Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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fällt einer rückwärts in den Schlamm, der andere läuft davon. Wenn er zurückkommt, ist der Streit beendet, davon zeugt der eisenbeschlagene Bambus des Verlierers, der allein noch am Boden liegt. Aber dennoch sind sie dem Mugger nicht dankbar. Nein, ›Mörder‹ schreien sie, und ihre Sippen kämpfen mit Stöcken, zwanzig auf jeder Seite. Mein Volk ist ein tapferes Volk – Jats vom Hochland, Malwahs vom Bêt. Zum Vergnügen schlagen sie nicht aufeinander los, und wenn der Kampf beendet ist, wartet der alte Mugger weit unten am Fluß, vom Dorf aus nicht sichtbar, dort, hinter dem Kikargestrüpp. Dann kommen sie hinabgestiegen, meine breitschultrigen Jats – acht oder neun zusammen –, unter dem nächtlichen Sternenhimmel, einen toten Mann auf der Bahre. Alte Männer sind sie, graubärtig, mit Stimmen, so tief wie die meine. Kleines Feuer zünden sie an – ach, ach, wie gut kenne ich das Feuer! – trinken Tabak und nicken mit den Köpfen, vorwärts im Kreise oder seitwärts nach dem Toten hin, am Ufer. Sie sagen, das englische Gesetz verhängt den Strick für solches Tun, und die Familie des Totschlägers sei geschändet, denn so ein Mann muß hängen im großen Hof des Gefängnisses. Dann sprechen die Freunde des Toten: ›Er soll hängen!‹ und dann fängt die Rede wieder von vorn an, einmal, zweimal, zwanzigmal in der langen Nacht. Endlich sagt einer: ›Der Streit war ein gerechter Streit. Nehmen wir Blutgeld, etwas mehr, als der Totschläger bietet, und schweigen wollen wir dann.‹ Dann feilschen sie lange über das Blutgeld, denn der Tote war ein starker Mann mit vielen Söhnen. Doch vor Amratvela (Sonnenaufgang) schieben sie den toten Mann ein wenig nach dem Feuer hin – das ist so ihre Gewohnheit –, und dann kommt er zu mir, und er redet nicht weiter von der Sache. Oho, meine Kinder, der Mugger weiß – der Mugger weiß –, und meine Malwahjats sind ein wackeres Volk.«

      »Sie sind zu groß für meinen Kopf«, krächzte der Adjutant.

      »Wert sind sie überhaupt nicht viel, denn wer kann nach dem Malwah noch Nachlese halten?« »Nun, ich halte unter ihnen selbst Nachlese«, sagte der Mugger.

      »In alten Zeiten«, fuhr der Adjutant fort, »wurde in Kalkutta, dort im Süden, alles auf die Straße geworfen, und wir konnten sogar mit Auswahl aufschnabeln. Leckere Tage waren das! Heutzutage aber halten sie die Straßen so rein wie die Schale vom Ei, und unsereins findet nichts Rechtes mehr. Sauber zu sein ist ja ganz schön; aber wischen, fegen und sprengen, siebenmal an jedem Tag, das muß selbst die Götter verdrießen.«

      »Ein Schakal vom Tiefland, der es von seinem Bruder gehört hatte, erzählte, in Kalkutta wären alle Schakale so fett wie Ottern in der Regenzeit«, sagte der Schakal, dem das Wasser im Munde zusammenlief.

      »Äh, aber die Bleichgesichter sind dort, die Engländer, und die bringen Hunde mit in ihren Schiffen, irgendwoher unten im Fluß – große fette Hunde, und sorgen ebenso dafür, daß diese Schakale mager bleiben.«

      »Dann sind also die Hunde ebenso hartherzig wie die Engländer? Das hätte ich mir denken können! Weder Erde noch Himmel noch Wasser sind barmherzig zum Schakal. Nach der letzten Regenzeit kam ich zum Zelt eines Bleichgesichts und stahl mir zum Fressen einen neuen gelben Zaum. Aber die Bleichgesichter gerben ihr Leder nicht richtig. Speiübel wurde mir danach.«

      »Mir erging es noch schlimmer«, sagte der Adjutant. »Nach meiner dritten Regenzeit, als ich noch ein junger Vogel war, strich ich zum Flußdelta hinab, wo die großen Boote der Engländer einlaufen. Dreimal so groß wie das Dorf hier sind die Boote der Engländer.«

      »Und bis nach Delhi kam er und erzählte dann, alle Leute dort liefen auf dem Kopf«, brüllte der Schakal. Der Mugger aber klappte das linke Auge hoch und blickte den Adjutanten scharf an.

      »Es ist gewißlich wahr«, behauptete der große Vogel. »Ein Lügner lügt nur, wenn er hoffen kann, daß man ihm glaubt. Wer diese Boote nicht gesehen hat, der kann nicht glauben, daß es wahr ist.« »Das klingt schon vernünftiger«, sagte der Mugger. »Und weiter?«

      »Aus dem Innern des Bootes brachten sie große Stücke eines weißen Stoffes heraus, die nach einer Weile zu Wasser wurden; viel splitterte ab und fiel auf das Ufer; den Rest trugen sie schnell in ein Haus mit dicken Mauern. Ein Schiffer nahm ein großes Stück davon, nicht größer als ein kleiner Hund, warf es mir zu und lachte dabei. Ich – mein ganzes Volk schlingt hinunter ohne Nachdenken – ich verschluckte das Stück nach unserer Gewohnheit. Gleich darauf wurde ich von einer furchtbaren Kälte gepackt, oben im Kopf fing es an und ging hinunter bis in die äußerste Zehenspitze, so kalt, daß mir die Sprache wegblieb. Der Schiffer aber lachte mich aus. Niemals habe ich eine solche Kälte gespürt! In meinem Schmerz und Entsetzen tanzte ich, bis ich wieder zu Atem kam. Und als ich wieder schnaufen konnte, da tanzte ich wieder und schrie Ach und Weh über die Falschheit der Welt; und die Schiffer lachten, bis sie umfielen. Und das Hauptwunder bei der Sache war, abgesehen von der unangenehmen Kälte, daß ich nicht das geringste im Kropf hatte, als mein Wehgeschrei zu Ende war.«

      Der Adjutant hatte sein Bestes getan, um die Gefühle zu beschreiben nach Verschlingen eines sieben Pfund schweren Eisklumpens, der ihm aus einem amerikanischen, nach Kalkutta bestimmten Schiffe zugeworfen worden war in den Tagen, als Kalkutta noch nicht Maschineneis herstellte. Aber da er nicht wußte, was Eis war, der Mugger und der Schakal es noch weniger wußten, so verlor die Erzählung etwas an Glanz.

      »Alles«, sagte der Mugger und klappte das linke Auge wieder zu, »alles ist möglich bei Dingen, die aus einem Boote kommen, dreimal so groß wie Muggerghat. Und nicht klein ist mein Dorf.«

      Ein Pfiff ertönte von der Brücke her: Der Delhipostzug fuhr darüber hin, die Wagen waren hell erleuchtet, und ihre Schatten glitten über das Wasser hin. Der Zug donnerte über die Brücke und verschwand in der Dunkelheit; aber der Mugger und der Schakal waren so daran gewöhnt, daß sie nicht einmal die Köpfe wandten.

      »Ist das etwa weniger wunderbar als ein Boot, dreimal so groß wie Muggherghat?« fragte der Adjutant und spähte zur Brücke hinauf.

      »Das habe ich bauen sehen, Kind«, sagte der Mugger. »Stein kam zu Stein, und ich sah die Brückenpfeiler emporwachsen; wenn die Männer herabstürzten – merkwürdig sicher waren sie für gewöhnlich auf den Füßen –, aber wenn sie stürzten, war ich bereit. Nachdem der erste Pfeiler fertig war, dachte keiner mehr daran, den Strom abzusuchen nach der Leiche, um sie zu verbrennen. Auch damals wieder ersparte ich mir viel Mühe. Nichts Wunderbares war an dem Brückenbau.«

      »Aber das, was da oben entlang läuft und die Wagen schleppt mit den Dächern, das ist doch wunderbar«, meinte der Adjutant.

      »Das ist ohne Zweifel eine neue Art von Zugochsen. Es wird der Tag kommen, da verlieren sie das Gleichgewicht dort oben und werden herunterstürzen wie die Männer. Der alte Mugger wird dann bereit sein.«

      Der Schakal sah den Adjutanten an. Eins wußten sie ganz gewiß: daß nämlich die Lokomotive alles andere in der Welt war als ein Ochse zum Ziehen. Der Schakal hatte das Ding oft genug beobachtet, in der Aloehecke versteckt, am Damm der Strecke; und der Adjutant kannte Lokomotiven von der Zeit an, als die erste in Indien lief. Aber der Mugger hatte immer nur tief unten hinaufgesehen und die Messingkuppel für den Buckel eines Ochsen gehalten.

      »M…ja, eine neue Art von Ochsen«, wiederholte der Mugger mit Nachdruck, um sich selbst zu überzeugen.

      Rasch fiel der Schakal ein: »Sicherlich ist es ein Ochse.«

      »Wiederum könnte es sein«, hob der Mugger launisch an.

      »Sicherlich – o ganz sicher«, unterbrach der Schakal, ohne den andern ausreden zu lassen.

      »Was?« knurrte der Mugger ärgerlich, denn er fühlte, daß die andern mehr wußten als er. »Was könnte es sein? Ich sprach den Satz nicht zu Ende. Ein Ochse – so meintet ihr?«

      »Alles ist es, was dem Beschützer der Armen beliebt. Ich bin sein Sklave – nicht der Diener des Dinges, das über die Brücke fährt.«

      »Was es auch sein mag«, sagte der Adjutant, »jedenfalls ist es Bleichgesichterarbeit, und was mich anbelangt, so würde ich doch lieber nicht auf einem Platz lagern, der so nahe daran ist wie diese Sandbank.«

      »Du kennst die Engländer nicht, wie ich sie kenne«, sagte der


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