Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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Das Mittel hatte geholfen, Heidi weinte nie mehr, was es auch lesen mochte; aber manchmal hatte es solche Anstrengungen zu machen, um sich zu überwinden und nicht aufzuschreien, dass Klara öfter ganz erstaunt sagte: "Heidi, du machst so schreckliche Grimassen, wie ich noch nie gesehen habe. " Aber die Grimassen machten keinen Lärm und fielen der Dame Rottenmeier nicht auf, und wenn Heidi seinen Anfall von verzweiflungsvoller Traurigkeit niedergerungen hatte, kam alles wieder ins Geleise für einige Zeit und war tonlos vorübergegangen. Aber seinen Appetit verlor Heidi so sehr und sah so mager und bleich aus, dass der Sebastian fast nicht ertragen konnte, das so mit anzusehen und Zeuge sein zu müssen, wie Heidi bei Tisch die schönsten Gerichte an sich vorübergehen ließ und nichts essen wollte. Er flüsterte ihm auch öfter ermunternd zu, wenn er ihm eine Schüssel hinhielt: "Nehmen von dem, Mamsellchen, 's ist vortrefflich. Nicht so! Einen rechten Löffel voll, noch einen!", und dergleichen väterlicher Räte mehr; aber es half nichts: Heidi aß fast gar nicht mehr, und wenn es sich am Abend auf sein Kissen legte, so hatte es augenblicklich alles vor Augen, was daheim war, und nur ganz leise weinte es dann vor Sehnsucht in sein Kissen hinein, so dass es gar niemand hören konnte.

      So ging eine lange Zeit dahin. Heidi wusste gar nie, ob es Sommer oder Winter sei, denn die Mauern und Fenster, die es aus allen Fenstern des Hauses Sesemann erblickte, sahen immer gleich aus, und hinaus kam es nur, wenn es Klara besonders gut ging und eine Ausfahrt im Wagen mit ihr gemacht werden konnte, die aber immer sehr kurz war, denn Klara konnte nicht vertragen, lang zu fahren. So kam man kaum aus den Mauern und Steinstraßen heraus, sondern kehrte gewöhnlich vorher wieder um und fuhr immerfort durch große, schöne Straßen, wo Häuser und Menschen in Fülle zu sehen waren, aber nicht Gras und Blumen, keine Tannen und keine Berge, und Heidis Verlangen nach dem Anblick der schönen gewohnten Dinge steigerte sich mit jedem Tage mehr, so dass es jetzt nur den Namen eines dieser Erinnerung weckenden Worte zu lesen brauchte, so war schon ein Ausbruch des Schmerzes nahe, und Heidi hatte mit aller Gewalt dagegen zu ringen. So waren Herbst und Winter vergangen, und schon blendete die Sonne wieder so stark auf die weißen Mauern am Hause gegenüber, dass Heidi ahnte, nun sei die Zeit nahe, da der Peter wieder zur Alm führe mit den Geißen, da die goldenen Cystusröschen glitzerten droben im Sonnenschein und allabendlich ringsum alle Berge im Feuer ständen. Heidi setzte sich in seinem einsamen Zimmer in einen Winkel und hielt sich mit beiden Händen die Augen zu, dass es den Sonnenschein drüben an der Mauer nicht sehe; und so saß es regungslos, sein brennendes Heimweh lautlos niederkämpfend, bis Klara wieder nach ihm rief.

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      Im Hause Sesemann spukt's

       Inhaltsverzeichnis

      Seit einigen Tagen wanderte Fräulein Rottenmeier meistens schweigend und in sich gekehrt im Haus herum. Wenn sie um die Zeit der Dämmerung von einem Zimmer ins andere oder über den langen Korridor ging, schaute sie öfters um sich, gegen die Ecken hin und auch schnell einmal hinter sich, so, als denke sie, es könnte jemand leise hinter ihr herkommen und sie unversehens am Rock zupfen. So allein ging sie aber nur noch in den bewohnten Räumen herum. Hatte sie auf dem oberen Boden, wo die feierlich aufgerüsteten Gastzimmer lagen, oder gar in den unteren Räumen etwas zu besorgen, wo der große geheimnisvolle Saal war, in dem jeder Tritt einen weithin schallenden Widerhall gab und die alten Ratsherren mit den großen, weißen Kragen so ernsthaft und unverwandt auf einen niederschauten, da rief sie nun regelmäßig die Tinette herbei und sagte ihr, sie habe mitzukommen, im Fall etwas von dort herauf- oder von oben herunterzutragen wäre. Tinette ihrerseits machte es pünktlich ebenso; hatte sie oben oder unten irgendein Geschäft abzutun, so rief sie den Sebastian herbei und sagte ihm, er habe sie zu begleiten, es möchte etwas herbeizubringen sein, das sie nicht allein tragen könnte. Wunderbarerweise tat auch Sebastian akkurat dasselbe; wurde er in die abgelegenen Räume geschickt, so holte er den Johann herauf und wies ihn an, ihn zu begleiten, im Fall er nicht herbeischaffen könnte, was erforderlich sei. Und jedes folgte immer ganz willig dem Ruf, obschon eigentlich nie etwas herbeizutragen war, so dass jedes gut hätte allein gehen können; aber es war so, als denke der Herbeigerufene immer bei sich, er könne den anderen auch bald für denselben Dienst nötig haben. Während sich solches oben zutrug, stand unten die langjährige Köchin tiefsinnig bei ihren Töpfen und schüttelte den Kopf und seufzte: "Dass ich das noch erleben musste!"

      Es ging im Hause Sesemann seit einiger Zeit etwas ganz Seltsames und Unheimliches vor. Jeden Morgen, wenn die Dienerschaft herunterkam, stand die Haustür weit offen; aber weit und breit war niemand zu sehen, der mit dieser Erscheinung im Zusammenhang stehen konnte. In den ersten Tagen, da dies geschehen war, wurden gleich mit Schrecken alle Zimmer und Räume des Hauses durchsucht, um zu sehen, was alles gestohlen sei, denn man dachte, ein Dieb habe sich im Hause verstecken können und sei in der Nacht mit dem Gestohlenen entflohen; aber da war gar nichts fortgekommen, es fehlte im ganzen Hause nicht ein einziges Ding. Abends wurde nicht nur die Tür doppelt zugeriegelt, sondern es wurde noch der hölzerne Balken vorgeschoben—es half nichts: Am Morgen stand die Tür weit offen; und so früh nun auch die ganze Dienerschaft in ihrer Aufregung am Morgen herunterkommen mochte—die Tür stand offen, wenn auch ringsum alles noch im tiefen Schlaf lag und Fenster und Türen an allen anderen Häusern noch fest verrammelt waren. Endlich fassten sich der Johann und der Sebastian ein Herz und machten sich auf die dringenden Zureden der Dame Rottenmeier bereit, die Nacht unten in dem Zimmer, das an den großen Saal stieß, zuzubringen und zu erwarten, was geschehe. Fräulein Rottenmeier suchte mehrere Waffen des Herrn Sesemann hervor und übergab dem Sebastian eine große Liqueurflasche, damit Stärkung vorausgehen und gute Wehr nachfolgen könne, wo sie nötig sei.

      Die beiden setzten sich an dem festgesetzten Abend hin und fingen gleich an, sich Stärkung zuzutrinken, was sie erst sehr gesprächig und dann ziemlich schläfrig machte, worauf sie beide sich an die Sesselrücken lehnten und verstummten. Als die alte Turmuhr drüben zwölf schlug, ermannte sich Sebastian und rief seinen Kameraden an; der war aber nicht leicht zu erwecken; sooft ihn Sebastian anrief, legte er seinen Kopf von einer Seite der Sessellehne auf die andere und schlief weiter. Sebastian lauschte nunmehr gespannt, er war nun wieder ganz munter geworden. Es war alles mäuschenstill, auch von der Straße war kein Laut mehr zu hören. Sebastian entschlief nicht wieder, denn jetzt wurde es ihm sehr unheimlich in der großen Stille, und er rief den Johann nur noch mit gedämpfter Stimme an und rüttelte ihn von Zeit zu Zeit ein wenig. Endlich, als es droben schon ein Uhr geschlagen hatte, war der Johann wach geworden und wieder zum klaren Bewusstsein gekommen, warum er auf dem Stuhl sitze und nicht in seinem Bett liege. Jetzt fuhr er auf einmal sehr tapfer empor und rief: "Nun, Sebastian, wir müssen doch einmal hinaus und sehen, wie's steht; du wirst dich ja nicht fürchten. Nur mir nach."

      Johann machte die leicht angelehnte Zimmertür weit auf und trat hinaus. Im gleichen Augenblick blies aus der offenen Haustür ein scharfer Luftzug her und löschte das Licht aus, das der Johann in der Hand hielt. Dieser stürzte zurück, warf den hinter ihm stehenden Sebastian beinah rücklings ins Zimmer hinein, riss ihn dann mit, schlug die Tür zu und drehte in fieberhafter Eile den Schlüssel um, solang er nur umging. Dann riss er seine Streichhölzer hervor und zündete sein Licht wieder an. Sebastian wusste gar nicht recht, was vorgefallen war, denn hinter dem breiten Johann stehend, hatte er den Luftzug nicht so deutlich empfunden. Wie er aber jenen nun bei Licht besah, tat er einen Schreckensruf, denn der Johann war kreideweiß und zitterte wie Espenlaub. "Was ist's denn? Was war denn draußen?", fragte der Sebastian teilnehmend.

      "Sperrangelweit offen die Tür", keuchte Johann, "und auf der Treppe eine weiße Gestalt, siehst du, Sebastian, nur so die Treppe hinauf— husch und verschwunden."

      Dem Sebastian gruselte es den ganzen Rücken hinauf. Jetzt setzten sich die beiden ganz nah zusammen und regten sich nicht mehr, bis dass der neue Morgen da war und es auf der Straße anfing, lebendig zu werden. Dann traten sie zusammen hinaus, machten die weit offen stehende Haustür zu und stiegen dann hinauf, um Fräulein Rottenmeier Bericht zu erstatten über das Erlebte. Die Dame war auch schon zu sprechen, denn die Erwartung der zu vernehmenden Dinge hatte sie nicht mehr schlafen lassen. Sobald sie nun vernommen hatte, was vorgefallen war, setzte sie sich hin und schrieb einen Brief an Herrn Sesemann,


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