Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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"Nur, wenn sie krank sind. Bei Regenwetter setzen wir die armen Kranken auf offene Karren, damit sie sich nicht erkälten."

      "Ach so!"

      "Es ist eine Retourkutsche und daher sehr billig", sagte Herr Bumble. "Die beiden Armen sind in einem ziemlich elenden Zustande, und die Gemeinde fährt um zwei Pfund besser, wenn sie sie fortschickt, als wenn sie sie begraben lassen muß. Das heißt, wir müssen sie einer andern Gemeinde zuweisen können, was, wie ich glaube, gehen wird. Sie dürfen uns nur nicht den Possen spielen und unterwegs sterben. Ha! Ha! Ha!"

      "Doch wir vergessen unser Geschäft", sagte der Gemeindediener, nachdem er genügend gelacht hatte. "Hier ist das Kostgeld für den Monat." Er holte eine kleine Rolle Silbergeld aus seiner Tasche hervor und bat um Quittung, die Frau Mann auch sofort ausschrieb. Dann fragte Bumble nach dem Wohlergehen der Kinder.

      "Gott segne die lieben kleinen Herzblättchen. Sie sind alle so gesund, als es die Umstände erlauben – bis auf die zwei, die in der letzten Woche starben."

      Herr Bumble verabschiedete sich nun nach einer Weile und ging heim.

      Am nächsten Morgen um sechs Uhr nahm er mit den beiden Armen seinen Sitz auf der Außenseite der Kutsche ein und langte fahrplanmäßig in London an. Nachdem Herr Bumble seine Schützlinge, die halb erfroren waren, für die Nacht untergebracht hatte, ließ er sich in dem Gasthause, wo die Kutsche hielt, ein bescheidenes Essen, bestehend aus Beefsteak, Austernsauce und Porter, bringen und studierte dann die Zeitung.

      Das erste, was Herrn Bumble ins Auge fiel, war folgende Ankündigung:

       Fünf Guineen Belohnung.

      Letzten Donnerstagabend ist ein Knabe, namens Oliver Twist, aus seiner Wohnung in Pentonville verschwunden und hat nichts mehr von sich hören lassen. Die Möglichkeit besteht, daß er entfüht wurde. Obige Belohnung soll derjenige erhalten, der über den Verbleib des besagten Oliver Twist Angaben machen kann, oder der sonst etwas von seiner Herkunft weiß, da der Inserent sich auch für diese lebhaft interessiert.

      Der Anzeige war eine genaue Besch reibung von Oliver nebst Herrn Brownlows Adresse beigegeben.

      Herr Bumble machte große Augen und las die Anzeige dreimal durch. Doch ehe fünf Minuten vergingen, war er auf dem Wege nach Pentonville. –

      "Ist Herr Brownlow zu Hause?" fragte Bumble das Mädchen, welches die Tür öffnete.

      "Ich weiß nicht – was wünschen Sie?"

      Herr Bumble hatte kaum den Namen Oliver Twist genannt, als Frau Bedwin, die an der Tür gehorcht hatte, hastig in den Hausflur eilte.

      "Kommen Sie herein", sagte die alte Frau; "ich wußte ja, daß wir von ihm hören würden. Der arme Junge. Gott segne ihn.«'

      Das Mädchen war inzwischen die Treppe hinaufgegangen und kehrte jetzt mit der Bitte zurück, daß Herr Bumble ihr folgen möchte.

      Er wurde in das kleine Studierzimmer geführt, wo Herr Brownlow und sein Freund Grimwig sich bei einer Flasche Wein gütlich taten.

      "Sie kommen auf meine Anzeige?" fragte BrownIow.

      "Jawohl."

      "Sie sind Gemeindediener?"

      "Jawohl."

      "Wissen Sie, wo der arme Junge sich befindet?"

      "So wenig, wie irgendein anderer", versetzte Bumble.

      "Nun, was wissen sie von ihm?" fragte der alte Herr. "Sprechen Sie, lieber Freund, wenn Sie etwas zu sagen haben. Was wissen Sie von ihm?"

      "Wahrscheinlich nichts Gutes", bemerkte Herr Grimwig beißend, nachdem er Herrn Bumbles Gesichtszüge aufmerksam betrachtet hatte.

      Dieser schüttelte feierlich den Kopf.

      "Sehen Sie?" sagte Grimwig triumphierend.

      Herr Brownlow ersuchte Bumble nun, ihm in kurzen Worten mitzuteilen, was er von Oliver wüßte.

      Es würde ermüdend sein, die Erzählung mit den Worten des Gemeindedieners wiederzugeben, da sie volle zwanzig Minuten dauerte. Ihr Inhalt war kurz der: Oliver sei ein Findling, das Kind geineiner und lasterhafter Eltern, tückisch, undankbar und boshaft. Er habe auf einen harmlosen Jungen einen blutdürstigen und hinterlistigen Angriff gemacht und sei dann bei Nacht und Nebel aus dem Hause seines Lehrherrn entlaufen. Zum Beweise, daß er wirklich der Mann sei, als den er sich vorstellte, legte Herr Bumble seine Papiere vor.

      "Ich fürchte, es ist alles nur zu wahr", sagte der alte Herr, nachdem er die Papiere flüchtig durchgesehen hatte. "Nehmen Sie das Geld, es ist nicht viel für die Wichtigkeit Ihrer Mitteilungen. Ich hätte gern das Dreifache gegeben, wenn sie für den Jungen günstiger gelautet hätten."

      Hätte Herr Bumble das früher gewußt, so würde er wahrscheinlich seiner Erzählung eine ganz andere Färbung gegeben haben. Kopfschüttelnd steckte er die fünf Guineen ein und entfernte sich.

      Herr Brownlow war so niedergeschlagen, daß selbst Herr Grimwig es für richtig hielt, seine bissigen Bemerkungen einzustellen. Der alte Herr zog heftig an der Klingel.

      "Frau Bedwin", sagte Herr Brownlow, nachdem die Haushälterin eingetreten war, "der Junge ist ein Betrüger."

      "Unmöglich", versetzte die alte Frau mit Nachdruck, "rein unmöglich."

      "Ich sage Ihnen aber, es ist so", entgegnete der alte Herr scharf. "Es war sein ganzes Leben läng ein kleiner Bösewicht."

      "Das werde ich nie glauben", erwiderte Frau Bedwin fest. "Er war ein liebes, sanftes und dankbares Kind!"

      "Ruhig!" sagte Brownlow. "Ich will den Namen des Jungen nie wieder hören. Um Ihnen das zu sagen, hatte ich geklingelt. Sie können jetzt gehen, aber denken Sie daran, ich habe im Ernst gesprochen."

      In Herrn Brownlows Hause gab es in dieser Nacht betrübte Herzen, aber auch Olivers Herz war todtraurig, wenn er seiner gütigen Freunde gedachte. Hätte er geahnt, was sie über ihn gehört hatten, es wäre gebrochen.

      Achtzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

       Wie Oliver in der sittenverbessernden Gesellschaft seiner ehrenwerten Freunde die Zeit verbrachte

      Am Mittag des nächsten Tages, als der Gannef und Karl Bates zu ihren gewöhnlichen Geschäften ausgegangen waren, benutzte Herr Fagin die Gelegenheit, Oliver eine lange Rede über die schreckliche Sünde der Undankbarkeit zu halten. Er setzte ihm eingehend auseinander, wie er sich derselben in ganz ungewöhnlich hohem Grade schuldig gemacht habe, indem er sich von seinen besorgten Freunden entfernte und ihnen sogar zu entfliehen versuchte. Dabei hätte man doch auf seine Wiederauffindung so viel Mühe und Kosten verwendet. Herr Fagin legte großes Gewicht auf den Umstand, daß er Oliver ins Haus genommen und verpflegt habe. Ohne die ihm rechtzeitig gewährte Hilfe wäre er doch wahrscheinlich Hungers gestorben. Aber sie würden noch die besten Freunde werden, wenn sich Oliver folgsam und anstellig zeige. Der Jude nahm jetzt seinen Hut, zog einen alten geflickten Überrock an und ging fort, nicht ohne vorher das Zimmer abzuschließen.

      So blieb Oliver während des ganzen Tages und einer Anzahl nachfolgender Tage eingesperrt und sich selbst überlassen. Er hatte genügend Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen, die sich immer mit seinen Freunden in Pentonville beschäftigten, und was diese wohl für eine Meinung von ihm gefaßt haben mochten. Nach Ablauf einer Woche ließ der Jude die Tür unverschlossen, und Oliver stand es frei, im Hause umherzugehen.

      Es war überall schmutzig im Hause, aber die Zimmer im oberen Stockwerk hatten große Türen und hölzerne Wandtäfelchen. Es mußte vor langer Zeit mal besseren Leuten gehört haben und war wohl einmal schön und heiter gewesen, so traurig und verkommen es auch jetzt aussah. In den Ecken der Wände hatten Spinnen ihre Netze ausgespannt, und wenn er leise in ein Zimmer trat, liefen die Mäuse erschreckt in ihre Löcher zurück. In allen Zimmern waren


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