Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

Читать онлайн книгу.

Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


Скачать книгу

      Dem Wegeführer konnte die Erregung seiner Base nicht entgehen und teilnehmend sagte er:

      »Ich sehe Dir an, daß Du leidest. Der Vorsteher der Gestüte des Mena in Hermonthis ist gewiß bei Dir gewesen. Nicht? Zu mir kam er gestern und bat mich, ich möchte ihm erlauben, sich meiner Schaar anzuschließen. Er ist Dir nicht hold, weil er einige Gespanne von Mena's Goldfüchsen fortgeben mußte. Das schönste habe ich gekauft. Prächtige Thiere. Nun will er seinen Herrn aufsuchen, ›um ihm die Augen zu öffnen,‹ wie er sagte. Laß Dich doch nieder, Base; Du bist sehr bleich.«

      Katuti folgte dieser Aufforderung keineswegs, vielmehr lächelte sie und sagte mit einer Stimme, die halb unwillig halb mitleidig klang:

      »Der alte Narr glaubt wirklich, an den Goldfüchsen hinge unser Wohl und Wehe. Wirst Du ihn mitnehmen? Mena's Augen will er öffnen? Es hat sie ihm ja noch Niemand geschlossen.«

      Die letzten Worte klangen leise von Katuti's Lippen und ihr Blick suchte den Boden. Auch Paaker schaute niederwärts und schwieg; fand aber bald seine Fassung wieder und sagte:

      »Wenn Nefert noch lange ausbleibt, so geh' ich.«

      »Nein, nein! Bleibe!« unterbrach ihn die Wittwe. »Sie wünscht Dich zu sehen und muß gleich wiederkommen. Da steht noch ihr Kuchen und ihr Wein unberührt.«

      Bei diesen Worten nahm sie das Tüchlein von dem Frühstückstische, hob das silberne Becherchen leicht in die Höhe und sagte dann, das Tuch in der Hand behaltend:

      »Ich lasse Dich einen Augenblick allein und sehe nach, ob Nefert nicht doch schon heimgekehrt ist.«

      Kaum hatte sie die Veranda verlassen und Paaker sich überzeugt, daß er nicht gesehen werde, als er das Fläschchen aus seinem Gürtel riß, es mit einer kurzen Anrufung seines osirischen Vaters in die Höhe hielt und seinen ganzen Inhalt in den Becher goß, welcher nun bis zum Ueberlaufen gefüllt war.

      Wenige Minuten später betrat Nefert und gleich darauf ihre Mutter die Veranda.

      Paaker griff nach dem Strauße, den sein Sklave aus einen Stuhl niedergelegt hatte, und näherte sich mit ihm zaghaft der jungen Frau, die heute so sicher daherschritt und so selbstbewußt dreinschaute, daß ihre eigene Mutter sie staunend anblickte, Paaker aber meinte, daß er sie nie so schön und so lebensfrisch gesehen habe. Konnte sie ihren Gatten lieben, wenn sie sein Treubruch so wenig bekümmerte? Gehörte ihr Herz jetzt einem Andern? Hatte der Liebestrank ihn selbst an die Stelle des Mena gesetzt? Ja! Ja! Denn wie begrüßte sie ihn! Schon von ferne streckte sie ihm die Hand entgegen, ließ sie lange in der seinen, dankte ihm mit innigen Worten und pries seine Treue und Großmuth.

      Dann näherte sie sich dem Frühstückstisch, bat Paaker, sich zu ihr zu setzen, brach ihren Kuchen und erkundigte sich nach ihrer Base Setchem, seiner Mutter.

      Katuti und Paaker folgten mit klopfendem Herzen jeder ihrer Bewegungen.

      Jetzt erfaßte sie den Becher und führte ihn an ihre Lippen, setzte ihn aber nieder, um auf die Bemerkung des Mohar, daß sie ihren Morgenimbiß spät einnehme, erröthend zu antworten:

      »Ich war eine rechte Faulenzerin, aber heute bin ich früh aufgestanden, um noch in der Morgenfrische zum Tempel zu kommen und zu beten. Ihr wißt, was mit dem heiligen Widder des Amon geschehen ist. Ein furchtbares Unglück! Die Priester waren in großer Bewegung, aber der edle Bek en Chunsu empfing mich selber und deutete meinen Traum und nun ist mir recht leicht und froh zu Sinne.«

      »Und das Alles ohne mich?« fragte Katuti mit leisem Vorwurf.

      »Ich wollte Dich nicht stören,« antwortete Nefert. »Und des Morgens,« fügte sie erröthend hinzu, »nimmst Du mich ja niemals mit in die Stadt und den Tempel.«

      Wiederum griff sie nach dem Becher, schaute in den Wein und sagte ohne zu trinken:

      »Willst Du hören, was mir geträumt hat, Paaker? Es war ein seltsames Gesicht!«

      Der Wegeführer vermochte kaum mehr zu athmen vor Erwartung und doch bat er, sie möge erzählen.

      »Denke nur,« hob Nefert an und schob das Becherchen aus seinem glatten und von einigen übergeflossenen Weintropfen befeuchteten Untersatze hin und her, »denke nur, Paaker, mir träumte von dem Nehabaume 169 dort drüben in dem großen Kübel, den mir Dein Vater, als ich noch ein Kind war, aus Punt mitbrachte und der seitdem gar stattlich erwachsen ist. Kein Baum im ganzen Garten ist mir so lieb wie er, denn er erinnert mich stets an Deinen unvergeßlichen Vater, der mich so gern hatte!«

      Paaker nickte zustimmend.

      Nefert schaute ihn an, unterbrach ihre Erzählung und sagte, da sie bemerkte, daß seine Wangen glühten:

      »Es wird heiß. Begehrst Du auch einen Trunk Wein oder Wasser?«

      Mit diesen Worten erhob sie das Becherchen und trank es zur Hälfte aus; dann ergriff sie ein Schauder, und indem sie ihr schönes Gesicht zu einem komischen Lächeln verzog, wandte sie sich der hinter ihrem Stuhle stehenden Katuti zu, hielt ihr den Becher hin und sagte: »Heute ist der Wein aber gar zu sauer! Koste ihn nur, Mutter!«

      Die Wittwe nahm das silberne Gefäßchen in die Hand und führte es ernst an die Lippen, ohne sie zu benetzen. Als sie den Becher von ihrem Mund entfernte, flog ein Lächeln über ihre Züge und ihre Augen richteten sich auf den sie erschrocken anstarrenden Wegeführer. Durch ihr Hirn flog blitzschnell der Gedanke: » Du nach diesem da schmachtend und er sich fürchtend vor deiner Neigung!« Ihre eigensüchtige und ränkevolle Seele war frei von Rohheit, und dennoch hätte sie herzlich auflachen können, während sie die schändlichste That ihres Lebens beging. Gut gelaunt gab sie Nefert den Wein zurück und sagte:

      »Ich habe süßeren getrunken, aber die Säure erfrischt in der Hitze.«

      »Das ist wahr,« entgegnete die Gattin des Mena, leerte den Becher bis auf den Grund und sagte erfrischt: »Aber nun will ich meinen Traum zu Ende erzählen. Ich sah also den Nehabaum, das Geschenk Deines Vaters, schön und deutlich vor mir stehen; ja, ich meine seinen Duft gespürt zu haben, obgleich das der Deuter für unmöglich erklärte, denn man soll im Traume nichts riechen. Bewundernd näherte ich mich dem schönen Gewächse. Da zeigten sich plötzlich wohl hundert Beile in der Luft und hieben, von unsichtbaren Händen geschwungen, auf den armen Baum so kräftig drein, daß ein Ast nach dem andern und endlich auch der Stamm zu Boden sank. Wenn ihr denkt, dieß hätte mich bekümmert, so irrt ihr. Ich freute mich vielmehr an den blinkenden Beilen und fliegenden Splittern. Als endlich nichts mehr zu zerstören übrig war, als die Wurzel in der Erde, da nahm ich mir vor, den Baum zu neuem Leben zu erwecken. Meine schwachen Arme wurden plötzlich sehr stark, meine Füße behende und ich holte viel Wasser aus dem Teiche, goß es auf die Wurzeln, und als ich vor Anstrengung nicht mehr konnte, da zeigte sich zartes Grün an der Wunde des Baums, eine Knospe trat hervor, ein grünes Blatt wickelte sich auf, ein saftiges Stengelchen wuchs rasch in die Höhe, verhärtete sich zum Stamm, sandte Zweige aus und ließ Aestlein wachsen, schmückte diese mit Blättern und jene mit Blüten in weiß, in roth und blau, und dann kamen viele bunte Vögel herbei und setzten sich in die Krone des Baumes und sangen. Ach, und mein Herz sang lauter als die Vögel bei diesem Anblick, und ich sagte mir, daß der Baum ohne mich gestorben wäre und mir sein Leben verdanke.«

      »Ein schöner Traum,« sagte Katuti, »der mich an Deine Mädchenzeit erinnert, in der Du halbe Nächte lang wach lagest und bunte Märchen ersannst. Welche Deutung gab Dir der Priester?«

      »Mancherlei versprach er mir,« sagte Nefert, »und er gab die Versicherung, daß das mir vorherbestimmte Glück nach gewaltsamen Eingriffen in dasselbe endlich in frischem Grün erwachsen werde.«

      »Und Paaker's Vater schenkte Dir den Nehabaum?« fragte Katuti, indem sie die Veranda verließ und in den Garten hinaus trat.

      »Mein Vater bracht' ihn für Dich von den Grenzen des Ostens nach Theben,« rief der Wegeführer, die letzten Worte der Wittwe bestätigend.

      »Und das ist es ja gerade, was mich so herzlich freut,« erwiederte Nefert. »Denn Dein Vater war mir so lieb und theuer, als wär' er mein eigener gewesen.


Скачать книгу