 175 Im heiligen Haine des Setihauses flochten die kleineren Schüler, von den Tempelgärtnern geleitet, Guirlanden und Kränze zur Ausschmückung des Landungsplatzes, der Sphinxe, des Tempels und der Götterbilder. Die Fahnen wurden an den mit Erz beschlagenen Masten 176 vor den Pylonen aufgehißt und Schatten spendende Purpursegel über die Mitte der Höfe gebreitet.

      Der Vorsteher der Opfergaben nahm, von Schreibern, welche alles Abgelieferte notirten, von fest zugreifenden Neokoren und leibeigenen Ackerknechten unterstützt, an einer Nebenpforte schon jetzt das Vieh, die Korn und Fruchtspenden in Empfang, welche von den Bürgern aus allen Theilen des Landes am Feste des Thales dem Setihause gesteuert zu werden pflegten.

      Ameni war bald bei den Sängern, bald bei den Wundertätern, welche dem Volke überraschende Verwandlungen vorführen sollten, bald bei den Neokoren, welche Thronsessel für den Statthalter, die Gesandten der anderen Priesterkollegien des Landes 177 und die Propheten von Theben aufstellten, bald bei den das Rauchwerk herstellenden Priestern, bald bei den tausend Lampen für die Festnacht rüstenden Dienern, – kurz überall; hier anfeuernd, dort lobend. Als er die Ueberzeugung erlangt hatte, daß Alles in bestem Gange sei, befahl er einem »heiligen Vater«, Pentaur zu rufen.

      Der junge Priester hatte sich, nach seinem Abschiede von dem aus dem Tempel verwiesenen Ramsessohne Rameri, mit seinem Freunde Nebsecht in dessen Arbeitszimmer begeben.

      Der Arzt ging unruhig zwischen seinen Flaschen und Käfigen einher. Fieberhaft erregt, bald ein Pflanzenbündel mit dem Fuße fortstoßend, bald mit der Faust auf den Tisch schlagend, bewegte er heftig seine ungelenken Glieder, während er Pentaur erzählte, wie er bei seiner Heimkehr sein Arbeitszimmer gefunden.

      Seine Lieblingsvögel waren verhungert, seine Schlangen hatten sich befreit und sein Affe war, wahrscheinlich aus Angst vor ihnen, ihrem Beispiel gefolgt.

      »Das Vieh, das Scheusal!« rief er zornig, »hat die Töpfe mit den Käfern umgeworfen, die Kiste mit dem Mehl, das meine Vögel und Würmer zu fressen bekommen, ausgemacht und sich darin herumgewälzt, meine Messer, Nadeln, Zangen, meine Stifte, Zirkel und Rohrfedern hat er zum Fenster hinausgeworfen und als ich in das Zimmer trat, saß er, so weiß wie ein äthiopischer Sklave, der Tag und Nacht die Mühle dreht, auf dem Schranke da oben und hielt die Rolle, welche meine Aufzeichnungen über den Bau des thierischen Körpers, die Resultate von jahrelangen Studien enthält, in der Hand und schaute mit schrägem Kopfe ernst hinein. Ich will ihm das Buch abnehmen, er aber flieht mit der Rolle, springt zum Fenster hinaus, läßt sich auf dem Rande des Brunnens nieder und zerfetzt und zerreibt da wüthend den Papyrus. Ich springe ihm nach, er aber setzt sich in den Eimer, reißt an der Kette und läßt sich, indem er mich höhnisch anglotzt, in den Brunnen hinab. Als ich ihn wieder herausziehe, springt er mit den Resten des Buches in die Tiefe.«

      »Der arme Kerl ist ertrunken?« fragte Pentaur.

      »Ich fischte ihn mit dem Eimer heraus und legte ihn zum Trocknen in die Sonne. Aber er hatte auch allerlei Arzneien ausgesoffen und ist heute Mittag verendet. Meine Notizen sind auch hin! Manches freilich hab' ich behalten; es gilt aber doch im Ganzen von Neuem anzufangen. Du siehst, die Affen sind meinen Arbeiten ebenso feindlich wie die Weisen. Da in der Lade liegt die Bestie!«

      Pentaur hatte bei der Erzählung seines Freundes gelacht und dann seinen Verlust bedauert. Jetzt fragte er besorgt:

      »Dort liegt das Thier? Du vergißt doch nicht, daß er in der Kapelle des Toth bei der Bücherei gepflegt werden sollte. Er hat zu der heiligen Art der Hundskopfsaffen 178 gehört und alle guten Zeichen sind an ihm gefunden worden. Der Bibliothekar vertraute ihn Dir an, um sein krankes Auge zu heilen.«

      »Das war wieder gesund,« antwortete Nebsecht unbefangen.

      »Aber sie werden den unangetasteten Leichnam von Dir verlangen, um ihn zu balsamiren,« sagte Pentaur.

      »Sie werden?« murmelte Nebsecht und schaute den Freund an wie ein Knabe, von dem man einen Apfel zurückverlangt, den er längst aufgegessen.

      »Da hast Du wieder etwas Schönes begangen!« rief Pentaur freundlich drohend.

      Der Arzt nickte und sagte: »Ich habe ihn geöffnet und sein Herz untersucht.«

      »Du bist auf Herzen versessen, als wärest Du ein gefallsüchtiges Weib!« rief der Dichter. »Wie ist es


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