DIE MINE. Tim Curran

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DIE MINE - Tim Curran


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einmal, dass du lesen kannst

      »Okay, ihr zwei. Es reicht mit den Geistergeschichten. Das hier ist real«, sagte Dew. »Ich weiß nicht, was zur Hölle hier vorgeht, aber wir müssen es herausfinden oder jemanden dazu holen, der es kann.«

      Er ging zwischen den Tischen entlang und betrachtete das bereitgestellte Essen, das Kartenspiel und das Cribbage-Brett mit seinen Zählsteinen. Er sah eine Zeitung mit einem halbgelösten Kreuzworträtsel. Ein Bleistift lag daneben. Wie Jerry gesagt hatte, wirkte es, als wären die Männer mitten in ihrer Pause aufgestanden und einfach nicht mehr zurückgekommen. Er fand ein Handy und hob es auf im vollen Bewusstsein, dass, wenn das hier eine Art Tatort war, er gerade Beweise verunreinigte, aber er konnte nicht anders. Auf dem Bildschirm waren einige Nachrichten abgebildet:

      20:15:27 Shell: du musst mit ihr reden, ich meine es ernst

       20:15:32 Rip: dieses Wochenende

       20:15:35 Shell: ich meine es ernst, auf mich wird sie nicht hören

       20:15:42 Rip: ich mache es

       20:15:43 Shell: ich habe es satt, der einzige Elternteil in dieser Beziehung zu sein

       20:15:47 Rip: ich sagte, ich rede mit ihr, okay

       20:15:51 Shell: du sagst viele Dinge

       20:16:03 Shell: bist du noch da?

       20:16:12 Shell: hallo?

       20:16:32 Rip: muss los, irgendwas passiert hier

       20:16:39 Shell: was?

       20:16:47 Shell: bist du da?

       20:17:11 Shell: lebst du noch?

       20:18:36 Shell: Rip???

       20:21:03 Shell: vergiss es

      Irgendetwas war definitiv um 20:16 Uhr passiert … aber was? Das war vor zweieinhalb Stunden gewesen, was bedeutete, dass es kurz vor dem ursprünglichen Notruf geschehen war. Aber wenn das stimmte, wieso war dann der Kaffee noch warm? Warum dampfte die Suppe noch, als wäre sie erst vor zehn Minuten stehengelassen worden? Es ergab keinen Sinn. Dew legte das Telefon wieder hin. Diese Spekulationen führten zu nichts. Sie verstärkten nur die Paranoia, die zu diesem Zeitpunkt schon fast grenzenlos war.

      »Irgendwas auf dem Handy?«, fragte Woody.

      »Nein, nichts«, log er. »Nur ein paar Nachrichten um Viertel nach neun, das ist alles.«

      »Gott, wir werden die ganze Nacht hier beschäftigt sein. Das weiß ich genau«, sagte Jerry.

      »Wartet auf dich ein heißes Date?«, fragte Dew.

      Er zuckte mit den Schultern. »Na ja, eigentlich sollte ich Marianna zum Frühstück treffen. Sie fliegt morgen nach Florida, um ihre Schwester zu besuchen.«

      »Ich schätze, das wirst du nicht schaffen.«

      Jerry murmelte etwas Unverständliches und Dew versuchte, nicht zu grinsen. Es waren bestimmt nicht die Eier am Morgen, an die Jerry bei einem Mädchen dachte, das wie Marianna aussah.

      Sie durchsuchten die Kantine und fanden nichts von Interesse. Es war genau, wie Jerry es gesagt hatte, wie ein Geisterschiff, stellte Dew fest. Nichts war angefasst worden, es gab keine Anzeichen von Gewalt … und dennoch waren alle verschwunden. Es ergab keinen Sinn.

      Vielleicht ergibt es mehr Sinn, als du dir eingestehen willst, dachte er dann. Er verstand es nicht und während er darüber nachdachte, sagte ihm eine Stimme reiner Polizistenvernunft, dass er voreilige Schlüsse zog und aufpassen musste. Etwas war passiert, ja, aber das hieß nicht, dass es etwas Seltsames war, was sich nicht erklären ließ. Es gab genügend Möglichkeiten. Alles, was er tun musste, war über sie nachzudenken.

      Das Problem war, er konnte es nicht.

      Nichts kam ihm in den Sinn, aber er war kein Mann, der das akzeptierte. Die Dinge hatten immer einen Grund, besonders, wenn es sich um ein Verbrechen handelte. Wenn das hier tatsächlich ein Tatort war, doch dessen war er sich noch nicht sicher, dann musste es nicht nur einen Grund, sondern auch ein Motiv dafür geben. Düster und pervertiert vielleicht, aber vorhanden, wenn man nur genau danach schaute.

      »Dieser Ort macht mir Angst«, gab Jerry offen zu. »Ich bin nicht zu stolz, das zu sagen.«

      Woody stöhnte. »Niemand würde dir das je vorwerfen.«

      »Ich frage mich, was hier passiert ist? All diese Leute, einfach weg. Da kommt man auf Gedanken. Schlimme Gedanken.« Jerry ließ das in der Luft hängen und als niemand darauf einging, packte er es mit beiden Händen an. »Ich weiß nicht, warum, aber ich bekomme dasselbe Gefühl wie in der Nacht, als wir zu Dwight Roses Haus hochgegangen sind.«

      »Genug davon«, warnte Dew ihn.

      Die ganze Dwight Rose-Angelegenheit war noch immer ein empfindliches Thema, über das niemand gern sprach. Vor fünf Jahren stellte sich heraus, dass Florence County ein Monster besaß. Die Art Monster, die sich des Nachts herumtrieb und jugendliche Mädchen im Mondlicht verschwinden ließ. Die Erste war Theresa Cestaro gewesen, vierzehn Jahre alt. Sie hatte ihren Hund, einen Shih Tzu namens Muggel, Gassi geführt. Muggel kam nach Hause, aber Theresa hatte es nie geschafft. Drei Monate später verschwand Brittany Richt, dreizehn Jahre alt, als sie von einer Freundin nach Hause lief. Das letzte vermisste Mädchen war Toni Lynn Wannamaker gewesen, fünfzehn Jahre alt. Weniger als zwei Wochen nach dem Verschwinden des Richt-Mädchens, hatte Toni Lynns Freund sie an der Straßenecke abgesetzt. Er hatte gesagt, dass er ihr nachgeschaut hatte, wie sie nach Hause lief und dabei den Weg hinten herum nahm, wie sie es immer getan hatte. Das war das letzte Mal gewesen, dass irgendjemand sie gesehen hatte.

      Oh, es war eine hässliche Angelegenheit gewesen.

      Die Art Angelegenheit, die weit über das hinaus ging, wofür die Polizeistation von Florence County ausgerüstet war. Detektive der Grenzpolizei kamen mit forensischen Teams dazu und kurz darauf war auch das FBI involviert. Die Wochen vergingen und dann Monate ohne einen Durchbruch. Die Leute waren wütend. Sie waren frustriert. Sie hatten Angst, nach Einbruch der Dunkelheit hinauszugehen. Dann, wie es oft bei solchen Dingen zuging, entwirrte sich der Fall mit einem Mal. Missy Curlew, die Besitzerin von Bell’s True Value Hardware in Florence, berichtete von einem unangenehmen Geruch aus der Wohnung über ihr, die sie an Dwight Rose vermietet hatte. Sie hatte zu viel Angst, ihren Hauptschlüssel zu benutzen und hineinzugehen. Wie der Zufall – oder das Pech – es wollte, hatte Dew den Anruf bekommen und war mit Jerry und Woody hineingegangen. Sie alle kannten Dwight. Jeder kannte ihn. Er war ein Postbote, ein Pfadfinder-Truppführer und der Softballtrainer der Mädchen. Woody war mit ihm Fischen gewesen. Dew hatte ihn zu Grillabenden im Garten eingeladen. Er war sehr beliebt und respektiert. Die Art Mann, die einem ihr letztes Hemd geben würden, wie man so sagte. Aber es gab einen anderen Dwight Rose, den niemand kannte, und in dieser Nacht trafen sie ihn. Im Wohnzimmer hatte Dwight mit schwarzem Wachsstift alle Einzelheiten über die von ihm ermordeten Mädchen an die Wand geschrieben: ihre Namen, Alter, Haarfarben, Augenfarben und wo er sie begraben hatte.

      Ihn hatten sie zusammen mit der Rasierklinge in der Duschkabine gefunden, mit der er sich die Handgelenke aufgeschlitzt hatte. Dort hatte er viele Tage gelegen, sodass der Gestank natürlich grauenhaft gewesen war, genau wie die Fliegen. Nach all dieser Zeit hatte Dew das Bild immer noch abscheulich frisch vor Augen; die aufgedunsene, angelaufene, von Fliegen bedeckte Leiche. Eine Spinne hatte ihr Netz von Dwights gequälter Todesfratze hinauf bis zum Duschkopf gesponnen, sodass es wie ein Schleier wirkte. Dutzende von ausgesaugten Fliegen hatten darin gehangen.

      Danach wurde der Fall schnell abgeschlossen. Die Überreste der Mädchen wurden geborgen. Die Forensik ergab, dass sie erdrosselt worden waren. Dwight hatte mit jeder von ihnen mehrfach nach dem Tod Sex gehabt. Warum er es getan hatte oder mit welchen dunklen Geheimnissen er gerungen hatte, hatte niemand je erfahren. Der einzige Hinweis auf seinen Geisteszustand war mit Wachsstift an die Schlafzimmerwand gekritzelt worden: SIE HABEN MICH DAZU GEBRACHT.

      Selbst jetzt, Jahre später, war es ein heikles Thema, weil Dwight Rose viele Freunde in der Gegend gehabt hatte und die Leute nicht gern über die Jungs in seinem Pfadfindertrupp oder die Mädchen in seinem Softballteam


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