Mit den Augen der Liebe. Marie Louise Fischer

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Mit den Augen der Liebe - Marie Louise Fischer


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so an.“

      „Muß ich mir deine Frechheiten eigentlich dauernd gefallen lassen?“ rief sie zornig.

      Er grinste freudlos. „Wird dir wohl nichts anderes übrigbleiben. Schließlich hast du dich freiwillig entschlossen, mein Stiefmütterchen zu werden.“

      Sie drehte sich abrupt um, ging zur Tür.

      Aber sie verließ das Zimmer noch nicht, blieb auf der Schwelle stehen und fragte über die Schulter zurück: „Ich erwarte also, daß du mit deinem Vater sprichst!“

      „Herrgott!“ Er griff sich an die Stirn. „Und ich dachte, ich hätte dir unmißverständlich klargemacht, daß ich weder will noch kann. Begreifst du denn nicht, daß Vater durchaus imstande ist, selber über sein Tun und Lassen zu entscheiden?“

      Wortlos verließ sie das Zimmer, schlug die Tür mit einem harten Knall hinter sich zu.

      Michael warf sich der Länge nach auf seine Couch, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte zur Decke. Er preßte die Lippen zusammen. Seine Augen waren dunkel vor Qual.

      Von Beginn ihrer Ehe an hatten Professor Bergmeister und seine junge Frau getrennte Schlafzimmer benutzt. Vera schlief morgens gern aus, frühstückte im Bett und legte großen Wert darauf, auch vor ihrem Gatten nie anders als gepflegt und zurechtgemacht zu erscheinen.

      Anfangs hatte Professor Bergmeister das bedauert, inzwischen aber hatte er sich längst damit abgefunden, ja, er empfand es angenehm, wenigstens ein Zimmer in seinem Haus zu haben, in dem er sich ganz ungestört bewegen konnte. Er schlief seit Jahren schlecht, und es wäre ihm peinlich gewesen, Vera durch seine Unruhe zu stören. Manchmal stand er morgens schon um sechs oder sogar um fünf Uhr auf, ging in seine Bibliothek hinunter, um an seinen Vorlesungen zu arbeiten oder sich auf bevorstehende Operationen vorzubereiten.

      Auch seine Selbstversuche, die er vergebens geheimzuhalten versucht hatte, führte er in den frühen Morgenstunden aus.

      Er traf dann meist schon in der Augenklinik ein, wenn noch der Nachtportier Dienst hatte, eilte durch die spärlich beleuchteten Gänge an übermüdeten, ehrfurchtsvoll grüßenden Krankenschwestern vorüber, mußte oft eine der Putzfrauen aus seinem Untersuchungszimmer scheuchen.

      Das Gerät zur Lichtkoagulation war in einem eigenen kleinen Raum, einer ehemaligen Dunkelkammer, aufgestellt, die er immer streng verschlossen hielt. Er hatte es in Zusammenarbeit mit dem technischen Leiter einer Firma für optische Geräte selber entwickelt, immer neue Verbesserungen daran einbauen lassen.

      Auf einen Laien würde es mit seiner starken Lampe, seinen verschiedenen, sehr kompliziert angeordneten Linsen und seiner seltsamen Kopfstütze, die fast an ein mittelalterliches Folterinstrument erinnerte, einigermaßen erschreckend gewirkt haben. Aber Professor Bergmeister betrachtete es liebevoll. Es war seine Erfindung, sein Kind, ein Gerät, das zum Segen der Menschheit dienen sollte.

      Auch an jenem Morgen, als er es zu seinem endgültig letzten Selbstversuch einstellte, erfüllte ihn die Berührung mit Schräubchen, Schrauben und Hebeln mit einem seltsamen Hochgefühl.

      Es war nicht einfach, das Gerät so einzustellen, daß gebündeltes Licht gerade jene Stelle im Hintergrund seines linken Auges traf, auf die es ihm ankam. Es wäre sehr viel leichter für ihn gewesen, wenn er wenigstens diese Arbeit einem Assistenten überlassen hätte.

      Aber er hatte von Anfang an darauf verzichtet – nicht aus Eitelkeit, um den möglichen Erfolg ganz allein für sich buchen zu können, sondern weil er Dr. Hilpert nicht eine Verantwortung aufbürden wollte, die er unmöglich tragen konnte. So hatte er den Ausweg gefunden, eine ganz besondere Art von Kopfstütze konstruieren zu lassen.

      Sie sah aus wie eine metallene Halbmaske, die in Augenhöhe ovale Löcher hatte. In das linke dieser Löcher legte Professor Bergmeister jetzt eine augapfelgroße, lichtdurchlässige Kunststoffkugel, die ihm als Modell zur Einstellung diente.

      Es dauerte eine ganze Weile, bis es ihm gelungen war, die Lichtstrahlen so zu dirigieren, daß sie sich in einem nadelspitzfeinen Punkt, an einer genau fixierten Stelle, im Hintergrund des Auges trafen.

      Als er endlich soweit war, hämmerte sein Herz – vor Aufregung, vor Beklemmung, vor Stolz. Der kleine Raum hatte keine Fenster, die Luft war zum Ersticken.

      Er nahm die Kugel aus der Maskenhöhle, schaltete das optische Gerät aus, setzte sich auf den Stuhl hinter der Kopfstütze, legte sein Kinn ein. Seine Augen waren jetzt genau in Höhe der Löcher.

      Er betätigte einen Schalter, den er an einem Verlängerungskabel in der Hand hielt. Die Lampe leuchtete auf. Das Strahlenbündel traf sein linkes Auge.

      Unwillkürlich kniff er geblendet die Lider zusammen. Dann zwang er sich, sie wieder aufzureißen. Er sah starr auf einen Punkt, den er an dem optischen Gerät mit weißer Kreide gekennzeichnet hatte, hielt das Auge weit geöffnet, damit das Licht durch die Pupille in den Augenhintergrund eindringen konnte.

      Qualvolle Sekunden verstrichen. Ein nie gekannter, eisenharter Druck begann sich um seine Brust zu legen. Die peinigende, überdeutliche Vorstellung ergriff von ihm Besitz, daß er dabei war, sein eigenes Augenlicht von diesen unbarmherzigen Strahlen zerstören zu lassen.

      Bisher, wenn seine Frau oder sein Assistent ihn gewarnt hatten, hatte er es mit einem Lächeln abtun können. Er hatte sich dabei überlegen, fast heldenhaft gefühlt.

      Jetzt, urplötzlich, Auge in Auge mit der Gefahr, begriff er, daß das, was ihn bedrohte, ihm bisher nie deutlich, nie vorstellbar gewesen war. Erblindung – das war ein Schicksal, das jeden anderen, aber nicht ihn selber treffen konnte.

      Aber er hatte sich belogen. Die Gefahr war da. Sie war greifbar, fühlbar, unmittelbar bevorstehend. Er war ihr ausgeliefert, hing als sein eigenes Opfer hilflos in der selbst konstruierten Klammer, während das grausame kalte Licht sich in seinen Augapfel hineinfraß. – „Nein!“

      Professor Bergmeister wußte später nicht, ob er wirklich geschrien hatte oder ob dieser qualvolle Laut schon in seiner Kehle erstickt war.

      Er wollte das Licht ausschalten, seine Finger gehorchten ihm nicht mehr, mit einer gewaltigen Anstrengung riß er das Kabel heraus.

      Das Licht erlosch. Dunkelheit umfing ihn, erlösende Dunkelheit. Er seufzte erleichtert auf, preßte die Handballen vor die schmerzenden Augen.

      Dann, voll Entsetzen, ließ er die Hände sinken, versuchte mit den Augen die Dunkelheit zu durchdringen. Vergeblich. Pechschwarze Nacht umgab ihn.

      Sein Verstand arbeitete fieberhaft. Wie war das möglich? Er erinnerte sich doch genau. Als er die Lampe einschaltete, hatte doch die übliche gedämpfte Beleuchtung in der kleinen Kammer geherrscht, sonst hätte er doch gar nicht die nötigen Vorbereitungen treffen können. Wie kam es dann –

      Er war unfähig, den Gedanken bis zum Ende zu verfolgen. Eine entsetzliche Gewißheit überfiel ihn – er war erblindet!

      3

      „Ich schäme mich“, bekannte Professor Bergmeister.

      Er saß an seinem Schreibtisch Dr. Hilpert gegenüber, den Kopf schwer in die Hand gestützt.

      Es hatte sich herausgestellt, daß die Finsternis, die ihn so erschreckt hatte, nicht auf ein Versagen seiner Augen zurückzuführen gewesen war, sondern auf einen technischen Unfall. Als er die elektrische Leitung aus dem Lichtkoagulationsgerät gerissen hatte, war ein Kurzschluß entstanden, der die Lichter im ganzen Stockwerk zum Erlöschen gebracht hatte.

      Jetzt nahm er die Hand von den Augen und sah Dr. Hilpert an. „Ich schäme mich nicht vor Ihnen, Norman … nicht aus Eitelkeit. Ich schäme mich vor mir selber. Ich komme mir vor wie ein General, der seine Leute ohne mit der Wimper zu zucken in den Heldentod gejagt hat … und dann im Augenblick der wirklichen Gefahr blitzartig erkennen muß, daß er selber ein Feigling ist.“

      „Entschuldigen Sie, Herr Professor, aber …“

      Professor Bergmeister winkte müde ab. „Nein, nein, Kollege, versuchen Sie nicht,


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