Seelenverkäufer. Karl May

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Seelenverkäufer - Karl May


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den Brei immer wieder anbrennen lässt, so mag Er zusehn, wenn ein anderer kommt und sie Ihm vor der Nase wegschnappt.“

      „Verzeihen, Exzellenz, das glaube ich nicht befürchten zu müssen!“

      „Nicht? Da weiß ich mehr als Er. Das Teufelsmädel ist schön, reich und klug, und ich glaube, sie hat bei ihrem letzten Besuch in Berlin einen gefunden, der es geschickter anzudrehen weiß als Er. Er ist ein Rittmeister bei den Zietenhusaren und die sind in allen Dingen gewohnt, frisch dreinzuschlagen. Da ihre Eltern tot sind, so hat der Mann kurz und bündig mich um das Jawort gebeten, und wahrhaftig, er hätte es mit Freuden bekommen, wenn mir nicht noch zur rechten Zeit Sein Vater eingefallen wäre.“

      „Gestatten, Exzellenz, die Frage nach dem Namen des Rittmeisters?“

      „Meinetwegen; es ist der Herr von Platen, derselbe, von dem man sich so manches lustige Reiterstückchen erzählt. Der König scheint ihn sehr zu bevorzugen. Er kann sehn, wie Er ihn aus dem Sattel bringt!“

      „Werde es versuchen und sage Exzellenz meinen schuldigen Dank für die gnädige Auskunft.“

      „Schon gut! Das Mädel ist grad noch hier im Schloss, geht aber schon in einigen Stunden auf ihr Gut nach Beyersdorf. Er ist noch im letzten Augenblick gekommen; geh Er zu ihr und mach Er Seine Sache besser als bisher!“

      Während des letzten Teils der Unterredung hatte sich der Unmut des Fürsten etwas gelegt und einer freundlicheren Stimmung Platz gemacht, ein Umstand, aus dem sich schließen ließ, dass der Vater des vor ihm stehenden Offiziers bei ihm in gutem Andenken stehen müsse. Am Schluss der Endermahnung gab er mit der Hand das Entlassungszeichen und wandte sich zurück.

      Mit militärischem Gruß trat Polenz ab und schritt so schnell durch das Vorzimmer und über den Flur, dass er fast mit einer jungen Dame zusammengerannt wäre, die sich eben anschickte, die Treppe hinabzusteigen. Erschreckt fuhr er zurück, verbeugte sich errötend und stammelte:

      „Entschuldigung, Fräulein von Naubitz, ich befinde ich so sehr in Eile...“

      „Dass ich den Herrn Oberleutnant keinen Augenblick aufhalten, sondern ihm gern den Vortritt lassen werde“, fiel sie ihm mit stolzer Haltung und mit einem feinen, überlegenen Lächeln in die Rede, indem sie mit einer abweisenden Handbewegung zurücktrat.

      „Oh, meine Gnädige – so groß ist meine Eile denn doch nicht –, dass ich nicht einige Worte...“

      „Danke, danke! Der Dienst geht vor und Ihr befindet Euch im Dienst. Bitte voranzutreten!“

      „Ich werde gehorchen; aber zuvor bitte ich, mir zu sagen, warum Ihr gegen meine Person eine so große Abneignung hegt!“

      „Ich muss bemerken, Herr von Polenz, dass hier nicht der geeignete Ort ist, von Zu- oder Abneigung zu sprechen.“

      „Dann ersuche ich ganz ergebenst um die Erlaubnis, einige kurze Minuten beim Fräulein eintreten zu dürfen!“

      „Ich steh’ eben im Begriff, der Einladung einer Freundin Folge zu leisten. Es ist ein Abschiedsbesuch, der sich unmöglich aufschieben lässt.“

      Polenz wollte gerade eine Entgegnung aussprechen, als sich unten eine tiefe, wohlklingende Stimme vernehmen ließ: „Hör Er, guter Freund, ist im Lauf des Vormittags nicht ein Zwiebelhändler hier gewesen?“

      Die Sonderbarkeit der Frage ebenso wie der Wohllaut der sonoren Stimme, aus der trotz der in den Worten liegenden Erkundigung doch etwas Befehlendes klang, erregte die Aufmerksamkeit der Obenstehenden so, dass sie ihre eigenen Angelegenheiten vergaßen.

      „Ein Zwiebelhändler? O ja“, tönte unter einem leisen Lachen die Antwort. „Er will wohl mit ihm sprechen?“

      „Ja.“

      „Dann ist Er wohl der Fremde, der bei Mutter Röse mit ihm gegessen hat?“

      „Ja.“

      „Gut, so geh Er diese Treppe hinauf. Hinter der Tür, die Ihm links entgegensteht, wird man Ihm Bescheid sagen.“

      Das war die Tür des fürstlichen Vorzimmers; es handelte sich also vielleicht um eines jener spaßhaften Vorkommnisse, die zuweilen einzutreten pflegten, wenn der Fürst die Stadt oder deren Umgegend einmal verkleidet durchstrichen hatte. Die beiden an der Treppe sahen infolgedessen dem Erscheinen des Fragers mit einer gewissen Neugier entgegen.

      Jetzt kam er langsam und gemächlich die Stufen heraufgestiegen. Es war ein noch junger Mann, der vielleicht dreißig Jahre zählen mochte. Von nicht zu hoher Gestalt, war er breitschultrig gebaut, von kräftigen Formen und gewandten Bewegungen. Wie er so mit über den Rücken gelegten Armen den Fuß von Stufe zu Stufe setzte, war es fast, als sei er hier zu Haus oder finde ganz und gar nichts Besonderes in einem Besuch bei dem strengen Souverän des Deutschen Reiches.

      Oben angekommen, erhob er mit einem raschen und offenen Aufschlag den bis jetzt zu Boden gerichteten Blick. Als er die Dame erkannte, leuchtete es überrascht aus dem großen, dunklen Auge, aber so schnell, so kurz, dass Polenz es gar nicht bemerkte, und dann klang es in gleichgültig fragendem Ton unter dem sorgfältig gepflegten Bärtchen hervor:

      „Wo ist die Tür, die einem hier links entgegensteht?“

      Fräulein von Naubitz war bei seinem Anblick bis tief in den Nacken hinab errötet und schien durch die seltsame Frage ganz außer Fassung gebracht zu werden. Desto mehr aber bewahrte der Oberleutnant seine Würde.

      „Kerl“, rief er, „ist Er denn wirklich so heidenmäßig dumm, dass Er nicht weiß, was links und was eine Tür ist?“

      „Freilich! Ich hielt Sein großes Maul für das Loch, durch das ich kriechen soll. Er reißt es ja sperrangelweit auf.“

      Damit drehte sich der Fremde nach links und trat in das Vorzimmer. Polenz hob schon den Fuß, ihm nachzueilen, um ihn für die Beleidigung zu züchtigen, aber die Gegenwart der Angebeteten veranlasste ihn, seinen Zorn zu beherrschen.

      „Freches Subjekt!“, brummte er. „Solches Volk darf man aber gar nicht beachten! – Also das gnädige Fräulein steht im Begriff, auszugehen? Und doch lässt mich der Dienst keine spätere Stunde erwarten.“

      „Nun, so teilt mir schnell mit, was Ihr von mir wollt!“

      „Was ich will, fragt Ihr? Nichts weiter als eine endgültige Entscheidung. Ihr kennt mich und meine Verhältnisse und wisst auch, dass ich nicht ohne Vorsprache bin.“

      „So wisst Ihr desto weniger, dass die Vorsprache der Liebe nur schadet. Diese lässt sich nicht kommandieren, sie handelt nach eigenem Ermessen und ist nur für den Preis zu haben, den sie selbst bestimmt.“

      „So nennt mir diesen Preis!“, bat der Offizier, indem sein Blick sich mit verlangender Glut an die Sprecherin heftete.

      Mit träumerisch glücklichem Ausdruck suchte ihr Auge die Tür, hinter der vor wenigen Sekunden der Fremde verschwunden war, und leise klang es von ihren Lippen.

      „Ich kann nur einem Mann gehören, der neben Körper- und Geisteskraft auch einen Sinn für die feineren Gefühle des Herzens besitzt. Das gemeine, alltägliche Leben muss mit den Strahlen der Romantik übersponnen werden, wenn die Liebe heimisch werden soll, und ich kann mir nichts Entzückenderes denken, als wenn zum Beispiel ein stolzer Ritter die Zeichen seines Standes von sich legt, um im unscheinbaren Kleid nach dem Besitz der Geliebten zu ringen.“

      In süßer Vergessenheit haftete ihr Auge noch immer an der Tür, als könne sie durch diese das Wesen erblicken, von dem ihre Worte redeten; dann aber richtete sie sich stolz empor, grüßte den Oberleutnant mit einem kurzen Nicken des weißgepuderten Lockenköpfchens und rauschte die Stufen hinab.

      „Die Zeichen seines Standes von sich legt – also inkognito – in unscheinbarem Kleid – stolzer Ritter – Besitz der Geliebten ringen“, murmelte Polenz. „Hm, hab’ noch gar nicht gewusst, dass sie an solchen alten Burg- und Rittergeschichten Wohlgefallen findet. Mir soll’s recht sein – da bin ich mit dabei. Nach Beyersdorf


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