Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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Sikes und schleuderte das Mädchen in eine Ecke des Zimmers. In diesem Augenblick kam der Jude mit seinen beiden Zöglingen zurück, die Oliver nachzerrten.

      "Was ist denn hier, los?" fragte der Jude sich umblickend.

      "Das Weib ist verrückt geworden, glaub' ich", erwiderte Sikes wütend.

      "Durchaus nicht", rief Nancy blaß und atemlos von dem Kampf. "Glauben Sie das ja nicht Fagin."

      "Dann halte den Mund", schrie der Jude drohend.

      "Habe ich nicht nötig", kreischte Nancy.."Was sagst du nun?"

      Fagin schien es im gegenwärtigen Augenblick nicht geraten, sich in einen weiteren Wortwechsel mit ihr einzulassen. Er wandte sich deshalb an Oliver und fuhr ihn an:

      "Du wolltest also fortlaufen, mein Lieber", dabei nahm er einen Knotenstock, der am Kamin lag, in die Hand. "Wolltest um Hilfe rufen, zur Polizei gehen! Das wollen wir dir austreiben." Hier packte er den Jungen und schlug ihn mit dem Stock über den Rücken. Als er zum zweiten Male ausholen wollte, eilte Nancy herbei und entwand den Stock seinen Händen. Sie schleuderte ihn in den Kamin, daß die Funken nur so im Zimmer herumflogen.

      "Ich dulde es nicht", schrie sie und stampfte mit dem Fuß zornig auf den Boden. "Ihr habt den Jungen, was wollt ihr mehr. Laßt ihn zufrieden, oder ich tue euch was an, selbst wenn es mich vor der Zeit an den Galgen bringen sollte."

      "Ach, Nancy!" sagte- der Jude beschwichtigend nach einer Pause, während der er und Sikes sich verblüfft angeguckt hatten. "Sie spielen heute abend Ihre Rolle besser als je."

      "Wirklich?" versetzte das Mädchen, "nehmt euch in acht, daß ich euch nicht tatsächlich mal was vorspiele. Das wäre schlimm für euch. Ich sage euch das rechtzeitig, damit ihr euch vorseht."

      "Was soll das heißen?" tobte Sikes und stieß eine Flut von Verwünschungen gegen sie aus. "Der Teufel soll dich holen! Du hast wohl vergessen, wer du bist und was du bist?"

      "O nein, ich weiß das ganz genau", versetzte das Mädchen mit hysterischem Lachen.

      "Na, dann sei ruhig", sagte Sikes, "oder ich mach' dich für eine lange Zeit still."

      Das Mädchen lachte wieder und warf einen flüchtigen Blick auf ihn; dann drehte sie sich um und biß sich auf die Lippen, daß sie bluteten.

      "Du bist mir gerade die Rechte, die Menschenfreundin 'rauszubeißen", fuhr Sikes im verächtlichen Tone fort. "Eine nette Freundin für das Kind, wie du den Jungen nennst."

      "Der Allmächtige ist mein Zeuge, daß ich es bin", rief Nancy leidenschaftlich. "Lieber läge ich tot auf der Straße oder säße im Gefängnis, als daß ich mich dazu hergegeben hätte, ihn in euere Hände zu bringen. Er ist von diesem Augenblick an ein Dieb, ein Lügner, ein Teufel, kurz alles, was man sich nur Schlimmes denkt. Ist das nicht für den alten Halunken genug, muß er ihn auch noch prügeln?"

      "Sehen Sie, Sikes", sagte der Jude in einem belehrenden Tone, "wir müssen höflich sein und freundliche Worte gebrauchen. Immer höflich, Bill!"

      "Höfliche Worte!" schrie das Mädchen, das in seiner Wut schrecklich anzusehen war. "Freundliche Worte! Du Schurke! Du verdienst sie auch von mir. Ich stahl für dich, als ich noch ein Kind war, nicht halb so alt wie dieses (sie zeigte auf Oliver) und treibe nun seit zwölf Jahren dasselbe Gewerbe. Weißt du das nicht? Sprich!"

      "Nun", sagte der Jude begütigend, "wenn du es tatest, so hattest du doch dein Brot davon."

      "Das stimmt", sprudelte das Mädchen mit steigender Heftigkeit heraus. Ihre Worte überstürzten sich förmlich.

      "Es ist mein Brot, und die kalten, nassen, schmutzigen Straßen sind mein Heim. Und du bist der Lump, der mich heraustrieb und der mich Tag und Nacht hinaustreiben wird, bis ich verrecke!"

      "Nun hör auf", fiel der Jude gereizt ein, "sonst passiert dir was, das dir recht unangenehm sein könnte."

      Das Mädchen sagte nichts mehr, aber zerraufte sich wie eine Verrückte das Haar und zerriß sich das Kleid, dann stürzte sie wütend auf den Juden los. Im rechten Augenblick packte Sikes sie jedoch am Handgelenk, sonst hätte sie ohne Zweifel sehr deutliche Zeichen ihrer Rache in des Juden Gesicht zurückgelassen. Nachdem sie vergeblich versuchte, sich von Sikes Griff zu befreien, fiel sie plötzlich in Ohnmacht.

      "Nun ist alles wieder in Ordnung", meinte Sikes und trug sie in eine Ecke des Zimmers. .Sie hat eine Riesenkraft, wenn sie in Wut ist!"

      Der Jude wischte sich die Stirn und lächelte: "mit Weibern zu tun zu haben, ist schlimm, aber sie sind schlau, und ohne sie geht's in unserm Geschäft nicht. – Karl, bring Oliver zu Bett!"

      "Nicht wahr, Fagin, er soll morgen seinen Sonntagsstaat nicht tragen?" Der Jude verneinte. Oliver wurde nun in das anstoßende Gemach geführt, wo ein Bett aus alten Säcken in der Ecke stand. Karl brachte lachend denselben alten Anzug zum Vorschein, den Oliver in Brownlows Hause dem Dienstmädchen geschenkt hatte. Fagin hatte die Lumpen von einem Juden gekauft und dadurch die erste Spur von unseres Helden Aufenthalt erhalten.

      "Zieh deinen Sonntagsanzug aus", sagte Karl; "ich will ihn Fagin zum Aufheben geben. Das wird ein Hauptspaß."

      Widerwillig gehorchte Oliver und wurde dann von Karl im Finstern gelassen, der hinausging und die Tür hinter sich abschloß. Karls Lachen und die Stimme Betsys, die gekommen war, um ihrer Freundin beizustehen, hätten ihn unter glücklicheren Umständen wach erhalten. Er war jedoch krank und müde und verfiel deshalb in einen tiefen Schlaf.

      Siebzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

       Olivers Schicksal bleibt dauernd ungünstig. Ein großer Mann kommt nach London, um seinem Rufe zu schaden

      Wir bitten den Leser jetzt, uns nach der Stadt zu begleiten, wo unser kleiner Held zur Welt kam.

      Herr Bumble trat eines Morgens früh aus dem Armehause und ging würdevoll die Straße hinunter. Er trug zwar seinen Kopf immer gebührend hoch, heute jedoch noch höher als gewöhnlich. Herr Bumble hielt sich nicht mit den kleinen Krämern auf, die ihn ansprechen wollten, sondern grüßte sie nur mit einer leichten Handbewegung. An dem Landhaus machte er schließlich halt, wo Frau Mann die armen Kinder nach den Grundsätzen der Armenbehörde betreute.

      "Was mag dieser verwünschte Gemeindediener schon in aller Herrgottsfrühe wollen?" sagte Frau Mann, als sie sein bekanntes, ungeduldiges Klopfen an der Gartentür vernahm. – "Ah! Sieh da, Herr Bumblel freut mich, Sie zu sehen. Bitte, treten Sie näher."

      "Frau Mann", sagte Herr Bumble, indem er sich würdevoll setzte, "Frau Mann, ich wünsche Ihnen einen guten Morgen!"

      "Danke, gleichfalls, Herr Bumble", versetzte Frau Mann liebenswürdig lächelnd. "Es geht Ihnen hoffentlich gut?"

      "So, so Frau Mann", erwiderte Herr Bumble; "man ist nicht auf Rosen gebettet."

      "Ach, das ist nur zu wahr!" Hätten die Armenkinder das hören können, sie hätten alle ausnahmslos Frau Mann beigepflichtet.

      "Das Leben eines Gemeindebeamten, Frau Mann", fuhr Bumble fort und schlug mit seinem Stock auf den Tisch, "ist ein Leben voll Mühe, Arbeit und Ärger. Dagegen ist jedoch nichts zu machen, alle Leute im öffentlichen Leben müssen sich Anfeindungen gefallen lassen."

      Obgleich Frau Mann nicht wußte, was er damit sagen wollte, seufzte sie teilnahmsvoll.

      "Ich gehe nach London, Frau Mann", fuhr Bumble fort.

      "Ach, wirklich?"

      "Ja, und zwar in der Postkutsche. Ich und zwei Arme. Es handelt sich um die Feststellung ihrer Heimatszustädigkeit. Die Armenhausbehörde hat mich mit ihrer Vertretung betraut. Es wird sich dann herausstellen", fuhr Herr Bumble fort und richtete sich stolz auf, "ob die Herren vom Gericht in Clerkenwell sich nicht in mir gewaltig verrechnet haben. So leicht werden Sie mit mir nicht fertig."

      "Sie


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