Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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Mann mich damals ansah, als ich auf seinen Armen erwachte; so kluge und treue Augen wie er hat auch Niemand jemals gehabt.«

      »Er war gut und liebte Dich sehr,« sagte Paaker und gedachte seinerseits der Stunde, in der er es gewagt hatte, dem besinnungslosen schönen Kinde einen Kuß auf die Lippen zu drücken.

      »Und wie freu' ich mich,« rief Nefert, »daß endlich der Tag gekommen ist, an dem wir zusammen über ihn reden dürfen, daß der alte Groll, der mir das Herz beschwerte, nun endlich vergessen ward! Wie gut Du bist, hab' ich jetzt erfahren! Mein Herz strömt über von Dank, wenn ich an meine Kindheit gedenke, und daß ich Alles, was schön in ihr war und unvergeßlich, Dir und den Deinen schuldig bin. Sieh' nur den Hund an, den großen Descher, wie er sich an mich drängt und mir zeigt, daß er mich nicht vergessen hat! Was auch aus eurem Hause kommt, erweckt in mir so freundliche Erinnerungen!«

      »Wir hatten Dich Alle sehr lieb,« sagte Paaker und blickte mit Zärtlichkeit zu ihr hin.

      »Und wie schön war es in eurem Garten!« rief Nefert. »Der Strauß hier, den Du mir brachtest, soll in Wasser gestellt und lange verwahrt werden als ein Gruß der Stätte, in der ich so sorglos und glückselig spielen und träumen durfte!«

      Bei diesen Worten drückte sie ihre Lippen auf die bunten Blumen, Paaker aber sprang auf, ergriff ihre Rechte und bedeckte sie mit glühenden Küssen.

      Nefert erschrak und entzog ihm die Hand; er aber streckte den Arm nach ihr aus, um die Zurückweichende zu umfangen.

      Schon berührte seine bebende Hand ihren schlanken Leib, als im Garten lautes Rufen erscholl und Nemu in die Halle eilte, um zu verkünden, daß die Prinzessin Bent-Anat gekommen sei.

      Gleich darauf erschien Katuti und wenige Augenblicke später die Lieblingstochter des Ramses.

      Paaker trat zurück und verabschiedete sich, ehe Nefert Zeit gefunden hatte, ihrer Entrüstung Ausdruck zu geben.

      Wie ein Trunkener erreichte er seinen Wagen. Er hielt sich für geliebt von der Gattin des Rosselenkers, sein Herz war voll Jubel, er dachte die alte Hekt mit Gold zu belohnen und ungesäumt fuhr er in den Palast, um den Statthalter Ani zu bitten, ihn nach Syrien zu entlassen. Dort sollte es gelten: er oder Mena! – –

      Zehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Während Nefert, von Entsetzen gefesselt, kein Wort fand, ihre fürstliche Freundin zu begrüßen, eröffnete Bent-Anat mit königlicher Würde der Wittwe ihren Entschluß, ihrer Tochter die Ehrenstelle ihrer vornehmsten Gefährtin zu übertragen. Heute noch, so befahl sie, sollte die Gattin des Mena zu ihr in den Palast ziehen.

      So hatte sie niemals mit Katuti geredet, und dieser konnte es nicht entgehen, daß Bent-Anat geflissentlich den alten vertraulichen Ton umgestimmt habe.

      »Nefert hat mich bei ihr angeklagt,« sagte sie sich, »und sie hält mich nicht mehr für würdig der früheren freundschaftlichen Güte.«

      Sie fühlte sich verletzt und geängstigt, und wenn sie auch empfand, mit welchen Gefahren sie die geöffneten Augen ihrer Tochter bedrohten, so schlug doch der Gedanke, ihr Kind zu verlieren, ihrem Herzen schmerzliche Wunden. Darum waren die Thränen, welche ihre Augen erfüllten, und das ihre Stimme durchzitternde Weh aufrichtig, als sie der Prinzessin erwiederte:

      »Du forderst die bessere Hälfte meines Lebens, aber Du hast zu befehlen und ich gehorche.«

      Bent-Anat winkte stolz mit der Rechten, als wollte sie der Wittwe Ausspruch bestätigen; Nefert aber eilte auf ihre Mutter zu, schlang ihre Arme um ihren Hals und weinte lang an ihrem Busen.

      Auch in der Prinzessin Augen schimmerten Thränen, als Katuti ihr endlich ihre Tochter zuführte und noch einmal einen Kuß auf ihre schöne Stirn drückte.

      Bent-Anat faßte Nefert's Hand und ließ sie nicht los, während sie die Wittwe ersuchte, den Dienerinnen und Haussklaven, welche sie senden werde, die Kleider und den Schmuck ihres Kindes zu übergeben.

      »Und vergiß nicht die Schachtel mit den trockenen Blumen und meine Götterbilder und Amulete,« bat Nefert. »Auch den Nehabaum, den der Oheim mir schenkte, möcht' ich haben.«

      Ihr weißes Kätzchen spielte zu ihren Füßen mit dem zu Boden gefallenen Strauße Paaker's, und als sie es bemerkte, hob sie es auf und küßte es.

      »Nimm das Thierchen mit,« sagte die Prinzessin. »Es war Dein Lieblingsspielzeug.«

      »Nein,« entgegnete Nefert und erröthete.

      Die Prinzessin verstand sie, drückte ihre Hand und fragte, indem sie auf Nemu zeigte: »Der Zwerg ist ja auch Dein Eigenthum. Soll er Dir folgen?«

      »Ich schenke ihn der Mutter,« gab Nefert zurück, ließ sich von dem Kleinen das Gewand und die Füße küssen, umarmte Katuti noch einmal und verließ mit ihrer fürstlichen Freundin den Garten.

      Sobald Katuti allein war, eilte sie in das Kapellchen, in welchem, abgesondert von denen des Mena, ihre Ahnenbilder standen. Vor der Statue ihres verstorbenen Gatten warf sie sich nieder, bald klagend, bald dankend.

      Wohl war diese Trennung ihrem Herzen sauer gefallen, aber sie erlöste sie zugleich von einem schweren, ihre Brust bedrückenden Alp. Seit gestern war ihr zu Sinne gewesen, wie einem am Rande eines Abhangs dahinschreitenden Wanderer, dem sein Feind auf den Fersen folgt. Bald gewann das Gefühl der Bedrohten, erlöst zu sein, die Oberhand über den Schmerz der Mutter. Die Abgründe vor ihr hatten sich ausgefüllt, eben und zu rüstiger Wanderung ladend lag vor ihr die Bahn zum letzten Ziel ihres Strebens.

      Schnell und heftig durchmaß die sonst so würdevoll schreitende Wittwe die Gänge des Gartens und zum ersten Male seit der Unglückspost aus dem Feldlager gelang es ihr, unbeirrt und klar den Stand der Dinge zu überblicken und die Maßregeln durchzudenken, welche Ani in der nächsten Zukunft zu ergreifen habe.

      Sie sagte sich, daß Alles gut stehe und daß die Zeit zu schnellen und kühnen Thaten gekommen sei.

      Als die Boten der Prinzessin erschienen, leitete sie mit ruhiger Ueberlegung die Verpackung der Gegenstände, welche Nefert mit sich zu nehmen gewünscht hatte, und sandte sodann ihren Zwerg zu Ani, um ihn zu bitten, daß er sie besuchen möge. Aber ehe Nemu das Erbe des Mena verlassen, zeigten sich ihm die Vorläufer des Statthalters, sein Wagen und die Schaar seiner ihm folgenden Trabanten.

      Bald darauf ging Katuti mit ihrem fürstlichen Freunde in ihrem Garten auf und nieder, erzählte ihm, daß Bent-Anat ihr Nefert genommen, und wiederholte ihm Alles, was sie in den letzten Stunden erwogen und geplant hatte.

      »Dir ward der Geist eines Mannes,« sagte Ani, »und dießmal drängst Du mich nicht vergeblich. Ameni ist zu handeln bereit und Paaker sammelt heute schon seine Schaar; morgen will er noch dem Feste des Thales beiwohnen und übermorgen zieht er nach Syrien.«

      »Er war bei Dir?« fragte Katuti.

      »Aus Deinem Hause kam er in den Palast,« gab Ani zurück. »Mit glühenden Wangen und entschlossen zum Aeußersten, obgleich er noch nicht ahnt, daß ich ihn in meiner Hand halte.«

      Also redend betraten sie die Veranda, in der sich Nemu aufgehalten und sich nun, um sie zu belauschen, hinter die Blattpflanzen versteckt hatte. Sie setzten sich nebeneinander an Nefert's Frühstückstisch nieder und Ani fragte seine Freundin, ob Nemu ihr das Geheimniß seiner Mutter anvertraut habe. Katuti stellte sich unwissend, ließ sich die Geschichte von dem Liebestrank erzählen und spielte die entsetzte Mutter mit großem Geschick. Der Statthalter behauptete, indem er sie beruhigte, daß es keine wirksamen Liebestränke gäbe; die Wittwe aber rief:

      »Nun versteh' ich, nun begreif' ich erst meine Tochter. Paaker hat ihr den Trank in den Wein gegossen, denn sobald Nefert heute Morgen ihren Becher geleert hatte, war sie wie verwandelt. Zärtlich klangen die Worte, die sie an Paaker richtete, und wenn er sich Dir vorhin so freudig zur Verfügung stellte, so that er's, weil er der Liebe meiner Tochter gewiß zu sein


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