James Bond 15: Colonel Sun. Robert Markham

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James Bond 15: Colonel Sun - Robert Markham


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      James Bonds Füße traten automatisch auf die mit abgenutztem, altem olivgrünem Axminster-Teppich bezogenen Treppenstufen. Die beiden bewaffneten Männer gingen im gleichen sicheren Abstand jeweils vor und hinter ihm. Trotz ihrer eindeutigen Kompetenz waren sie ganz offensichtlich Angestellte, Unteroffiziere, die für jemanden arbeiteten. Der befehlshabende Offizier dieser Operation, worum auch immer es dabei gehen mochte, würde sich zweifellos jeden Moment zu erkennen geben.

      »Rein da.«

      Dieses Mal hatte der zweite Mann gesprochen. Der andere wartete auf der Treppe. Bond überquerte die Schwelle zu Ms Schlafzimmer, diesem hohen, luftigen Raum mit den Brokatvorhängen, die von den geschlossenen Balkontüren zurückgezogen worden waren, und stand plötzlich M persönlich gegenüber.

      Ein entsetztes Keuchen entrang sich Bonds Kehle.

      M saß auf einem Chippendale-Stuhl mit hoher Lehne neben seinem eigenen Bett. Seine Schultern waren zusammengesackt, als wäre er um zehn Jahre gealtert, und seine Hände hingen schlaff zwischen seinen Knien. Nach einem Moment schaute er langsam auf und seine Augen richteten sich auf Bond. In seinem Blick lag kein Erkennen, er war vollkommen ausdruckslos. Die übliche eisige Klarheit war aus seinen Augen verschwunden. Aus seinem offenen Mund drang ein seltsamer Laut, vielleicht eine Äußerung der Verwunderung oder eine Frage oder eine Warnung, vielleicht auch alles gleichzeitig.

      Adrenalin wird von den Nebennieren produziert, zwei kleinen Ausbuchtungen, die sich an der Oberseite der Nieren befinden. Wegen der Umstände, die seine Ausschüttung in den Blutkreislauf und seine Auswirkungen auf den Körper bedingen, wird es manchmal auch als Droge der Furcht, des Kampfes und der Flucht bezeichnet. Bei Ms Anblick verfielen Bonds Nebennieren in ihre ursprüngliche Aufgabe, pumpten ihr Hormon in seinen Blutstrom und beschleunigten damit seine Atmung, um sein Blut mit Sauerstoff anzureichern. Außerdem beschleunigten sie seinen Herzschlag, um die Blutversorgung der Muskeln zu verbessern, verschlossen die kleineren Blutgefäße in der Nähe der Haut, um den Blutverlust im Fall einer Verletzung so gering wie möglich zu halten, und sorgten sogar dafür, dass sich die Haare auf seiner Kopfhaut minimal aufrichteten, was ein Überbleibsel aus der Zeit war, in der die primitiven Vorfahren der Menschen für ihre Feinde bedrohlicher ausgesehen hatten, indem sie ihre haarigen Körper aufgerichtet und sich aufgeplustert hatten. Und während Bond noch immer entsetzt auf M starrte, wurde er plötzlich aus unerfindlichen Gründen, womöglich durch das Adrenalin selbst, von einem seltsamen Hochgefühl erfüllt. Er wusste sofort, dass er nicht weich geworden war, dass er im Ernstfall noch immer dieselbe effiziente Kampfmaschine war wie eh und je.

      Eine Stimme sprach. Es war eine neutrale Stimme mit einem neutralen Akzent, und sie benutzte den gleichen praktischen, emotionslosen Tonfall wie die vorherigen Stimmen. Sie sagte streng, aber ohne Eile: »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Bond. Ihrem Vorgesetzten wurde kein Leid angetan. Er wurde lediglich unter Drogen gesetzt, um ihn gefügig zu machen. Sobald die Wirkung nachlässt, wird er wieder ganz er selbst sein. Sie werden jetzt eine Injektion mit der gleichen Droge erhalten. Wenn Sie sich wehren, hat mein Kollege hier Anweisung, Ihnen ins Knie zu schießen. Wie Sie wissen, würde Sie das umgehend vollkommen hilflos machen. Die Injektion ist schmerzlos. Halten Sie die Füße still und lassen Sie Ihre Hose herunter.«

      Der Sprecher war ein bulliger Mann Mitte vierzig. Er war blass, hatte eine Hakennase, fast keine Haare mehr und wirkte auf den ersten Blick genauso unauffällig wie seine Untergebenen. Ein zweiter Blick hätte allerdings gezeigt, dass mit seinen Augen etwas nicht stimmte, oder besser gesagt mit den Augenlidern, die eine Nummer zu groß zu sein schienen. Ihr Besitzer war sich dieser Tatsache eindeutig bewusst, denn er hob und senkte sie unablässig, während er sprach. Anstatt affektiert zu wirken, hatte diese Angewohnheit etwas seltsam Verstörendes an sich. Wenn Bonds Verstand für derartige Überlegungen offen gewesen wäre, hätte ihn dieser Anblick vielleicht an einen Mann der deutschen Agentengruppe »Schwarzer Stein« aus John Buchans Spionageroman Die neununddreißig Stufen erinnert. Dieser Mann konnte seine Augen wie ein Falke bedecken und hatte in Bonds Jugend seine Tagträume heimgesucht. Doch Bonds Gedanken rasten in eine praktischere Richtung.

      Er hatte sich vollkommen unbewusst die Positionen seiner Feinde eingeprägt: Ein bewaffneter Mann stand ihm gegenüber, ein weiterer befand sich irgendwo auf dem Absatz oder der Treppe und bewachte die Tür, und der Mann, der gesprochen hatte, stand mit dem Rücken zu ihm an den Glastüren, die auf den Balkon hinausführten. Ein vierter Mann, irgendein Arzt, der körperlich eher schwächlich wirkte und daher zu vernachlässigen war, stand mit einer Spritze in der Hand am Fußende des Betts. So viel dazu. Nun verlangten zwei Probleme nach einer Lösung, und Bond wusste, dass sie entscheidend waren, ohne den Grund dafür zu verstehen: Wo lag der Trugschluss in dem, was der Mann an den Balkontüren gerade gesagt hatte? Und was war die winzige, unwichtige Tatsache in Bezug auf diese Glastüren, die keinem der vier Männer bewusst war und die Bond sehr wohl kannte, sodass er sie nutzen konnte? Wenn er sich nur daran erinnern könnte.

      »Bewegung.«

      Die Augenlider schlossen sich gebieterisch und öffneten sich dann wieder. Die Stimme war kein bisschen lauter geworden.

      Bond wartete.

      »Sie werden dadurch nichts erreichen. Sie haben fünf Sekunden, um meiner Anweisung Folge zu leisten. Sollten Sie es nach Ablauf dieser Frist nicht tun, werden Sie kampfunfähig gemacht und erhalten die Injektion, sobald es uns passt.«

      Bond verschwendete seine Aufmerksamkeit nicht auf die verstreichenden Sekunden. Bevor die Zeit abgelaufen war, hatte er die Lösung für das erste seiner beiden Probleme gefunden. Er hatte festgestellt, dass in dem Vorhaben, das man ihm erläutert hatte, ein Widerspruch lag. Es war sinnlos, einem bereits hilflosen Mann eine Injektion zu verabreichen, die ihn hilflos machen sollte. Warum verstümmelten sie ihn also nicht direkt, was in Anbetracht der Umstände schneller gehen und kein Risiko beinhalten würde, und vergaßen die Sache mit der Injektion, die sich bereits als mühselig erwiesen hatte? Sie wollten ihn also nicht nur hilflos haben, sondern hilflos und unverletzt. Die Chancen, dass die Drohung mit der Schusswaffe nur ein Bluff war, standen gut. Wenn das nicht der Fall war, wenn es noch einen zusätzlichen Faktor gab, den Bond nicht bemerkt hatte, würde die Strafe dafür schrecklich sein. Doch es gab keine Alternative.

      Die Stimme hatte mit dem Zählen aufgehört, und Bond hatte sich nicht bewegt. In der Stille gab M einen weiteren leisen unverständlichen Laut von sich. Dann …

      »Ergreift ihn.«

      Bonds Arme wurden von hinten gepackt und auf seinen Rücken verdreht – er hatte nicht gehört, wie der Mann mit dem schmalen Gesicht den Raum betreten und sich ihm genähert hatte. Bevor der Nelson-Griff vollständig ausgeführt war, hatte Bond mit den Fersen nach hinten ausgetreten und etwas getroffen. Einen Arm konnte er befreien. Doch er wurde sofort von dem zweiten Mann geschnappt.

      Bei dem darauffolgenden Gerangel herrschten trotz der Tatsache, dass nun zwei gegen einen kämpften, fast ausgeglichene Bedingungen, denn Bond schöpfte Kraft aus dem Wissen, dass er mit seiner Vermutung richtiggelegen und damit den ersten Punkt gewonnen hatte. Hinzu kam noch die erfreuliche Wiedererlangung des Vertrauens in seine Kampffähigkeiten. Und er hatte Möglichkeiten, sie zu verletzen, die ihnen nicht erlaubt waren. Doch er musste sich einem Mann stellen, dessen Körperbau seinem ähnelte, und einem weiteren, der zwar schmaler war, aber ein Talent dafür besaß, die schmerzhaftesten Nervengriffe anzuwenden. Zu allem Überfluss hatte er jedes Mal, wenn Bond sich aus einem losgerissen hatte, schon den nächsten parat.

      Ein Ellbogenstoß, der seine Leistengegend knapp verfehlte, ließ Bonds Oberkörper nach vorne sacken. Bevor er sich erholen konnte, hatten sich zehn Finger, die sich wie Stahlbolzen anfühlten, in die Nervenknoten an seinem Halsansatz gebohrt. Seine Oberarmmuskeln schienen sich in dünne Ströme aus kaltem Schlamm zu verwandeln. Wieder versuchte er, seine Ferse nach oben zu bringen, doch dieses Mal wurden seine Beine von vorne gepackt und festgehalten. Ein Zerren, ein Hieven und Bond landete unsanft auf dem Fußboden. Er lag mit dem Gesicht nach unten da, während einer der Männer auf seinen Schultern kniete und der andere den unteren Bereich seines Körpers bewegungsunfähig machte. Er verhielt sich ganz ruhig, wehrte sich nicht unnötig und dachte über die Balkontüren nach, falls er sie je erreichen


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