Seelenverkäufer. Karl May

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Seelenverkäufer - Karl May


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im Geringsten um die anderen und war so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er den Eintritt eines neuen Gastes gar nicht bemerkte, der, als er ihn erblickte, ein Zeichen der Überraschung nicht unterdrücken konnte, dann aber wie infolge eines raschen Entschlusses auf ihn zuschritt und nach einem Stuhl griff.

      „Ist der Stuhl erlaubt?“, fragte er kurz.

      „Warum nicht?“, antwortete mit einem tiefen Brummen der Kauende. „Ich hab’ ihn nicht gemietet!“

      Der also Berichtete setzte sich und meinte:

      „Wünsch’ guten Appetit!“

      „Danke“, brummte es wieder, „aber lasst mich jetzt ungeschoren! Ich hab’ mehr zu tun, als mir Eure Höflichkeiten gefallen zu lassen.“

      „Ist mir auch recht!“, klang die Antwort unter einem belustigten Lächeln des Sprechenden. „Heda, Mutter Röse, habt Ihr nicht noch ein Messer bei der Hand? Der Mann da wird die ganze Portion wohl nicht für sich allein brauchen!“

      Jetzt erst blickte der Essende auf und überflog mit einem erstaunten Blick sein Gegenüber. Das Ergebnis musste zufrieden stellend sein, denn als die Wirtin antwortete:

      „Ich hab’ schon noch das Nötige für Euch übrig“, entgegnete er in befehlendem Ton:

      „Mache Sie keine Faxen und lasse Sie ihn immer hier mit zugreifen!“

      Mit einem raschen Griff schwang er dem jungen Mann das schwere Brot hinüber, schob ihm Butter und Käse zu und nahm dann die unterbrochene Beschäftigung mit erneutem Nachdruck auf. Der andere griff ebenso fleißig zu, und als die beiden Hungrigen endlich ihre Arbeit beendigten, war außer einem bescheidenen Brotrest nichts Genießbares mehr auf dem Tisch zu bemerken.

      Die leeren Krüge wurden wieder gefüllt, und sich mit einem behaglichen Laut die Magengegend streichend, begann der zuerst Angekommene:

      „So, das wäre abgemacht und nun kann man auch wieder sprechen. Ihr schlagt keine schlechte Klinge!“

      „Hm, so was lernt sich schon, und der Käse war gut!“

      „Meint Ihr? Ja, bei der Mutter Röse weiß man, was man bekommt. Ihr seid wohl kein Dessauer Kind?“

      „Nein.“

      „So seid Ihr wohl in Geschäften hier?“

      „Ja und nein, je nachdem man’s nimmt.“

      „Ja und nein – so sprecht doch deutlicher, wie es einem vernünftigen Menschen zukommt!“

      „Warum?“

      „Warum, fragt Ihr noch? Na, zum Tausendsapperlot, wenn wir nicht hier sitzen und Maulaffen feilhalten wollen, so müssen wir doch etwas reden. Und auf eine gut gemeinte Frage gehört doch wohl eine ehrliche Antwort!“

      „Da habt Ihr wohl Recht; nur weiß ich nicht, was es Euch und mir nützen soll, wenn wir über meine Angelegenheiten verhandeln!“

      „Mir wird’s freilich nicht viel nützen, aber für Euch kann’s vielleicht gut sein. Ich bin hier bekannt, und wenn es auch weiter gar nichts wäre, so kann doch wenigstens ein guter Rat nie Schaden bringen.“

      „Ihr sprecht wahrhaftig grad wie ein Buch; aber wahr ist’s trotzdem, was Ihr sagt. So sollt Ihr denn meinetwegen wissen, dass ich hier eine Stelle suchen will.“

      „Eine Stelle? Was denn für eine?“

      „Beim Alten!“

      „Beim Alten? Bei was für einem Alten denn, he, wenn’s gefällig ist?“

      „Na, beim Fürsten.“

      „Beim Fürsten? Bei dem wollt Ihr eine Stelle haben und nennt ihn doch den Alten!“, fuhr er zornig auf. „Da schlag doch ein Himmelmillionenschock – ja, ich seh’ da gar nicht ein, warum ich mich ärgern soll. Eure Stelle kann mir ja ganz gleichgültig sein!“

      „Ich hab’ nichts dagegen, aber wer neugierig ist, muss auch die Antworten nehmen, wie sie kommen.“

      „Hört mal, Ihr seid ein verteufelt aufrichtiger Kerl und ich glaube, das Flunkern habt Ihr nicht gelernt!“

      „Das will ich wohl zugeben. Man kommt mit der Ehrlichkeit immer noch weiter als mit der Flunkerei.“

      „So? Da habt Ihr es wohl schon weit gebracht?“

      „O ja, bis zum Reitknecht.“

      „Alle Wetter! Kann Er denn wirklich ein Pferd reiten?“

      „Ein Pferd? Hm! Sprecht lieber, jedes Pferd!“

      „Jedes? Hör Er mal, dazu gehört mehr als Brot essen! Der ‚Alte‘ zum Beispiel, wie Er den Fürsten nennt, hat einen Rapphengst, der noch niemanden im Sattel gelitten hat. Das ist eine Bestie, wie es in der ganzen Welt weiter keine gibt!“

      „Wer, der Alte oder der Rapphengst?“

      „Mohrenelement, mache Er keine schlechten Witze! Was glaubt Er denn, was ich bin?“

      „Ihr? Ja na, ich hab’ so einen Blick, so einen gewissen Geruch, um zu sagen, was einer ist, und ich irre mich selten. Ich glaube, Ihr – Ihr – handelt mit – mit – na, mit Zwiebeln!“

      „Ich hand – le – mit – Zwie – wie – wie – beln – hahahaha – mit Zwie – Zwie – wie – wie – beln!“, brach der Alte mit einem Lachen los, das fast in einen Lachkrampf ausartete und die Wände des Zimmers zu erschüttern schien. „Oh, Er ist ein weiser Salomo; aber erraten hat Er es doch: Ich handle hahaha – mit Zwie – wie – wie – beln – hahahaha – ja, und ich hab’ schon manchen in eine Zwiebel beißen lassen, dass ihm die Augen übergegangen sind! Hör Er, Er ist kein unebner Kerl und ich möchte Ihm gern einen Gefallen erweisen. Will Er wirklich zum Fürsten?“

      „Freilich! Ich hab’ gehört, dass der Leibknecht abgegangen ist, und wollte fragen...“

      „Halt da! Er versteht wohl von der Sache noch gar nichts? Leibknecht kann nicht jeder hergelaufene Fremde werden, sondern zu einem solchen Posten kommt nur einer, der erstens sein Fach aus dem Effeff versteht, und zweitens vom Stalljungen auf gedient und sich das Vertrauen des Fürsten erworben hat. Das ist ein Vertrauensposten, auf den sich ein Unbekannter nicht spitzen darf.“

      „Das ist mir alles gar wohl bekannt; aber man weiß doch manchmal nicht, wie der Hase läuft, und ein Fremder ist zuweilen ebenso brauchbar wie einer, der sich von Stelle zu Stelle emporgeschwenzelt hat.“

      „Ich will da nicht mit Ihm streiten, aber der Leibknecht des Fürsten muss, soviel ich weiß, nicht nur ein ausgezeichneter Reiter sein, sondern auch nach der Schnur fahren können, denn der ‚Alte‘, wie Er den Fürsten nennt, ist etwas mürbe geworden und das Fahren fällt ihm leichter als das Reiten, da er seine Achtundsechzig auf dem Rücken hat. Er steht jetzt mit seinen Buntröcken in Magdeburg und muss auch zuweilen hier in Dessau sein; da geht es denn oft herüber und hinüber und der Leibknecht ist dabei meist seine einzige Begleitung. Versteht Er nun, was ich meine?“

      „Warum denn nicht? Ihr macht es einem ja so deutlich, als wenn Ihr gar auf Schulmeister gelernt hättet. Aber Ihr sollt mir doch keine Angst machen und ich werde mein Heil versuchen! Der Fürst soll jetzt in Dessau sein und ich werde mich noch heut Vormittag erkundigen, wie man es anzufangen hat, um mit ihm sprechen zu können.“

      „Da braucht Er gar nicht ewig herumzufragen, denn ich kann es Ihm ebenso gut berichten wie jeder andre. Ich muss nachher aufs Schloss; hab’ dort mit dem Hofgärtner so einiges abzumachen und werde wegen Ihm einmal zuhorchen. Bin auch nicht ganz so ohne alle Verbindungen. Wollen doch mal sehn, ob ich Ihn nicht bis zum Kammerlakaien hinaufschieben kann; das andre ist dann Seine Sache.“

      „Ich hab’ volles Vertrauen zu Euch. Wenn Ihr ein Wort für mich sprechen wollt, so werde ich es Euch herzlich zu danken wissen; aber wie hab’ ich mich denn sonst noch zu verhalten?“

      „Das


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