James Bond 16: Kernschmelze. John Gardner

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James Bond 16: Kernschmelze - John  Gardner


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langbeinige junge Frau mit glattem und glänzendem strohblondem Haar, das sie in einer tadellosen, wenn auch strengen Hochsteckfrisur trug. Dies verlieh ihr in Kombination mit ihrer großen Brille ein gebieterisches, aber auch widersprüchliches Auftreten, denn sie strahlte sowohl Sexappeal als auch kühle Effizienz aus.

      Innerhalb einer Woche nach ihrer Ankunft hatte die Q-Abteilung ihrer neuen leitenden Mitarbeiterin den Spitznamen Q’utie verpasst, denn sie war bereits in dieser kurzen Zeit zum Ziel zahlreicher Verführungsversuche durch unverheiratete Offiziere aller Altersstufen geworden. Bond war sie ebenfalls aufgefallen, und er hatte die Geschichten gehört. Es hieß, dass die kühlere Seite von Q’uties Persönlichkeit auch während der Stunden, in denen sie nicht im Dienst war, dominierte. Nun musste 007 plötzlich eng mit dieser jungen Frau zusammenarbeiten, denn sie war damit beauftragt worden, die Ausrüstung zusammenzustellen, die er mit auf seinen Auftrag nehmen würde, und ihm die Anwendung der einzelnen Geräte zu erklären.

      Während dieses Zeitraums hielt James Bond professionellen Abstand. Q’utie war eine attraktive Frau, doch wie so viele Frauen, die zu dieser Zeit für die Sicherheitsdienste arbeiteten, blieb sie zwar freundlich, war aber stets bemüht, ihren männlichen Kollegen klarzumachen, dass sie eine selbstbestimmte Frau und damit Bond gleichgestellt war. 007 sollte erst später erfahren, dass sie ein Jahr lang im Außeneinsatz gearbeitet hatte, bevor sie den zweijährigen Technikkurs belegte, der ihr schließlich eine Beförderung in eine leitende Position in der Q-Abteilung einbrachte.

      Innerhalb von achtundvierzig Stunden hatte Q’uties Team eine Reihe von Gegenständen zusammengestellt, die sie als »personalisiertes zusammenpassendes Gepäck« bezeichnete. Es bestand aus einem Lederkoffer mit einer ähnlich konstruierten stahlverstärkten Aktentasche. Beide Gepäckstücke enthielten ausgetüftelte Fächer, die versteckt und so gut wie nicht aufzuspüren waren und dazu dienten, jede Menge elektronischer Abhörgeräte, Sabotageausrüstung und ein paar andere nützliche Gegenstände aufzubewahren. Unter anderem befanden sich darunter ein hoch entwickelter Verwanzungs- und Abhörapparat, ein VL-22H-Wanzendetektor und ein Alarmstift, der auf eine Frequenz eingestellt war, die ihn mit einer Langstreckenmodifikation des SAS-900-Alarmsystems verband. Wenn er ausgelöst wurde, würde dieser Alarmstift für Bond eine sofortige Telegrammkommunikation mit dem Hauptquartier am Regent’s Park herstellen, damit er Hilfe anfordern konnte. Der Stift enthielt außerdem Microchips, wodurch er als eine Art Peilsender fungierte. Sobald er aktiviert war, konnten die Leute im Hauptquartier jeden Schritt ihres Manns im Außeneinsatz verfolgen – ein persönliches Alarmsystem in der Brusttasche.

      Zur weiteren Unterstützung gab es einen kleinen Ultraschalltransmitter, und während er sich auf dieser Mission befand, sollte Bond eine exakte Kopie seines eigenen Dunhill-Feuerzeugs bei sich tragen – eine Nachbildung, die besondere Eigenschaften besaß. Des Weiteren gab es eine sogenannte »Sicherheitstaschenlampe«, die einen enorm hellen Strahl aussandte, der stark genug war, um jedes Opfer, das in sein Licht blickte, so heftig zu blenden, dass es die Orientierung verlor. Und dann hatte Q’utie noch – fast als nachträglichen Einfall – eine TH70-Nachtsichtbrille für ihn besorgt. Bond hielt es für unklug, zu erwähnen, dass diese leichte Brillenart zur Standardausrüstung gehörte, mit der Communication Control Systems Inc. seinen Saab ausgestattet hatte. Er hatte sie persönlich getestet – auf einem alten, stillgelegten Flugplatz in einer besonders dunklen Nacht –, indem er den Saab ohne Scheinwerfer mit Höchstgeschwindigkeit gefahren hatte, während er die Nachtsichtbrille getragen hatte. Durch die kleinen Projektionslinsen hatte er die umliegende Landschaft und die rissige Rollbahn, über die er den Wagen fuhr, genauso klar und deutlich sehen können, wie es an einem Sommerabend kurz vor der Dämmerung der Fall gewesen wäre.

      Doch Bond verbrachte nicht nur viel Zeit mit M und Q’utie, sondern auch einige Stunden mit Major Boothroyd, dem Waffenmeister des Secret Service, um mit ihm über seine Bewaffnung zu sprechen. Ms Anweisungen zufolge sollte 007 bewaffnet losziehen – etwas, das zu dieser Zeit kein leichtes Unterfangen darstellte.

      Im Laufe der Jahre, in denen er sich einen besonderen Ruf in der alten Doppelnullabteilung gemacht hatte, hatte Bond viele Handfeuerwaffen benutzt: angefangen bei der .25 Beretta – die der Waffenmeister sarkastisch als »eine Damenwaffe« abgetan hatte –, über den .38 Colt Police Positive, den .45 Colt Automatik und den .38 Smith & Wesson Centennial Airweight, bis hin zu seiner Lieblingswaffe, der 7,65mm Walther PPK, die er in dem berühmten Berns-Martin-Holster bei sich trug.

      Mittlerweile war die PPK allerdings nicht mehr in Gebrauch, da sie in entscheidenden Momenten zu Ladehemmungen neigte. Die Waffe hatte das einmal zu oft gemacht, in der Nacht des 20. März 1974, als ein geisteskranker Möchtegernentführer versucht hatte, Prinzessin Anne und ihren Mann, Captain Mark Phillips, zu entführen. Der Leibwächter des königlichen Paars, Inspector James Beaton, war dabei verletzt worden, und als er versucht hatte, das Feuer zu erwidern, hatte seine Walther Ladehemmungen gehabt. Das war das Ende dieser speziellen Waffe gewesen, soweit es die britische Polizei und die Sicherheitsdienste betraf.

      Seitdem hatte Bond den Großteil seiner Schießübungen entweder mit dem .45 Colt absolviert – der für einen verdeckten Einsatz viel zu schwer und unhandlich war – oder mit dem alten .38 Cobra, dem seit Langem beliebten kurzläufigen Revolver von Colt, den man für verdeckte Operationen benutzte. Bond verkündete natürlich nicht öffentlich, dass er einen nicht genehmigten .44 Magnum Ruger Super Blackhawk in einem geheimen Fach seines Saabs versteckt hatte.

      Nun mussten sie sich einig werden und eine Entscheidung bezüglich Bonds Bewaffnung für den Einsatz treffen. Dadurch brach ein langwieriger, zeitraubender und manchmal recht heftiger Kampf zwischen Bond und dem Waffenmeister aus, bei dem es um die jeweiligen Vorzüge der Waffen ging.

      Sie hatten die grundlegende Auseinandersetzung bereits tausend Mal geführt: Ein Revolver war immer verlässlicher als eine Automatikpistole, und zwar aus dem einfachen Grund, dass bei der Benutzung weniger schiefgehen konnte. Der Revolver hatte allerdings den doppelten Nachteil, dass man länger zum Nachladen brauchte und normalerweise nur sechs Patronen Munition in der Trommel hatte. Außerdem war seine Mündungsgeschwindigkeit und damit seine Mannstoppwirkung geringer – es sei denn, man entschied sich für ein größeres, unhandlicheres Modell.

      Die Automatikpistole bot andererseits sehr viel einfachere Lademöglichkeiten (die schnelle Entfernung und Ersetzung eines Magazins im Griff), eine größere Patronenanzahl pro Magazin und sie hatte im Allgemeinen eine effektivere Mannstoppwirkung. Allerdings konnte aufgrund der vielen Einzelteile eben auch mehr schiefgehen.

      Schließlich war Bond derjenige, der das letzte Wort hatte. Unter ein paar murrenden Bemerkungen von Major Boothroyd entschied er sich für eine alte, aber gut erprobte und treue Freundin: die frühe Browning 9mm, die ursprünglich von Fabrique Nationale-De Guerre in Belgien unter Anwendung der Browning-Patente hergestellt worden war. Trotz ihres Alters besaß diese Browning eine zielgenaue Mannstoppwirkung. Für Bond lag der Vorteil in ihrer Verlässlichkeit. Sie war insgesamt etwa zwanzig Zentimeter lang und hatte einen gut zwölf Zentimeter langen Lauf. Die frühe Browning war eine flache, tödliche Waffe, die von ihrer Bauweise her dem .32 Colt ähnelte, etwa neunhundert Gramm wog und in ihrem Magazin Platz für sieben 9mm-Patronen bot. Sie wurde mit Browning-Long-Patronen geladen, und es gab die Möglichkeit, eine zusätzliche Kugel in der Kammer aufzubewahren.

      Bond war mit der Waffe zufrieden, kannte ihre Grenzen und hatte jegliche Gedanken an exotischere Handfeuerwaffen von modernerer Bauweise schnell beiseitegeschoben.

      In dem erstaunlichen schatzkammerartigen Lagerraum des Waffenmeisters befanden sich unbenutzte Waffen aller Bauweisen, Sorten und Größen, und er holte eine der alten Brownings heraus, die noch immer in ihrer Originalverpackung lag. Sie war voller Schmierfett und in gelbes Wachspapier eingewickelt. Das war eine beachtliche Leistung, wenn man bedachte, dass diese spezielle Waffe schon seit Langem nicht mehr hergestellt wurde.

      Der Waffenmeister kannte 007 gut genug, um dafür zu sorgen, dass kein Mitglied seiner Belegschaft die Waffe berührte. Er rief Bond zu sich nach unten in den Büchsenmacherraum, damit der Mann, der sie letztendlich benutzen würde, die Waffe reinigen, auseinanderbauen, überprüfen und ausgiebig ausprobieren konnte. Wenn Bond einen Fallschirmsprung hätte absolvieren müssen, hätten sowohl der Waffenmeister als auch


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