Jupp Heynckes & die Bayern. Detlef Vetten

Читать онлайн книгу.

Jupp Heynckes & die Bayern - Detlef Vetten


Скачать книгу
die Bayern – nicht so berauschend in die Saison gestartet – blankziehen.

      Trainer der Münchner ist der Italiener Carlo Ancelotti. Einer der ganz Teuren, ein Fuchs, ein Titelgarant. Dem wird schon etwas einfallen, er muss schlaue Ideen haben, er muss.

      Die Chefs beim FC Bayern München – Präsident Uli Hoeneß und Boss Karl-Heinz Rummenigge – sind nämlich stinksauer und sehr ungeduldig. Sie hatten sich von Signor Ancelotti versprochen, er würde das teure Ensemble von einem Sieg zum nächsten führen – mit ihm würde München endlich zu Europas Fußballhauptstadt werden.

      Bislang war Ancelotti das viele Geld nicht wert. Nun – in Paris muss es das Team richten. Jetzt ein großer Auftritt, dann kann die Zukunft doch noch beginnen.

      Jupp Heynckes weiß, wie sich die letzten Minuten vor einem Match anfühlen. Eigentlich kannst du als Trainer nichts mehr bewerkstelligen. Und doch bist du ein wichtiger Mann. Die Spieler nehmen schließlich wahr, was sich in den letzten Minuten vor dem Anpfiff tut.

      Also müssen sie spüren, dass der Coach, dieser Übervater, den Sieg will. Er muss mit ihnen in den „Tunnel“ gehen. Nun gibt es nichts Wichtigeres als die kommenden eineinhalb Stunden. Nur das Gewinnen zählt. Der Gegner muss bekämpft werden, die Massen draußen warten aufs Spektakel.

      Jetzt brauchen die modernen Gladiatoren ihren Vorkämpfer. Lässig sollte der Trainer die Siegeszuversicht demonstrieren. Ancelotti + Bayern = Triumph.

      So sollte das sein.

      Und was sieht Jupp Heynckes?

      Dieser Carlo Ancelotti flaniert durch die Katakomben und unterhält sich angeregt mit französischen Profis. Er hat jede Zeit der Welt für den Gegner. Trägt seinen maßgeschneiderten Anzug spazieren und kümmert sich kaum um seine Buben. Die stakeln in die Arena und sollen kämpfen. Derweil schäkert Schlachtenlenker Carlo mit dem Feind.

      Im Fernsehen blenden sie die Mannschaftsaufstellung ein. Jupp Heynckes muss zweimal hinsehen. Auch der Kicker fasst es nicht:

      „PSG-Coach Unai Emery greift gegenüber dem 0:0 in Montpellier, dem ersten Punktverlust der bisherigen Saison, wieder auf seine vermeintlich beste Elf zurück, in der Yuri, Meunier und auch der deutsche Nationalspieler Draxler keinen Platz finden. Kurzawa und Dani Alves bekleiden die Außenpositionen in der Viererkette, außerdem kehrt Superstar Neymar nach einer angeblichen leichten Fußverletzung zurück.

      Bayerns Trainer Carlo Ancelotti wechselt auf sechs Positionen: Süle, Martínez, Alaba (Rückkehr nach Sprunggelenksverletzung), Tolisso, Thiago und James dürfen von Beginn an ran. Boateng (nicht im Kader), Hummels, Rafinha, Rudy, Ribéry und Robben (alle Bank) müssen weichen.“

      Kann das gut gehen?

      Tut es nicht.

      Der FC Bayern fängt sich kurz nach dem Anpfiff gleich mal einen Treffer ein, berappelt sich ein wenig – und dann wird die Mannschaft auseinandergenommen. Paris gewinnt mit 3:0 – und in Europa sind sich alle einig, dass die Münchner fortan mit Sperrsitzen in der zweiten Reihe vorliebnehmen müssen.

      Jupp Heynckes geht seufzend zu Bett. Das haben seine Bayern nicht verdient.

      Beim Müsli am nächsten Morgen ahnt er, dass sein Freund Uli in den nächsten Tagen öfter mal anrufen wird. In München nämlich ist Land unter.

      Die offizielle Verkündung erfolgt um 15:53 Uhr. 16 Zeilen unter der Überschrift „FC Bayern trennt sich von Carlo Ancelotti“. Verwaltungsprosa, wie sie üblich ist bei Trainerentlassungen, mit Sätzen wie: „Die Leistungen unserer Mannschaft seit Saisonbeginn entsprachen nicht den Erwartungen, die wir an sie stellen.“ Dazu ein bisschen Herzwärme vom Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge: „Carlo ist mein Freund und wird es bleiben, aber wir mussten hier eine professionelle Entscheidung im Sinne des FC Bayern treffen.“

      Neutrale Beobachter sehen das auch so. Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) berichtet: „Der FC Bayern hat sich nach dem ernüchternden 0:3 gegen PSG von Trainer Carlo Ancelotti getrennt.“

      Es gibt viele Gründe. Zum Beispiel „die Aufstellung von Ancelotti, der mehrere Stammkräfte auf der Bank ließ. Nach der Schlappe erklärte Klubvorstand Karl-Heinz Rummenigge: ,Das ist eine Niederlage, nach der wir auch Klartext reden und Konsequenzen ziehen.‘

      Trainer Carlo Ancelotti muss gehen. Der Italiener war erst im Sommer 2016 als Nachfolger von Pep Guardiola zu den Münchnern gestoßen – und führte den Klub zum Bundesliga-Titel.

      Doch in der neuen Saison sind die Bayern bislang unter den eigenen Ansprüchen geblieben. In der Liga belegt der deutsche Rekordmeister nach sechs Spieltagen nur Rang drei.“

      Die aufmerksamen Schweizer Beobachter weiter: „Präsident Uli Hoeneß erklärte das Aus von Ancelotti nach 454 Tagen so: ,Der Trainer hat fünf Spieler auf einen Schlag gegen sich gebracht. Das hätte er niemals durchgestanden.‘ Er habe in seinem Leben gelernt, dass der Feind im eigenen Bett der gefährlichste sei, so Hoeneß.“

      Was nun, Herr Hoeneß?

      Es ist Donnerstag, der 28. September 2017. Der Rentner Jupp Heynckes macht mit Cando die Runde. Er unterhält sich mit seiner Frau über die Knie-OP. Heynckes macht Sport. Ihm geht es gut, sehr gut. Wie lange noch?

      München, in den Tagen nach dem 0:3. Nichts ist wie sonst, wie auch? Normalerweise treffen sich die Entscheider des Vereins einmal in der Woche, um sich abzustimmen. Vereinsboss Rummenigge hat das im Interview mit dem Manager Magazin so beschrieben: „Jeder Vorstand bringt dann ein Update aus seinem Ressort. Die finanziellen Aspekte, Personal- und Stadionangelegenheiten werden besprochen, die Mannschaftsbetreuung und das Sponsoring. Nach den Updates diskutieren wir meist über Personalpolitik und Transferperspektiven. Im Fußball gehört es jedoch zum Geschäft, dass wichtige Angelegenheiten auch schnell per Zuruf über den Flur entschieden werden. Wir arbeiten also so strukturiert wie nötig und so flexibel wie möglich.“

      Nun geht es bei den Bayern zu wie in einem Kommandostand nach verlorener Schlacht. Großer Schaden ist entstanden, größerer muss vermieden werden.

      Dabei hat es sich noch zu Saisonbeginn prima angefühlt, beim FC Bayern das Ruder zu führen. Die Nachrichtenagentur dpa vermeldete: „Der deutsche Rekordmeister Bayern München ist in der weltweiten Fußball-Geldliga um einen Platz auf Rang vier geklettert. Die Münchner steigerten ihren Umsatz in der Saison 2015/16 nach Berechnungen der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte auf 592 Millionen Euro.“

      Die Münchner, so die Nachrichtenagentur weiter, seien der einzige deutsche Fußballverein, der in der europäischen Spitze mithalten könne – schon zum fünften Mal in Folge rangierten die Bayern unter den Top Five.

      „Neuer Spitzenreiter ist Manchester United, das mit 689 Millionen Euro Real Madrid (620,1) von Rang eins verdrängte. Die Königlichen rutschten auf Platz drei ab, Zweiter bleibt der FC Barcelona (620,2).

      Der im Vergleich zur Vorsaison um 25 Prozent gestiegene Umsatz beim FC Bayern ist einem Plus an Einnahmen aus internationalen Fernsehverträgen der Bundesliga und verbesserten Deals mit Werbepartnern geschuldet.“

      Das hörte sich gut an. Man würde größer, stärker, reicher – keine Frage. Zumal das Fußballunternehmen aus München bekannt ist für seine umsichtige Geschäftsführung. Uli Hoeneß, seit 1979 fürs Management verantwortlich, hat die Maßstäbe gesetzt. Der Schwabe agiert nach der Devise: keine Schulden!

      Er hat einen grundgesunden Betrieb aufgebaut. Während die Italiener und die britischen Vereine sich immer wieder mal im Schuldenschlamm suhlen, schreiben die Münchner seit Menschengedenken schwarze Zahlen.

      Vorsichtige Geschäftsleute sind sie an der Säbener Straße, wo der FC Bayern sein Zuhause hat. Hoeneß hat ihnen schwäbische Sparsamkeit und Vorsicht beigebracht. Sein Kollege und Nachfolger Karl-Heinz Rummenigge erklärt im Manager Magazin: „Wir kalkulieren immer mit dem Worst-Case-Szenario. Wenn wir Champions League spielen, dann hat mein Kollege in der Finanzplanung für das nächste Jahr nur die Einnahmen aus der ersten Gruppenphase im Budget. Wenn wir dann Achtelfinale, Viertelfinale spielen, sind das Zusatzeinnahmen. In


Скачать книгу