Mit den Augen der Liebe. Marie Louise Fischer

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Mit den Augen der Liebe - Marie Louise Fischer


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      „Ich liebe dich, Vera.“

      „Nein, das ist nicht wahr! Du liebst nur dich, deine Patienten, deine Arbeit.“

      Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie wich zurück, als ob er ein ekelerregendes Reptil wäre.

      „Rühr mich nicht an“, schrie sie hysterisch, „nie wieder!“

      „Soll das heißen, daß du mich verlassen willst?“

      „Damit die ganze Stadt mit Fingern auf mich zeigt? O nein, so leicht mache ich dir das nicht. Du wirst mich noch eine Weile ertragen müssen. Aber ich wünschte … ich wünschte wahrhaftig, ich hätte niemals eingewilligt, deine Frau zu werden!“

      Michael Bergmeister kam mitten in der Nacht nach Hause.

      Bis zwölf Uhr hatte er mit der Studentenband, der auch Monika Ebers als Sängerin angehörte, gejazzt. Nachher hatten die Mitglieder der Band noch ein paar Glas Bier getrunken, denn die Hitze im Studentenkeller war wieder einmal mörderisch gewesen.

      Michael war bester Laune. Er pfiff, als er sich dem Haus seines Vaters näherte, vor sich hin – Body and Soul, das er an diesem Abend dreimal hatte bringen müssen.

      Als er die Vorgartentür aufstieß, sah er, daß im großen Wohnzimmer noch Licht brannte. Er war überrascht. Es kam selten vor, daß seine Eltern noch auf waren, wenn er heimkam. Er überlegte, daß er wohl oder übel noch hineingehen mußte, um gute Nacht zu wünschen.

      In der Diele blieb er einen Augenblick lauschend stehen, aber kein Laut kam von drinnen. Er öffnete die Tür und sah Vera. Sie kauerte vor dem halb erloschenen Kamin, hatte die Knie hochgezogen und starrte in die züngelnden Flammen.

      Erst als er sich näherte, blickte sie auf und sah ihn an. Ihre schönen grünen Augen waren verschwollen und von Tränen gerötet, ihr silberblondes Haar hing in Strähnen.

      Er stand und starrte sie an. Noch nie hatte er sie so gesehen. Er fühlte sich im Innersten getroffen.

      „Wenn du deinen Vater sprechen willst“, sagte sie, und selbst ihre Stimme klang fremd, wie geborsten, „er ist schon zu Bett gegangen.“

      Jetzt endlich fand er die Sprache wieder. „Vera, was ist mit dir?“ fragte er, und dann, sehr unsicher: „Hat es Ärger gegeben?“

      Sie lachte. Ein verzweifeltes, freudloses Lachen. „Man kann es auch so nennen.“

      „Willst du es mir nicht sagen?“

      Sie zuckte die vollen Schultern. „Warum nicht? Der Ärger, wie du es nennst, besteht darin, daß mein Leben zerstört ist. Ich habe alles falsch gemacht.“

      „Aber, Vera …“

      „Widersprich mir nicht. Ich weiß genau, was ich sage. Jetzt endlich weiß ich es. Ich hätte deinen Vater nie heiraten dürfen.“

      Sein Herz tat einen heftigen Sprung. „Ich dachte … du liebtest ihn?“

      „Liebe! Liebe! Was ist Liebe? Meine Gefühle spielen doch keine Rolle. Für niemanden. Am wenigsten für deinen Vater. Was bin ich denn für ihn gewesen? In all den Jahren? Eine Puppe, eine hübsche Puppe, die sich elegant anzieht und die man verwöhnen kann. Und von der man erwartet, daß sie lächelt … immer lächelt, lächelt, lächelt.“

      „Vera“, sagte er mühsam, „ich glaube bestimmt, du tust Vater unrecht.“

      Sie sah ihn an, fast haßerfüllt. „Genau diese Worte hatte ich von dir erwartet. Du und dein Vater, ihr habt ja immer zusammengehalten. Dir bedeute ich genausowenig wie ihm. Wie habe ich mich um deine Freundschaft bemüht. Seit ich in dieses Haus gekommen bin, habe ich um deine Liebe gekämpft. Aber du … du bist mir nie einen Schritt entgegengekommen. Du hast in mir nie eine Mutter gesehen.“

      „Eine Mutter?“ sagte er. „Hast du das im Ernst erwartet?“

      „Ja, ja“, sagte sie heftig und sprang auf, „ich habe mir so gewünscht, dir etwas zu bedeuten. Wie oft du mich auch zurückgestoßen hast. Wenn er größer wird, habe ich mir gesagt, wird er es besser verstehen. Jetzt bist du erwachsen … und wie ist es geworden? Du bist mir fremder denn je. Meinst du, ich merke nicht, wie du mir ausweichst? Was habe ich dir denn getan?“

      „Nichts“, sagte er heiser, „gar nichts …“

      Sie stand sehr nahe vor ihm, so nahe, daß er die Tränen spuren auf ihren zarten Wangen sehen konnte.

      Plötzlich ertrug er es nicht länger. Er riß sie in seine Arme.

      „Vera“, stammelte er erstickt, „ich liebe dich … ich liebe dich! Hast du es wirklich nicht gewußt? Ich liebe dich bis zum Wahnsinn!“

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